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Alois Schöpf
Politik der Gehässigkeit
Apropos

Politische Debatten, gebildet und auf hohem Niveau, sind die Basis einer funktionierenden Demokratie. Was sich derzeit in der Innenpolitik abspielt, hat jedoch mit dem Austausch von Argumenten wenig, mit Gehässigkeit und dem unfairen Heruntermachen der politischen Konkurrenz sehr viel zu tun.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Die von publizistischer Schadenfreude begleitete Kür des Wortes des Jahres „Kanzlermenü“: ein Begriff, der suggerieren soll, dass Bundeskanzler Karl Nehammer ein kalter Kapitalist ist, der meint, dass man Kinder, wenn sie hungrig sind, billig mit Burgern abfüttern könne und, sofern man mehr wolle, eben mehr arbeiten müsse.

Ich mute mir genug Menschenkenntnis zu, um behaupten zu können, dass Nehammer kein solcher Unmensch ist. 

Im Übrigen wurde sein Statement nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, sondern – wieder einmal ohne Wissen des Betroffenen – aufgenommen und zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem am besten politisches Kleingeld daraus zu machen war. 

Die hinter Nehammers Statement stehende wichtige Frage, inwieweit unser soziales Netz gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels zu viele Leute zum Nichtstun verführt, wurde durch kräftesparende Rufschädigung ersetzt.

Der vielbeschworene Wunsch nach Weihnachtsfrieden wäre wohl am besten durch die Rückkehr zum fairen Argumentieren und durch den Verzicht auf sogenannte „Worte des Jahres“ zu erreichen.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 16.12.2023

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Christoph Lang

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Seit Ihrem Artikel vom letzten Wochenende bin ich immer noch sehr traurig, betroffen und aufgewühlt.
    Sie unterstellen nebulos anderen Parteien, das Video vom Kanzlermenü boshaft veröffentlicht zu haben. Dabei stammt es von einem ÖVP-Anhänger, der es voller Stolz veröffentlicht hat. Obwohl das also falsch ist, unterstellen sie den anderen Parteien, auf ihre Fake-Aussage aufbauend, den Zeitpunkt der Veröffentlichung boshaft bewusst ausgewählt zu haben.
    Gleichzeitig verunglimpfen Sie selber zufällig (?) genau vor dem anstehenden Superwahljahr die „anderen“ Parteien, versuchen die ÖVP in ein positives Licht zu stellen und haben schon öfter direkt vor Wahlen Ihre Macht als in der Öffentlichkeit schreibende Person missbraucht und gegen immer die gleiche Partei massiv Stimmung gemacht. => Täter/Opfer Umkehr!
    Armen Menschen Mac Donalds Burger als warme Mahlzeit zu empfehlen ist nur Zynismus pur. Das wird nicht durch irgendeinen fehlenden Zusammenhang (Ich habe das ganze Video gesehen – Sie auch?) positiv. Der wird nicht von Bösen anderen hineininterpretiert, sondern Sie versuchen den Zynismus inkorrekterweise wegzuinterpretieren. => Täter/Opfer Umkehr!
    Und zu schlechter Letzt werfen sie den anderen (Anmerkung: ich habe den Artikel leider/zum Glück (sic) nicht mehr, kann mich an das exakte Wort nicht mehr erinnern, meine es war Gehässigkeit) Gehässigkeit vor, schreiben in Ihren Kolumnen aber selber immer wieder sehr gehässig über anders Denkende (Kulturpolitiker, eine ihnen unangenehme Partei, …) => Täter/Opfer Umkehr!
    Ich bin zu tiefst davon überzeugt, dass diese Art zu schreiben, egal ob in einer qualitativ guten Zeitung wie der TT oder auf social Media den Nährboden für die Millionen von Hasspostings und die immer weiter fortschreitende Aggressivität und Brutalität in unserer Gesellschaft schafft!
    Es würde mich freuen, wenn Sie als Vorbild vorangehen könnten und Ihre Meinung ohne Entwürdigung anders Denkender sondern als einladendes Diskussionsangebot schreiben könnten.
    Danke dafür im Vorhinein.

  2. Johannes Partl

    Grüße sie Herr Schöpf !
    Ich habe mit Interesse ihren Kommentar in der Samstag-TT gelesen und kann dem nur zustimmen. Ich frage mich, was passiert nach der nächsten Nationalratswahl. Da steht uns eine schwierige bis fast unmögliche Regierungsbildung bevor. Und noch schlimmer wird der Wahlkampf werden!
    Wenn Herr Kickl mit der FPÖ die prognostizierten 30 Prozent erreicht, die ÖVP und die Grünen abstürzen, und die SPÖ wird unter Herrn Babler auch nichts dazugewinnen, dann wird es schwierig , eine Regierung zu bilden.
    Mit der FPÖ will keiner( So hoffe ich schwer, dass es dabei bleibt), Herr Babler mit den sehr linken Wünschen (einen Facharzttermin in 2 Wochen, Gratisessen für die Schüler, 32 Stundenwoche) wird auch keine große Zustimmung bei den anderen Parteien finden, und die ÖVP mit dem Nationalratspräsidenten Sobotka, der ihnen wahrscheinlich 5 Prozent kostet, und Herrn Nehammer, der trotz seiner ehrlichen Bemühungen keine Wahl gewinnen wird.
    Und mit einer Bierpartei machen wir uns international nur lächerlich, schon wegen des Namens ! Und was mir am meisten Sorgen macht, ist der konstante politische Rechtsruck in fast ganz Europa.
    Aber ich sage seit Jahren, der Mensch ist ein Herdentier und braucht einen Führer, was dann so enden kann wie vor 80 Jahren, wenn der Falsche an die Macht kommt. Siehe auch Putin, Trump und in China und in kleineren Versionen gibt es auch einige.
    Ich bedanke mich für ihre Kommentare in der TT, stimme meistens zu.
    Und wünsche ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest und für das neue Jahr Gesundheit und Frieden!

  3. Robert Muskat

    Die ÖVP hat sich seit K( F)urz immer mehr zu einer UNCHRISTLICH- ASOZIALEN GÜNSTLINGSPARTEI entwickelt! Kurzende Freunderlwirtschaft, Edtstadler als Gottministerin, der Sobotka als süffisant grinsender Sesselkleber, ein Innenminister, dem kein Lächeln auskommt, Nehammer damals als IM, der nur „Polizistinnen und Polizisten“ im Kopf hatte. Wo bleibt das „Christliche“ , wo das Soziale? Aja, Billigarbeiter aus fernen Ländern werden gesucht, damit man keine teuren Einheimischen zahlen muss! Aber Flüchtlinge sofort abschieben, auch wenn sie Schulkinder sind, das passt!

  4. Rosemarie Gassler

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    vor gut einem Jahr schrieb ich unserem Bundeskanzler, der damals mit dem Innenminister an der Außengrenze Türkei/Bulgarien war. Denn beide verlangten mehr technische Abwehrgeräte, aber nicht mit einem Wort erwähnten sie die dortigen schrecklichen Pushbacks.
    Als „Oma“ von Zabi war ich entsetzt über dessen Reaktion aus seinem Büro.
    Es wurde mir nur mitgeteilt, dass die Menschenrechte eingehalten und Grenzpolizisten unter Druck stünden.
    Zabi, jetzt 17 Jahre alt, waffen- und wehrlos, 21.4.2022, 6 Uhr, Sislioba an der Außengrenze:
    Ein Grenzpolizist hetzt l a c h e n d seinen Hund auf Zabi. Weitere Grenzpolizisten lachen mit. Der Hund will anfangs gar nicht zubeißen. Hätte ein afghanischer Arzt ihn nicht noch in ein Krankenhaus bringen können, wo Zabi mit 60 Nähten gerettet werden konnte, wäre er verblutet.
    Nach Nehammers (und auch Schallenbergs) Reaktion gab ich nicht auf und wir fanden sogar die Namen der beiden Sadisten. Das Gerichtsverfahren gegen diese wurde vom Gericht in Burgas eingestellt. Klar, denn beide hätten zwar Flüchtende gesehen, aber ihnen nichts getan. Hat sich Zabi also selbst fast totgebissen.
    Am 19.Juli d.J. berichtete Armin Wolf in der ZIB2 über solche Verbrechen.
    Nun, ich als ehemals treue Schwarzwählerin, hatte restlos genug von Nehammer, Schallenberg, Karner, Edtstadler, Stocker, Karas (alle von mir damals Angeschriebenen), die alle groß reden, aber wenn’s draufankommt ……..
    Ich bin jetzt so weit, dass ich all diese, die von diesen sadistischen Untaten wissen, aber nichts dagegen tun, für mitverantwortlich und sogar für m i t s c h u l d i g halte.
    Denn wer weiß, wieviele Flüchtende tatsächlich schon verblutet sind und noch werden. Mit Einverständnis unserer ach so christlichen österreichischen bzw. europäischen Kultur!
    Drum, seien Sie mir nicht böse: Nehammer mag für vieles ganz gut sein, aber das Wort des Jahres passt genau auf ihn.
    Mit freundlichen Grüßen!

    1. Robert Muskat

      Siehe mein Kommentar oben: die ÖVP wurde zur unchristlich-asozialen Reichenpartei! Und bitte vergessen Sie nicht, dass Polizisten, sobald sie ihre idiotischen Kappen aufsetzen, vom Staat dazu verpflichtet sind,das Hirn auszuschalten und nur mehr auf Befehle von oben zu warten.

  5. Peter Gritsch

    Lieber Herr Schöpf,
    Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen einmal für Ihre wöchentlichen, fast immer ausgezeichneten Artikel in der Samstag-TT zu danken.
    Hausverstand, oder besser ausgedrückt, gesunder Menschenverstand tut in Zeiten wie diesen sehr wohl. Man merkt, dass Sie sich keiner politischen Partei, sondern ausschließlich der Wahrheit verpflichtet fühlen. Ich empfinde Sie als Friedensstifter, der dem Zeitgeist der Polarisierung entgegenwirkt.
    Herzlichen Dank und frohe Weihnachten.
    Mit freundlichen Grüßen!

  6. Karlheinz Veit

    Abgesehen davon war diese abgehobene Aussage der hinterfotzigste, beleidigendste und erniedrigendste Spruch eines amtierenden Bundeskanzlers dieser Republik! Noch vergleichbar mit Salchers Spruch als Finanzminister „Meine Mutter geht in den Wald Holz sammeln republikaner!“

  7. Wolfgang Kerber

    Es fällt schwer, hier Mitleid zu haben. Nehammer hat diese Aussage vor ÖVP-Funktionären getätigt. Es waren also seine eigenen Parteifreunde, die sie öffentlich gemacht haben.

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