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Elias Schneitter
Demokratie - Diktatur und Brief an Landbauer
Notizen

Ist man bei Diskussionen mit Vorwürfen konfrontiert, dann passiert es häufig, dass mit einer Gegenfrage einer klaren Antwort aus dem Weg gegangen werden kann. Diese Strategie funktioniert im privaten ebenso wie im öffentlichen Bereich. Besonders beliebt ist sie in der Politik. Vor allem unter Putin-Verstehern.

Wird Putin die Invasion in der Ukraine vorgeworfen, kommt der Konter „Und was hat die USA im Irak gemacht und in Vietnam und in Korea und in Südamerika?“

Oder: Die Nato wurde immer mehr in Richtung Russland erweitert. Da musste Putin doch reagieren. Worauf es dann heißt: „Und was ist mit Putin, der in seinem Sowjetwahn andere Länder besetzt und sich so der Nato nähert.“

Die gegenseitige Aufrechnung von Gräueltaten mit anderen lässt kaum eine ernsthafte Diskussion zu.

Wenn es im Ost-West-Konflikt, also im Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur zumindest ein Argument gibt, das für den Westen spricht, dann jenes, dass es im Westen die freie Meinungsäußerung gibt, ohne dass man bei der Anwendung gleich hinter Gittern landet. Diese Freiheit gibt es in den aktuellen Diktaturen nicht. In dem Zusammenhang sollte man an den Vietnamkrieg denken, der auf öffentlichen Druck hin beendet wurde. Eine solche Entwicklung sehe ich im Osten nicht.


Sehr geehrter Herr Landbauer!

Mit großer Freude habe ich Ihren erfolgreichen Aufstieg in der Freiheitlichen Partei und jetzt in die Regierung Niederösterreichs mitverfolgt. Sie haben gezeigt, dass man es in Österreich auch als Mensch mit Migrationshintergrund (Ihre iranische Mutter wird ganz besonders stolz auf Sie sein!) mit Fleiß und Aufrichtigkeit in die höchsten Ränge im Lande schaffen kann. Sie hatten es gewiss nicht einfach. So hatten sie bekanntlich mit bösen Unterstellungen Ihrer Sangesfreude wegen zu kämpfen. Eine Schande für das Musikland Österreich. Endlich haben Sie es geschafft.

Und darum wende ich mich heute an Sie wegen Ihres aufrechten Eintretens, um Covid-Opfern Wiedergutmachung zuteil werden zu lassen. Viele Millionen sollen an die Leidenden und Unterdrückten und Impf-Gedemütigten ausbezahlt werden. Großartig! Endlich kommt wieder Gerechtigkeit ins Land.

Ich habe mich natürlich als Fundi-Impfgegner nicht den dubiosen Präparaten der Pharma-Mafia anvertraut, sondern habe dem guten Rat unseres hochverehrten wortgewaltigen Parteiführers geglaubt und, nachdem mich das Virus heimgesucht hat, das Entwurmungsmittel eingenommen. Daraufhin landete ich zwei Wochen in der Intensivstation.

Aber ich habe mit schweren Folgeschäden dankenswerterweise doch überlebt und daher melde ich mich jetzt bei Ihnen und ersuche als Covid-Opfer eine Entschädigung in der Höhe von € 200.000 Euro zugesprochen zu bekommen. Die medizinsichen Unterlagen liegen bei. Ein Schreiben meines Rechtsanwaltes wird Sie in den nächsten Tagen ebenso erreichen und ich hoffe auf Ihr freundliches Wohlwollen in dieser Angelegenheit.

Weil Sie sich so um Wiedergutmachung bemühen, möchte ich weiters auch meinen Anteil erstattet bekommen, den unser wunderbarer Parteikollege und verstorbener Kärntner Landeshauptmann in den Sand gesetzt hat. Ich weiß, Sie werden mir auch hier jegliche Hilfe zukommen lassen.

Mit der Überweisung einer halben Million Euro würde ich mich schon zufriedengeben, weshalb ich Ihnen meine Kontodaten übermittle in der Hoffnung, dass die Sache ehebaldigst erledigt sein wird.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass es mir überhaupt nicht ums Geld geht, sondern ausschließlich ums Prinzip.
In diesem Sinne
Ihr ergebener
Elias Schneitter

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Rudolf Ostermann

    Sehr amüsant, vielleicht sollte die Bundes-SPÖ mit einer ähnlichen Rhetorik die verlorenengegangenen Wähler versuchen aufzurütteln, hoffe doch dass die Anzahl der Einzeller kleiner ist als von den Meinungsforschern prognostiziert.

  2. Die Anhänger des „Whataboutism“ unterschlagen, ignorieren, wollen nichts wissen, dass die Welt die Kriege der Amerikaner in Vietnam, im Irak usw. nicht einfach stillschweigend oder gar zustimmend hingenommen hat. Überhaupt nicht. Es gab immer massive bis gewalttätige Proteste.
    Aber das braucht die Iliberalisten ja nicht zu kümmern …

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