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Franz Mathis
Solidarität als Illusion
Notiz

Die sogenannte Willkommenskultur im Flüchtlingssommer 2015 hat für einen Moment den Eindruck entstehen lassen, dass wir eine solidarische Gesellschaft sind. Dass wir davon jedoch noch weit entfernt sind, dass Solidarität für viele ein Fremdwort ist, hat uns die Pandemie schmerzlich vor Augen geführt.

Nicht umsonst bedarf es in den verschiedensten Lebensbereichen zum Schutz der Mitmenschen einer Reihe von Regeln, Geboten und Verboten, die offenbar nur befolgt werden, wenn Strafen und sonstige Sanktionen drohen.

Dies beginnt schon in der Schule. Wenn einer oder mehrere Schüler permanent den Unterricht stören und damit den Lernerfolg der Mitschüler beeinträchtigen, nützen gutes Zureden und Appelle an die Einsicht langfristig offenbar derart wenig, dass man zu Strafen greifen muss.

Ebenso wenig reicht im Sport die so gerne strapazierte Forderung nach Fairplay, um unfaires Verhalten zu verhindern. Sonst wären weder gelbe bis rote Karten noch Disqualifikationen notwendig.

In der Wirtschaft kann ein Betrieb nur bestehen, wenn alle am selben Strang ziehen. Verstöße gegen die Kooperation kann nach ergebnislosen Ermahnungen letztlich nur mit Kündigung beantwortet werden.

Am deutlichsten jedoch wird das Fehlen solidarischen Verhaltens im Straßenverkehr. Wie viele Autofahrer ohne die vom Gesetzgeber verordneten Beschränkungen mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Ortschaften fahren und damit ihre Mitbürger gefährden würden, mag man sich gar nicht ausmalen. Dasselbe gilt für die Überquerung von Zebrastreifen, das Befahren von Kreuzungen, die Beachtung von Einbahnen oder die Benützung des begrenzten Parkraumes, die mangels entsprechender Solidarität mit Geboten und Verboten samt Androhung von Strafen geregelt werden müssen.

Und genau dasselbe Problem stellt sich bei der Bekämpfung der Pandemie. Wie in den genannten und anderen Bereichen wird man die Impfgegner mit Appellen an ihre Solidarität niemals zu einem Umdenken bewegen können. Die einzige Möglichkeit, sie zu einer Impfung zu veranlassen, ist daher die mit einer Strafandrohung verbundene Impfpflicht.

Offenbar ist diese Einsicht bei den maßgebenden Entscheidungsträgern in der Politik aus welchen Gründen auch immer schon so sehr verloren gegangen, dass man seit Monaten geradezu mantraartig von notwendiger Überzeugungsarbeit spricht, ohne sich einzugestehen, dass eine solche letztlich an der mangelnden Solidarität scheitert.

An umfangreicher Aufklärung, Information und gutem Zureden, wie sie seit Monaten versucht werden, kann es nicht liegen. Was den neuerlichen Lockdown, die damit verbundenen Beeinträchtigungen und Einschränkungen, die individuellen wie volkswirtschaftlichen Kosten sowie die drohende Überlastung des Gesundheitssystems samt fahrlässiger Gefährdung der Mitmenschen vor allem hätte verhindern können, wäre einzig und allein eine frühere Einführung der Impfpflicht gewesen.

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Franz Mathis

Geboren in Hohenems (Vorarlberg) 1946, Studium der Geschichte und Anglistik an der Universität Innsbruck, Mag. phil. 1971, Dr. phil. 1973, Habilitation aus Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1979, ordentlicher Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 1993. Forschungsaufenthalte in England und den USA, Gastprofessor an den Universitäten Salzburg, New Orleans (USA), Trient und Bozen. Studiendekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Rektorsbeauftragter der Universität Innsbruck für die Partnerschaft mit der University of New Orleans, Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für historische Alpenforschung, Schriftleiter der Tiroler Wirtschaftsstudien. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: vergleichende Stadtgeschichte, vergleichende Unternehmensgeschichte, Dritte Welt, allgemeine Wirtschaftsgeschichte Zusammenhänge und Grundlagen sozio-ökonomischer Entwicklung.

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