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Elias Schneitter
Das System der Ärzteverrechnung
Notizen

Als im Jahr 1955 die Verhandlungen um das ASVG in die Zielgerade gingen, wäre dieses Jahrhundertwerk beinahe noch im letzten Moment wegen der Wahlarztproblematik gescheitert. Die SPÖ wollte keine Honorierung privater Leistungen durch die Kassen, die ÖVP schon. Letztendlich setzte sich die ÖVP durch.

Die österreichische Regelung, dass es für Wahlärzte von den staatlichen Kassen eine Refundierung gibt, ist in keinem anderen Land im EU-Raum üblich. Überall sind private ärztliche Leistungen von den Patienten selbst zu bezahlen oder eben durch eine Privatversicherung. Bis weit herauf in die 1990er-Jahre waren Verträge mit den Kassen noch sehr begehrt. Wahlärzte spielten bis dahin kaum eine Rolle.

Die ursprüngliche Abrechnungsmethode mit den Kassen war sehr einfach und unbürokratisch. Jeder Vertragsarzt erhielt pro Krankenschein einen bestimmten Betrag, was hieß, je mehr Zettel, desto mehr Honorar.

Dieses System ging natürlich nicht lange gut. Die Ärzteschaft beklagte, dass mit der Schein-Sammlerei die Leistungen nicht entsprechend abgedeckt würden. Je mehr sich ein Arzt Zeit für den Patienten nahm, desto weniger verdiente er. Damit begannen die jährlichen Verhandlungen um die Gelder und die zahlreichen Änderungen in der Honorarordnung, bis kaum noch einer zufrieden war.

Es kamen: Limitierungen, Pauschalierungen, Fallwerte und Grundleistungsvergütungen, Anpassungen, ökonomische Verschreibweise etc. etc. Ein dichter, wenn nicht gar ein undurchsichtiger Dschungel also und das Ganze gleich neunmal, für jedes Bundesland eigens.

Die große schwarz/blaue Reform mit ihrem Milliardengag hatte daher vor fünf Jahren versprochen eine einheitliche Honorarordnung für ganz Österreich zu installieren. Bisher noch ergebnislos.

Vor Jahren hat es einmal einen Vorstoß in Tirol gegeben, die Honorarordnung zu entrümpeln und zu vereinfachen, aber mit der Vorgabe, dass dies kostenneutral passieren müsse. Daran bestand seitens der Ärztekammer kein Interesse.

Ein anderer Vorschlag aus Vorarlberg zielte darauf ab, dass die Kassen jenen prozentuellen Teil des Budgets, der für die ärztlichen Leistungen vorgesehen ist, der Ärztekammer zur Verwaltung und Honorierung für ihre Ärzte überlassen. Das wurde natürlich nicht weiter diskutiert.

Aus meinem persönlichen Umfeld weiß ich, dass für die niedergelassene Ärzteschaft nicht das Einkommen Hauptgrund dafür ist, dass viele keinen Vertrag mehr wollen, sondern dass schlicht und einfach die Vielzahl an Verordnungen und bürokratischen Hindernissen viele zurückschrecken lässt.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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