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Elias Schneitter
Ein Leben ohne "r"
Notizen

Wie ein leichter Schnupfen schleicht sich der Defekt in meinen PC ein. Der Buchstabe „r“ macht Probleme. 

Damit das „r“ am Monitor erscheint, muss ich mehrmals draufdrücken. Das „r“-Blättchen auf der Tastatur ist locker, löst sich schließlich ganz ab, nachdem ich in einem Anfall von Wut mehrmals heftig draufgehämmert habe. 

Ich versuche dies mit einem Kleber zu reparieren. Ganz schlechte Idee. Jetzt funktioniert das „r“ überhaupt nicht mehr. Mit einem Messer löse ich das Blättchen wieder ab, begleitet von bösen Flüchen auf die Bagage vom Silicon Valley. Nur das ist auch keine Hilfe. Das „r“ erscheint jetzt frühestens nach zehn Druckversuchen.

Ich sollte einige Mails verschicken, aber ohne „r“! Und wie sollte ich die Empfänger ohne „r“ darüber informieren, dass mir das „r“ fehlt.

Da ruft auch noch mein Blog-Chef an.
„Wie schaut es mit deinem Text aus?“
„Ich habe kein ‚r‘“.
„Was hast du?“
„Mein ‚r‘ funktioniert nicht am PC.“
„Besorge dir eine andere Tastatur.“
„Ja. Ich muss morgen ohnehin in die Stadt.“

Zur Not kopiere ich mir ein „r“ aus einem Text und setze es bei Bedarf ein. Das hilft, ist aber keine Lösung auf Dauer. Außerdem bleibt da immer ein Zwischenraum, der stets zu löschen ist und den großen Dichter aus dem Schreibfluss bringt.

Das Gerät ist schon mehrere Jahre alt, keine Garantie. Ich rufe einen Bekannten an, der mir schon einmal meinen PC repariert hat. Ich klage ihm mein Leid. 

Er würde mir das gerne in Ordnung bringen, aber er liege gerade mit einem Rotlauf im Bett. Er rät mir ebenfalls vorderhand zu einer externen Tastatur. Sobald er wieder einsatzfähig sei, würde er die Sache in Ordnung bringen.

In der Nacht bricht ein heftiges Wetter über unser Dorf herein. Am nächsten Tag ist nicht nur das „r“ kaputt, sondern ich hab auch keinen Zugang zum Internet mehr. 

Anruf bei A1. Hoffnungslos! „Momentan haben wir wegen der Wetterbedingungen ein erhöhtes Aufkommen an Anfragen. Wir bitten um Ihr Verständnis.“ 

Trotz stundenlanger Versuche erreiche ich niemanden.
Ich fahre erst einmal in die Stadt und besorge mir eine Tastatur, sodass ich zumindest wieder ein „r“ habe.

Der Blog-Chef ruft neuerlich an, „Was ist los?“
„Ich hab kein Internet. Sobald ich wieder eins habe, liefere ich.“

Kurz denke ich wehmütig an eine Schreibmaschine und wie früher alles funktioniert hat. Aber ich hätte nicht einmal mehr eine Schreibmaschine zuhause. Jedenfalls, es lebe das Silicon Valley! Diese Burschen werden uns sicher noch alle in den Wahnsinn treiben!

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Markus Fenner

    Lieber Erliars Schneirtter, lieber ‚onald Weinbe’ge‘

    rätselhaftes R! Die Kapriolen und untergründigen Spracherschütterungen, die dieser so harmlos tuende Buchstabe verursachen kann, sowohl beim Tippen wie in der Liebe, haben Sie beide eindrucksvoll beschrieben. Doch treibt das R auch in der Lyrik sein spukhaftes Wesen. Ich darf hier zwei Haiku anfügen, der eine handelt von einem Übermaß an R, der andere von dessen völligem Fehlen.

    Warum nur sprichst du
    alles mit R, o Echo? –
    …Erchor-Erchor…
    _________________´

    De‘ Pi’at mit dem
    Sp’achfehle‘ fiel ins Wasse‘
    und machte – B“““““

    He‘ zliche Grürße
    Ma´kus Ferrnner

  2. Ronald Weinberger

    Liebe“l“ Elias Schneitte“l“,
    übe“l“ solche Spompanadln wie das fehlende R
    kann ich nu“l“ schmunzeln.
    Wä“l“st du, so wie ich, seit seh“l“ lange“l“ Zeit mit eine“l“ Chinesin ve“l“hei“l“atet, wä“l“e di“l“ de“l“ E“l“satz eines R du“l“ch ein L längst ve“l“t“l“aut gewo“l“den.
    Jetzt will ich abe“l“ doch meine“l“ lieben F“l“au Abbitte leisten: Längst hat sich bei ih“l“, du“l“ch jah“l“zehntelange Dolmetschtätigkeit und das „Pa“l“ie“l“en mit ih“l“em Gemahl, diese“l“ sp“l“achliche Cha“l“m meh“l“ ode“l“ minde“l“ ve“l“flüchtigt.
    Viele G“l“üsse aus Zi“l“l nach Zi“l“l ode“l“ Wien!

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