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Alois Schöpf
Die Wiederauferstehung der Untoten
Oder:
Warum es obszön ist,
Mitglied einer kommunistischen Partei zu sein
oder kommunistisch zu wählen?

Es hat schon seine Richtigkeit, wenn Kay-Michael Dankl, der Vorsitzende der Salzburger KPÖ PLUS, ein Museumsangestellter ist, versucht er doch mit ähnlichem Erfolg wie seine Vintage-Genossin aus Graz das Blutmonster der kommunistischen Partei ins Österreich der Gegenwart zu transferieren.

Dass der junge Mann dabei, wenn er im Fernsehen interviewt wird, wie auch die nette Dame aus Graz, eine ausgesprochen sympathische und beredte Figur abgibt, bringt ihn ins richtige Naheverhältnis zu jenen aktuell meist liebenswürdigen und weltgewandten Geistlichen, die uns nach 2000 Jahren noch immer die christliche Lehre beizubringen versuchen. Dazu passt dann auch die Frage des ORF-Redakteurs, wie Herr Dankl nur auf die Idee kommen könne, sich nach der schrecklichen Geschichte des Kommunismus und seinem Zusammenbruch nach 1989 heute noch zum Kommunismus zu bekennen. Die Antwort des Befragten war so kurz wie bestechend: Man werfe schließlich der katholischen Kirche auch nicht mehr die Kreuzzüge und die Inquisition vor!

Zur Kühnheit, einen solchen dialektischen Volltreffer zu landen, der zugleich eine geschichtliche Verdrängungsleistung der Sonderklasse ist, muss man gratulieren und dem Mann populistisches Talent zubilligen. Zugleich muss jedoch angenommen werden, dass er in seinem unschuldigen Idealismus trotz Museumsdiensten noch nie etwas von dem bereits 1997 erschienenen Sachbuchklassiker „Das Schwarzbuch des Kommunismus, Unterdrückung, Verbrechen und Terror“ gehört hat, ein Werk, in dem detailgenau und geradezu ermüdend dargelegt wird, mit welcher Brutalität sämtliche kommunistischen Regime nach ihrer Machtübernahme gegen unliebsame Teile ihrer eigenen Bevölkerung vorgegangen sind und in einigen Ländern der Welt, darunter nicht nur in Nordkorea und Kuba, sondern leider auch in China etwa gegen die Tibeter und Uiguren noch immer vorgehen.

So ungern sich auch die meisten linksliberal gesinnten Zeitgenossen durch den Gedanken stören lassen: Der Kommunismus hat aufgrund seiner größeren Verbreitung und seiner längeren Herrschaftsdauer mehr Menschenopfer gefordert als der Faschismus, und er steht auch im Hinblick auf die sorgfältig geplante und systematische Ermordung spezifischer, aus Gründen des Rassismus oder des Klassenkampfs zu Unmenschen erklärter Bevölkerungsgruppen, wie etwa der ukrainischen Bauern, die man zu Millionen verhungern ließ, den Abgründen des Nationalsozialismus nicht nach.

Da in unseren Breiten jedoch letzterer sein Unheil anrichtete, besteht mit einem gewissen Recht bezogen auf den Nationalsozialismus ein Wiederbetätigungsverbot, das, wenn schon, zumindest aus Sicht eines globalen humanistischen Denkens auch für alle anderen totalitären Ideologien gelten müsste, was, gleichsam beiseite gesprochen, die Fragwürdigkeit solcher auf Weltanschauungen bezogener Gesetze aufzeigt: Totalitäres Denken, das einerseits verboten, andererseits jedoch im Sinne der Meinungsfreiheit und der freien Religionsausübung geschützt wird, kann zuletzt nur durch den freien, demokratischen, öffentlichen Diskurs ohne Denkverbote verhindert werden. Dies ist zumindest der vielleicht naive Glauben einer Spätaufklärung, der durch die kurze Antwort des Museumsangestellten Dankl kommentarlos vom Tisch gewischt wurde.

Mit seinem Hinweis, dass man der christlichen Kirche schließlich nicht mehr die Kreuzzüge und die Inquisition vorwerfe, rückt er nämlich seine eigene kommunistische Ideologie in die Unangreifbarkeit und Harmlosigkeit einer großen historischen Distanz, obgleich sie erst 1989 in ihrer machtpolitischen Ausformung weltweit an Bedeutung verloren hat. Dennoch ist ihr Einfluss bis heute als totalitäre intellektuelle Anmaßung besonders innerhalb universitärer und medialer Eliten noch immer groß. Und auch innenpolitisch scheint ihr in bildungsbefreiter Unschuld aufgrund einer scheiternden Österreichischen Sozialdemokratie die zombiemäßige Wiederauferstehung unter dem Motto „plus“ bevor zu stehen.

Die Kreuzzüge fanden zwischen 1095 und 1291 statt, die Inquisition wurde durch Papst Gregor IX. im Jahre 1231 gegründet und dauerte als Instrument der Unterdrückung, etwa in Österreich, bis zum 27. September 1583, an dem eine gewisse Elisabeth Plainacher in Wien als 70-Jährige und letzte Hexe verbrannt wurde.

So frivol es ist, durch den Verweis auf eine jahrhundertealte Vergangenheit nahezulegen, dass der Kommunismus aus ähnlicher Distanz zu betrachten sei, obgleich er erst seit wenigen Jahrzehnten als ideologische Weltmacht abdanken musste, so diabolisch ist der Verweis auf die katholische Kirche, die hierzulande immer noch sehr vielen Menschen, die es nicht ertragen können, den höheren Sinn ihrer Existenz unbeantwortet lassen zu müssen, als im Detail vollkommen groteske, im Alltag jedoch etwa durch Taufe, Erstkommunion, Hochzeit und Begräbnis unverzichtbare volkskulturelle Heilslehre zur Verfügung steht.

Ein die persönliche Eitelkeit bis in die Fundamente schmeichelndes Angebot, es gebe ein Leben nach dem Tode und der Herr über all die Galaxien, deren Bilder uns Weltraumteleskope aus immer unendlicheren Fernen ins Wohnzimmer liefern, sei beim abendlichen Gebet für jeden und jede zu einem persönlichen Gespräch bereit, wiegt offenbar schwerer als der wohlstandsstiftende Vernunftgebrauch auf der Höhe der Zeit. Und es wiegt schwerer als jedes historische Wissen, aus dem unzweideutig hervorgeht, dass es sich beim Christentum trotz aller heute aktuellen theologischen Verwässerungen in gleicher Weise wie beim Kommunismus um ein totalitäres Denksystem handelt, das, inzwischen von den Naturwissenschaften an die Wand gedrängt, nur noch handzahm und mit allerfreundlichsten priesterlichen Marketingtalenten, wie es etwa in Tirol ein Bischof Reinhold Stecher war, nach Anhängern fischt.

Dies ist jedoch kein Hindernis, dort wo es noch möglich ist, durch eine perverse Moral Millionen Menschen die Freuden des Diesseits zugunsten der nur über die Priesterschaft verfügbaren zukünftigen Freuden des Jenseits zu vergällen. Ganz abgesehen von der konsequenten und meist nur noch intriganten Verteidigung von Menschenrechtsverletzungen, die etwa bei der weiterhin aktuellen Diskriminierung der Homosexualität bis hin zur versuchten Verhinderung einer liberalen Gesetzgebung und ihrer Umsetzung in Sachen Sterbehilfe reicht.

Der Museumsangestellte Kay-Michael Dankl von der KPÖ plus in Salzburg weiß ganz genau, dass die Aufklärung, deren illegitimes Kind zu ihrer großen Schande der Kommunismus ist, in Österreich noch lange nicht so weit fortgeschritten ist, dass ein relevanter Anteil jener, die ihn gewählt haben oder sich vorstellen könnten, ihn zu wählen, dazu bereit wäre, den menschenverachtenden Totalitarismus zugleich des Christentums und des Kommunismus, so alt das eine und so jung der andere auch sein mag, auf die gleiche Ebene zu stellen und zurückzuweisen, sodass die einzig mögliche Antwort, wie man heute noch Kommunist sein könne, lautet: Man kann es nur, wenn man verblendet genug ist, das unermessliche Leid, das beide Ideologien in die Welt gebracht haben, zugunsten seines eigenen geistigen Wohllebens oder aus politischem Kalkül beiseite zu schieben, nichts zu sehen, nichts zu erinnern, also die Geschichte bewusst zu ignorieren.

Und das ist und bleibt obszön!

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Otto Riedling

    Es wäre besser, nachzudenken, wieso KPÖ+ so viele Wählerstimmen bekam. Das hat auch mit dem Versagen von Rot und Schwarz – speziell in der Wohnbaupolitik – zu tun. Sonst NIX.

  2. Ronald Weinberger

    Eine inhaltliche und stilistische Meisterleistung.
    Allerbesten Dank!

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