Alois Schöpf
Jonas Kaufmann in Erl
Oder:
Chance für ein neues Tirol-Image
Notizen
Mit die Bestellung des Startenors Jonas Kaufmann als neuer Intendant der Tiroler Festspiele Erl ab Herbst 2024 ist Hans Peter Haselsteiner und Tirols Kulturverantwortlichen im Dienste der heimischen Steuerzahler ein Coup gelungen, wenngleich vorerst einmal nur bezogen auf den hochkulturellen Wellenschlag in den Medien.
Wie Kollege Markus Schramek in der Tiroler Tageszeitung richtig vermerkte, wird die Zukunft nämlich weisen, ob Kaufmann am Markt der Aufmerksamkeit auch dann noch präsent sein wird, wenn es abgesehen von Marketing ums Eingemachte geht: die international wettbewerbsfähige Qualität der Konzert- und Opernaufführungen.
Dass in dieser Beziehung durchaus gute Aussichten bestehen, ergibt sich immerhin aus einem Rückblick auf die Ära Brigitte Fassbaender, die ähnlich wie Jonas Kaufmann, aber auch wie ein Placido Domingo, von ihrer Position als unter radikalem Leistungsstress stehende Sängerin mit Ablaufdatum neben ihrer Arbeit als Pädagogin in die Intendanz und Regie überwechselte und damit dem Tiroler Landestheater einige sehr respektable Spielzeiten verschaffte.
Positiv zu vermerken ist auch, dass Kaufmann die Absicht hat, in Erl vor allem die Musik in den Vordergrund zu stellen und diese geradezu vor den sehr oft leider halbgebildeten und flachwurzeligen Ideen des Regietheaters zu schützen. Dass weiterhin die Werke Richard Wagners und des Belcanto mit ihren jeweiligen Hardcore-Fangemeinden im Vordergrund stehen, ist zwar finanziell verständlich, hat jedoch mit dem Land Tirol und seiner Bevölkerung weiterhin sehr wenig zu tun.
Umso erfreulicher wäre es, wenn das Versprechen, auch zeitgenössische Werke aufzuführen, ohne qualitative Abstriche mit einer fairen Wahrnehmung der heimischen Szene verbunden wäre: denn auch hierzulande gibt es, leider zu wenig respektiert, exzellente Musiker, Sänger und vor allem Komponisten, welche die internationale Konkurrenz nicht scheuen müssen.
Apropos „zu wenig respektiert“: Der Wunsch, dem sympathischen und sogar mit heimischen Wurzeln gesegneten Weltstar Jonas Kaufmann möge in Erl gelingen, was er sich vorgenommen hat, nämlich internationale Qualität anzubieten und damit mit den Salzburger oder Bregenzer Festspielen gleichzuziehen, ist nicht ohne patriotischen Eigennutz.
Immerhin wäre von erfolgreichen Tiroler Festspielen in Erl zu erwarten, dass der Name Tirol nicht nur, wie schon seit Jahrzehnten in ewiggleicher Ödnis, in Zusammenhang mit meist defizitären und für einen geistig interessierten Menschen lähmend langweiligen Sportereignissen in Verbindung gebracht wird.
Wie auch überzeugende Übertragungen und Berichte aus Erl all jene beschämend dummen Fernseh- und Rundfunksendungen in die Schranken weisen würden, die auf einer Art Volksmusik aufsitzen, die sich für professionell hält, obgleich sie zutiefst amateurhaft ist, und die von der urwüchsigen Kreativität einer guten alten Zeit berichtet, obgleich sie nur das Produkt der immer gleichen Kompositionsmasche gottesfürchtiger Cliquen ist.
In gleicher Weise nämlich, wie das berühmte Tirol-Logo bereits den Mief des Ewiggestrigen verströmt, und die nicht minder berühmten immer gleichen Luftaufnahmen von Bergen und Gletschern nach Jahren der Wiederholung, begleitet von der kitschigen Musik des sogenannten Tirol Concerto des amerikanischen Musikindustriellen Philip Glass, nicht mehr auszuhalten sind, erweist sich die Mischung aus Anbiederung an die Sportwelt und die Fiktion einer bäuerlichen Kultur mit Trachten, Musikkapellen, Schützen und Feldmessen als nur noch peinlich und überholt.
Die neue Ära in Erl mit seinen beiden, unmittelbar neben der Autobahn befindlichen, mitten in der Wiese stehenden spektakulären Opernhäusern könnte Startschuss für eine längst fällige Imagekorrektur sein, die ehrlich und qualitativ kompromisslos die unser Land auszeichnende Spannung zwischen Natur und Kultur neu denkt und damit auch dem von vielen Landsleuten nur noch als lästig und geldgierig empfundenen Tourismus zu neuem Ansehen verhilft.
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