Print Friendly, PDF & Email

Elias Schneitter
Mit Berliner Schnauze und Wiener Schmäh
Notizen

Der Literaturmarkt hat seine Eigenheiten wie jeder Geschäftszweig.

Da gibt es von Experten hochgelobte Bücher, deren Autoren mit Preisen und medialer Aufmerksamkeit überhäuft, von der Leserschaft aber kaum gelesen bzw. gekauft werden. Der Großteil dieser Produkte zeichnet sich durch Sperrigkeit, gerne auch durch Langeweile aus.

Dann wiederum gibt es Bücher, die hervorragend geschrieben sind, bei der Leserschaft bestens ankommen und hohe Auflagen erzielen, aber bei den Expertenjurys keine Gnade finden, was Literaturpreise betrifft. So ein Fall sind die Bücher von Sven Regener.

Nun mag das kein besonders wichtiges Kriterium sein (Literaturpreise gehören ohnehin längst abgeschafft –das ist allerdings eine andere Geschichte!), aber es ist bezeichnend für Literaturexperten.

Der Grund für diese Ablehnung ergibt sich meiner Meinung nach aus der Tatsache, dass die Bücher von Regener alles andere als humorbefreit sind, im Gegenteil. Sie sprühen vor Sprachwitz und Ironie, und was als besonderes Merkmal hinzukommt: er verfasst keine Abrechnungen! Er geht respektvoll mit seinem Figurenpersonal um. Und das sind Kriterien, die Autoren von den höheren Weihen des Literaturadels auszuschließen scheinen.

Dabei erinnere ich mich an die Anekdote von der Jungautoren-Ralley beim Bachmannpreis in Klagenfurt, wo es heißt: Bringt ein Text die Zuhörer zum Lachen, ist er für einen Preis schon aus dem Rennen.

Aber nun zu „Glitterschnitter“, dem zuletzt erschienen Band von Sven Regener. Der Roman spielt in Berlin Kreuzberg zu Beginn der Achtzigerjahre. Die große Zeit der Hippies ist vorbei, eine neue junge Generation schafft sich Raum. Wie alle Romane von Regener spielen sich diese in der Kulturszene ab. Vorwiegend junge Leute mit hochtrabenden Ideen und sehr beschränkten finanziellen Mitteln bevölkern das Geschehen. Das Personal ist eine bunte Mischung aus Norddeutschland, Schwaben und Ottakring, da rennen die Berliner Schnauze und der Wiener Schmäh um die Wette.

Die Sprache entspricht der damaligen Jugendkultur, direkt, hart, verspielt, ordinär, aber nie bösartig oder gehässig. Die Handlung wird fast ausschließlich in der Dialogform vorangetrieben, sehr spritzig, vor allem mit vielen witzigen Details, mit viel Komik.

Jedenfalls, es geht rund in diesem Roman, Langeweile ist nicht angesagt, dafür viel Lesevergnügen, besonders für Literaturfreunde, die für Unterhaltung, Jugendkultur und Boheme-Dasein ein Faible haben. Und insgesamt: Das Buch ist blendend geschrieben. Auf jeden Fall ein Genuss.


Note 1: Zusatz zu Regener und dem Literaturadel. Im deutschen Fernsehen gibt es die Sendereihe „Druckfrisch“ vom Literaturexperten Denis Scheck. Ich lass mich da gern informieren. Nur leistet sich der „kleine Literaturpapst“ auch den überflüssigen „Gag“, schlechte Bücher aufs Laufband zu werfen, damit sie im Müll landen. Das ist genau die überhebliche Haltung eines Literaturexperten, die ich oben beschrieben habe. In einem Land, in dem es Bücherverbrennungen gegeben hat, sollte man von solchen Aktionen überhaupt Abstand nehmen. So! Jetzt habe auch ich die Moralkeule geschwungen. Aber das musste ich noch loswerden.


Note 2: Vor genau zwanzig Jahren wurde der Euro eingeführt. Da hat es anfangs große Klagen in der Gastronomie gegeben, dass jetzt das Trinkgeld knapp werden würde. Fehlanzeige. Das Gegenteil ist passiert. Zumindest nach Auskunft meiner Gewährsleute.

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Schreibe einen Kommentar