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Friedrich Hahn
Ein Roman von Kirstin Breitenfellner
über die Malerin Maria Lassnig
Rezension

Wie oft hat man in Interviews mit bildenden KünstlerInnen schon den Satz gehört oder gelesen: „Meine Bilder sprechen für sich.“ Nun. Maria Lassnig könnte, so sie überhaupt gewollt hätte, sowieso nicht mehr über ihre Bilder, über ihr Leben sprechen. Sie ist seit 2014 tot.

Malen – Malen das war ihr Leben! Maria Lassnig lebte fürs Malen. Sie hat erst in späten Jahren die ihr gebührende Anerkennung erfahren.

Kirstin Breitenfellner nun hat das Sprechen für Maria Lassnig übernommen. Sie hat einen Roman über die Ausnahmekünstlerin geschrieben: Maria malt, so der schlichte, aber bezeichnende Titel. Ein Projekt, an dem die Autorin fünf Jahre gearbeitet hat. Über drei Jahre hat sie nur recherchiert.

Kirstin Breitenfellner habe ich lesend als Lyrikerin kennengelernt. Ihr Interesse an Maria Lassnig war schon damals evident. Den Schutzumschlag ihres Gedichtbandes das ohr klingt nur vom horchen, erschienen 2005 im Skarabäus-Verlag, ziert ein Lassnig-Gemälde.

Der vorliegende Roman ist zweifelsohne ein großes Verdienst. Hut ab vor dieser Mammutanstrengung. Da sind die biografischen Fakten. Da Breitenfellners Versuch, daraus eine Story zu entwickeln. In dieser Verquickung allerdings liegt für mich die Crux. Der Ton ist meines Erachtens für einen Roman zu faktisch. Für eine Biografie zu fiktional.

Ich jedenfalls war mir nie sicher, lese ich hier durch die Brille der Autorin deren Einschätzung, eine Interpretation, oder erfahr ich hier etwas Authentisches zu Maria Lassnig und ihrem Umfeld. Fragezeichen!

Worum es der Autorin als erstes geht, ist sofort erkennbar. Frauen wurden und werden im männerdominierten Kunstbetrieb klein gehalten. Das entspricht zwar den Tatsachen, “Dass es in der Malerei nicht um Talent geht, sondern um Geschlecht.“ (Seite 67), dennoch hat sie Männern auch so Manches zu verdanken.

Sie ist alles andere denn eine Nonne, oder eiserne Jungfrau. Ihre amourösen Verbindungen etwa mit dem jungen Arnulf Rainer, mit Michael Guttenbrunner, Ossi Wiener oder Pahdi Frieberger formen sie auch. Im Positiven wie im Negativen.

Aber es stimmt schon: die Chancen für Frauen, sich in der Kunstszene nach dem Zweiten Weltkrieg durchzusetzen, waren gegen Null. Und es wird heutzutage nicht viel anders sein.

Maria Lassnig geht nach Paris, von da weiter nach New York und kehrt in den späten Jahren zurück nach Wien, wo sie als erste Frau im deutschsprachigen Raum eine Professur für Malerei an der Angewandten erhält.

Ihren späten Ruhm (ab ihrem 80.Lebensjahr) erzählt Kirstin Breitenfellner nicht mehr, den dokumentiert sie im Prolog mit einer Auflistung ihrer Ehrungen, Ausstellungen und Publikationen. „Diese späte Genugtuung wollte ich nicht interpretieren, sondern so stehen lassen – in der Hoffnung, dass sie unkommentiert ihre ganze Wucht entfaltet.“ (Die Autorin in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten)

Das Unternehmen Maria malt hat mich erreicht. Erreicht und irritiert. Erreicht als atmosphärisches Künstlerinnenportrait und Zeitbild. Irritiert als fiktiver Roman. Da lese ich etwa Dialoge zwischen A.Rainer und Maria L. (Seite 148) oder zwischen ihr und Ossi Wiener (Seite 213/214) und denke mir: Wie kühn!

Dafür gibt es wahrscheinlich keine Quelle, keinen Tagebucheintrag, keine überlieferte Anekdote. Auch die gelegentlichen zeitlichen Sprünge hemmen etwas den Lesefluss. Ich muss zugeben: ich habe des Öfteren den Faden verloren.

Aber es macht andererseits auch Spaß, sich die eine oder andere Leerstelle selbst auszumalen, ist es doch in erster Linie ja auch eine Story über die Malerei. Malen nach Zahlen, sozusagen.

Das Ergebnis: eine Lektüre, die sich in jedem Fall auszahlt.

Maria malt, Roman, Picus Verlag 2022, 464 Seiten, Euro 20,9


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Hahn Friedrich

Geboren 1952 im Waldviertel / NÖ, schreibt und veröffentlicht seit 1969. 54 Bücher mit Lyrik, Prosa sowie 20 Arbeiten für den Rundfunk und für die Bühne (zuletzt „im rücken des schattens“, die rampe, Stuttgart 2004). Performances (u. a. im Centre George Pompidou/Paris im Rahmen der Polyphonix), Ausstellungen und Kataloge (u. a. „remakes“: Museum Moderner Kunst/Wien, „unterm strich“: Galerie Eichgraben, „allerhand hahn“: CA-Galerie im TZ). Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung und des Literaturkreises "Podium". Lebt in Wien/Alsergrund. www.literaturhahn.at

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