Anonymus
Elektive Amputation
Ein weiterer Fall nicht gewährter Autonomie
Wie sehr sich das über Jahrhunderte unter Thron und Altar in barocker Freundlichkeit dahin lebende Österreich mit der Autonomie der Person schwer tut, zeigt nicht nur die Debatte über die Liberalisierung der Sterbehilfegesetze. Auch der hier abgedruckte Brief, der sich neben der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sterbehilfe mit dem Problem der elektiven Amputation und der strafrechtlich verfolgten sogenannten Selbstverstümmelung beschäftigt, zeigt ein weiteres Mal auf, welches Leiden dadurch entstehen kann, wenn Staat und Gesellschaft dem Einzelnen nicht zumuten, dass er selbst am besten weiß, was nach reiflicher Überlegung gut für ihn ist. Ja, die Tatsache, dass Personen, die auf der Verwirklichung ihrer Autonomie bestehen, dadurch sogar schweren Schaden erleiden und diskriminiert werden können, ist Grund genug, was sonst nicht Usus ist, dem Autor der Zuschrift Anonymität zuzusichern.
A.S.
Sehr geehrter Herr Schöpf!
Ich habe Ihren Beitrag zur Sterbehilfe gelesen und es ist genau das, was ich fühle!
1. Sollte jeder Mensch selbst über seinen Körper bestimmen können!
2. Sollte ständiges Leiden vermieden werden!
Ich bin chronischer Schmerzpatient und die Schmerzen sind dauerhaft nicht ertragbar! Ich bin vollgestopft mit Opiaten, Antiepileptika und habe dennoch jede Sekunde in meinem Leben Schmerzen. Die Nebenwirkungen der Pillen machen mich zum Zombie! Die Pillen greifen jedes Organ an, und vor allem auch mein Denken! Es ist ein langsames qualvolles Sterben auf Raten!
Ich hatte einen Neurostimulator und unternahm den Versuch einer tiefen Hirnstimulation. Bisher hat mir nichts geholfen! Wenn die Schmerzen noch länger bestehen bleiben, ist es unerträglich! Es sollte auch bekannt werden, wie Ärzte bei starken Schmerzpatienten reagieren! Als ich nur einmal gesagt habe, dass Sterbehilfe zugelassen werden sollte, wurde mir gleich mit der Klapse gedroht!
Was mir in der ganzen Diskussion fehlt – und ich bin kein Einzelfall – ist die Tatsache, dass einem auch Heilversuche vor der Entscheidung zur Sterbehilfe verwehrt werden!
In der Schmerztherapie gelte ich als austherapiert. Natürlich können die Drogen gesteigert werden. Aber was ist das für ein Leben? Bei mir gibt es nicht mehr viel zu machen. Und manchmal fühle ich mich wie ein Versuchskaninchen! Ich spreche hier nicht nur für mich, sondern für viele Schmerzpatienten. Die meisten davon geben auf, sind voll mit Drogen und haben nicht mehr die Kraft zu kämpfen! Mein Ziel ist es, die Amputation meines schmerzhaften Fußes vor einem Entscheid zum Freitod durchzuführen! Ich habe ein psychiatrisches Gutachten dafür und habe demzufolge keinen psychischen Schaden!
Mit diesem meinem Wunsch kämpft man hier gegen Windmühlen, vor allem, wenn die Gliedmaßen noch funktionsfähig sind. Der Ausgang einer solchen Operation ist leider ungewiss. Es gibt aber viele Fälle, bei denen die Amputation gut geholfen hat, zum Beispiel Maria Hofmann aus Thiersee, – der einzig ähnliche Fall in Österreich wie meiner – die nach vielen Jahren mit Schmerzen amputiert wurde!
In anderen Ländern (z.B. in England, Australien und Teilen der USA, sehr selten auch in Deutschland) sind elektive Amputationen möglich! Wenn ich ins Ausland gehen würde, gilt das in Österreich als Selbstverstümmelung! Ich bekomme hier keine prothetische Versorgung und komme vermutlich aus der Klapse nicht mehr heraus!
Meine Familie und ich haben kaum mehr Energie, um weiter zu kämpfen. Wir hoffen, im Rahmen der Sterbehilfe-Diskussion auch um Hilfe zu diesem Thema. Wer sich damit nicht beschäftigt hat, weiß nicht, wie schwer dieses Schicksal ist.
Halten Sie mich nicht für verrückt, aber der Schmerz nimmt einem alles! Ich bin mir bewusst, was eine Amputation bedeutet, und dass der Schmerz bleiben kann. Ich habe mich sehr viel mit dem Thema beschäftigt! Seit 2012 ist die Amputation bei diesem Thema nicht mehr in den Leitlinien, weil es keine Heilung ist. In England ist sie seit 2018 wieder in den Leitlinien, weil sie gute Ergebnisse erzielt hat! Heilung ist bei mir nicht möglich; jedoch eine Steigerung der Lebensqualität! In vielen Ländern geht es um „Quality of Life“. Hierzulande gilt nur die Funktion!
Ich bin für jede Hilfe dankbar. Vor allem, weil auch dieses Thema in Österreich sehr stark tabuisiert wird. Es ist mein Körper. Es sind meine Schmerzen. Ich möchte allein darüber entscheiden können!