Bettina Maria König
Ja, ich will!
Short Story
Dass eine Braut am Morgen ihres Hochzeitstages ruhig und gefasst ist, wäre sicherlich zu viel verlangt. Aber ein winziges Minimum an Contenance hatte ich mir schon erwartet. Deshalb wurde ich von dem Wirbelsturm, den Bea in den ersten Stunden des Tages X entfachte, schlicht überrollt.
Es lag wohl an der Kombination ihres Charakters, der besonderen Situation und der Schwangerschaftshormone, die an diesem Tag verrücktspielten. Jedenfalls stand sie in ihrem Zimmer, kommandierte herum und warf in regelmäßigen Abständen mit Dingen. Zum Glück mit harmlosen, die keine wirklich ernsthaften Verletzungen zufügen konnten, wie ihren Schuhen oder ihrer Handtasche.
Gemeinsam mit Renate, die so wie ich als Brautjungfer zu morgendlichen Magddiensten bestellt worden war, gelang es mir schließlich, sie so weit zu beruhigen, dass sie sich widerstandslos ankleiden und schminken ließ. Beim anschließenden Blick in den Spiegel machte ihre nervös verzerrte Miene dann schließlich einem breiten Lächeln Platz: Sie sah ja auch wirklich wunderschön aus mit ihren kurzen, dunklen Haaren, die die Friseurin bereits in Locken gelegt hatte – und trotz des Sahnebaisers, das sie trug.
Wir parkten sie im Wohnzimmer und trugen ihr auf, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Leider ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man 1. schwanger und 2. total angespannt ist – Bea wälzte ihr Rüschenkleid alle zwei Sekunden auf die Toilette, aber zum Glück blieb kleidungstechnisch alles an Ort und Stelle.
Nun waren wir an der Reihe, und seufzend zwängte ich mich in diesen pinken Albtraum von einem Kleid, den Bea für uns ausgewählt hatte. Der Ausschnitt legte einen beträchtlichen Teil meines Busens frei, wie ich mit Entsetzen feststellte, dafür wirkten meine Arme wie die eines Preisboxers. Die Schneiderin hatte sich wohl noch ein wenig ausgetobt… Jetzt war mir schon alles egal. Ich legte ganz viel Mascara auf und wählte einen grellpinken Lippenstift. Ich hatte die Farbe gerade nachgezogen, da läutete es an der Tür.
„Das ist Serge!“, rief ich Richtung Wohnzimmer, denn mein lieber Freund hatte versprochen, uns drei Mädels mit dem Hochzeitsauto abzuholen und zur Kirche zu kutschieren.
„Er ist viel zu früh!“ – Beas Stimme klang panisch, und aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass sie ihr Kleid wieder ausgezogen hatte und an ihren Strümpfen nestelte. „Ich habe eine Laufmascheeee!“
Ich zog die Wohnzimmertür zu, öffnete die Tür und erschrak. Es war nicht Serge, der da vor meiner Tür stand. Es war Julian. Mich durchzuckte es heiß, und der Gedanke schoss mir durch den Kopf, dass ich fürchterlich aussehen musste in dieser amerikanischen Zuckerguss-Groteske. Sofort ärgerte ich mich über mich selber – war das jetzt wirklich meine größte Sorge? Das konnte mir doch so etwas von egal sein!
Julian musterte mich erstaunt und zog eine Augenbraue hoch. Das löste in mir wiederum den Gedanken aus, wie wahnsinnig attraktiv er doch war, so mit seiner hochgezogenen Augenbraue. Und sofort wieder Ärger: Verdammt, dieser Mann, der hier vor mir stand, war ein Arschloch, nichts Anderes (noch einmal Entschuldigung für den Ausdruck)!
„Was willst du hier?“, fuhr ich ihn an, und er zuckte instinktiv zusammen.
„Ich…ich wollte sehen, wie es dir geht…“, stammelte er. „Du antwortest ja nie auf meine Anrufe“ – seine Stimme wurde jetzt etwas gefasster, da er mir einen Vorwurf machen konnte. Dann schwieg er wieder.
„Genau. Und das ist deshalb, weil ich dir nichts mehr zu sagen habe“, blaffte ich ihn an. „Und überhaupt: Du störst. Bea heiratet heute, und wir müssen jetzt los!“ Mit diesen Worten schob ich ihn hinaus und knallte die Tür zu. Gott, war ich stolz auf mich, dass ich das geschafft hatte!
„Sag Serge, er ist zu früh!“, brüllte nun Bea aus dem Wohnzimmer. „Das war nicht Serge“, antwortete ich ruhig, „jemand hat sich in der Tür geirrt.“
Endlich kam Serge, und in seinem dunklen Anzug sah er sehr stattlich aus. Ich sah ihn immer wieder verstohlen von der Seite an – aber es half nichts; er verwandelte sich trotz allem nicht in Ben oder Julian. Seine Rolle als Brautchauffeur erledigte er aber elegant und gewissenhaft, muss ich zugeben. Als er vor der Kirche hielt, sprang er sofort aus dem blumengeschmückten Wagen, um erst die Braut und dann ihre beiden Begleiterinnen herauszuziehen. Was nicht ganz einfach war, ohne dass sich eine von uns in der Tür verhedderte.
Unser Einzug in die Kirche gestaltete sich triumphal – schon alleine deshalb, weil wir zu dritt mit unseren Rüschen und Beas Schleppe alles wegfegten, was nicht niet- und nagelfest war. Aber schließlich hatten wir es geschafft: Bea war am Altar, wir saßen hinter ihr, und das alles ohne gröbere Zwischenfälle, wenn man vom Hut einer älteren Verwandten absah, den Bea bei einer kurzen, abrupten Drehung zur Seite kurz mitgenommen hatte.
Aus Beas Gesicht war nun alle Anspannung gewichen, und sie sah überglücklich aus, wie sie so dastand und ihren Paul anstrahlte, der sich nun neben sie gestellt hatte.
Es gab Blumenschmuck überall, Orgelmusik tönte bombastisch, Trompeten dröhnten, alles wirkte majestätisch und feierlich, selbst der Pfarrer, der nun die Arme ausbreitete. Die gesamte Prozedur war wirklich herzergreifend. Beas „Ja, ich will!“ war laut und deutlich, zumindest gegen jenes von Paul, das eher ein bisschen schüchtern hingehaucht wirkte. Aber er hatte jedenfalls „Ja!“ gesagt.
Ich schluchzte wie ein Springbrunnen, und meine so mühsam aufgetragene Mascara verabschiedete sich in breiten Streifen meine Wangen hinunter. Das war mir aber alles egal, ich freute mich einfach von Herzen: Meine verrückte, unmögliche, liebe BFF Bea, mit der ich so viele Jahre meines Lebens geteilt und so viele Abenteuer erlebt hatte – im Guten wie im Schlechten -, war nun unter der Haube!
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen