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Egyd Gstättner
Josef Winkler grüßt nicht.
Short Story

Seit ich vor drei Jahren Josef Winklers Rede im Wappensaal des Landhauses mit gebotener Schärfe kritisiert habe, um ihm ein für allemal Einhalt zu gebieten, was mir, wenn man diese drei Jahre Revue passieren lässt, zum Wohl des Landes und wohl auch zu seinem eigenen Wohl gelungen ist, reden wir nicht mehr miteinander.

Laufen wir uns zufällig irgendwo in der Stadt über den Weg, ernte ich einen hasserfüllten Blick und gebe einen mitleidsvollen Blick zurück, bevor er unsichtbar blitzend und unhörbar donnernd an mir vorbei huscht. Dass ich ihn als politischen Autor, der er vielleicht gern geworden wäre, aber in Wirklichkeit nie war, abgewürgt habe, nehme ich auf meine Kappe.

Seit drei Jahren grüßt Josef Winkler aber nicht nur mich, sondern auch meine Frau nicht mehr, die, wie allgemein bekannt ist, in der ersten Buchhandlung am Platz arbeitet, im Eingangsbereich positioniert ist und – Order von oben – natürlich jede eintretende Kundschaft freundlich grüßen muss, selbstverständlich auch Josef Winkler, der sie demonstrativ nicht zurückgrüßt und wortlos in den ersten Stock geht.

Vielen Buchhändlerkollegen und Kolleginnen, auch vielen Kunden ist die krasse Unhöflichkeit schon aufgefallen: Sie sprechen meine Frau darauf an und ihr Bedauern aus, nachdem sie die leidige Geschichte erzählt hat, mittlerweile schon über hundert Mal.

Nach etwa zwei Jahren aussichtslosen Grüßens und konsequentem Nichtzurückgegrüßtwerdens hat meine arme Frau es schließlich ihrerseits unterlassen, Josef Winkler zu grüßen. Man schweigt sich an und aus.

Der Chef der Buchhandlung weiß wohl um den Konflikt, hält sich aber heraus, weil er ja an uns beiden verdient, sowohl als Kunden, die Bücher kaufen, als auch als Schriftsteller, die welche schreiben und ihm die Ware produzieren, an der er partizipiert. (Dank meiner Frau kenne ich natürlich die Verkaufszahlen meiner eigenen Bücher in der Buchhandlung ebenso wie die meines Kontrahenten, aber ich werde mich nicht der Niedrigkeit schuldig machen, ihn mit der Preisgabe seiner und meiner Zahlen zu beschämen und zu demütigen.)

Jedenfalls weiß der Buchhändler sicher, dass es kaum etwas Brutaleres und Tödlicheres gibt als Schriftstellerfeindschaften: Wenn sie könnten, würden noch unsere Bücher aus den Regalen springen und übereinander herfallen…

Seit drei Jahren blieben die Erzählungen meiner Frau über die unangenehmen Buchhandlungsbegegnungen mit Josef Winkler mehr oder weniger gleich, das Kopfschütteln ihrer Kolleginnen ebenfalls.

Heute ergab sich aber ein neues Erzählmoment: Denn heute besuchte Josef Winkler die Buchhandlung gemeinsam mit seiner Frau. Als das Ehepaar Winkler die geschwungene Treppe hintereinander ins Erdgeschoß hinabstieg, erst der Herr, dann die Frau, passierte Josef Winkler meine Frau wie immer wort- und grußlos mit hasserfülltem Blick.

Seine Frau in seinem Rücken aber blinzelte meiner Frau – so, dass es Josef Winkler nicht sehen konnte – zu und lächelte sie für einen Moment freundlich, wenn nicht gar entschuldigend an.

Mir selbst ist das alles marginal – ich habe die Wahrheit zu sagen und basta – aber für meine Frau war die Szene nach den jahrelangen wiederkehrenden kleinen Demütigungen – ein veritabler Triumph, den ich ihr von Herzen gönne.

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Egyd Gstättner

Egyd Gstättner (* 25. Mai 1962 in Klagenfurt) ist ein österreichischer Publizist und Schriftsteller. Egyd Gstättner studierte an der Universität Klagenfurt Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Germanistik. Schon während des Studiums begann er mit Veröffentlichungen in Zeitschriften wie manuskripte, protokolle, Literatur und Kritik oder Wiener Journal. Seit seiner Sponsion 1989 lebt er als freier Schriftsteller in Klagenfurt, wo er zahlreiche Essays u. a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Die Presse, Falter, Kurier und Die Furche verfasste. Besonders bekannt wurde er im Süden Österreichs mit seinen Satiren in der Kleinen Zeitung. Darüber hinaus schrieb und gestaltete er Features für die Österreichischen Radioprogramme Ö1 und Radio Kärnten sowie für den Bayerischen Rundfunk.1993 wurde er zum Dr. phil. promoviert. 1990 erschien die erste eigenständige Buchpublikation („Herder, Frauendienst“ in der „Salzburger AV Edition“). Bis 2018 wurden insgesamt 34 Bücher Gstättners bei Zsolnay, Amalthea, in der Edition Atelier und seit 2008 im Picus Verlag Wien publiziert. Seit 2016 hat er einen zweiten Wohnsitz in Wien. Gstättner ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

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