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Alois Schöpf
Denunziation statt Aufklärung
Was der Kolumnist und Kurz-Hasser
Hans Rauscher im "Der Standard"
unter Journalismus versteht.
Essay

In gleicher Weise, in der ich mir zum wahrscheinlichen Ärger einiger meiner geschätzten Leser, die aus welchen geheimnisvollen Beweggründen auch immer Sebastian Kurz bestialisch hassen, die Frechheit erlaube, selbigen nach wie vor für ein außerordentliches politisches Talent zu halten, an dem das mediokre Österreich gescheitert ist, ärgert sich die Staatsgouvernante unseres lachsfarbenen Gutmenschenblattes Der Standard Hans Rauscher in seiner Kolumne vom 29.07.2024 über die Frechheit des Ex-Kanzlers, anlässlich der Salzburger Festspiele 300 Gäste in das noble Café Basar in Salzburg eingeladen zu haben.

Bevor Herr Rauscher dabei dramaturgisch zu jenem Satz vordringt, dessentwegen er seine Kolumne überhaupt geschrieben hat, bemüht er sich, zuerst mit feiner, zuletzt jedoch mit sehr stumpfer Klinge das liebste Feindbild des linksliberalen Spießertums in Österreich in einer Art zu denunzieren, dass sein Artikel in der lapidaren Heilsbotschaft gipfeln kann: 

Eine Rückkehr von Sebastian Kurz ist derzeit nicht in Sicht!

Bis er zu dieser erlösenden Aussage gelangt, eröffnet er seine Überlegungen mit dem dezenten Hinweis, dass es beim Empfang in Salzburg Schinkenfleckerln gab, die auf Gmundner Keramik serviert wurden, da der Besitzer der Traditionsfirma Markus Friesacher als Co-Gastgeber aufgetreten sei, woraus folgt, ohne es deutlich sagen zu müssen, dass der Ex-Kanzler offenbar Einladungen ausspricht, die er sich allein nicht leisten kann oder leisten will, was erneut als Symptom zu werten ist, es bei Kurz mit einem Blender zu tun zu haben – im Übrigen das mit Abstand harmloseste Urteil, das in fortschrittlichen Kreisen über Kurz gefällt wird.

In Folge vermerkt Rauscher auch süffisant, dass sich Frau Köstinger und Frau Schramböck, die unter Kurz etwas waren, unter den Gästen befanden, woraus wiederum folgt, dass sie jetzt, ohne Kurz, offenbar nichts mehr sind. Hier stellt sich natürlich die Frage, wie dieser Spott aus dem Munde eines Mannes zu bewerten ist, der sich selbst in der Position des Chefredakteurs der Tageszeitung Kurier von 1992 bis 1996 in ähnlichem Alter auch nicht länger halten konnte als die beiden Damen etwas später in ihren Ministerien. Die sinkenden Auflagenzahlen des Blattes, das damals von der Kronenzeitung endgültig abgehängt wurde, ließen es offenbar für die Herausgeber nicht ratsam erscheinen, länger auf Rauscher´sche Dienste zuzugreifen. 

Folglich stünde es dem nunmehr seit Jahrzehnten auf seine sehr oft brillant geschriebenen Kolumnen Reduzierten gut an, ein wenig jene Vergangenheitsbewältigung, die er großzügig immer wieder von seinen Lesern einfordert, auch in Bezug auf seine eigene Karriere zu betreiben. Denn man sollte nicht über den Fall anderer spotten, wenn man selbst gefallen ist und weiß, wie weh das tun kann.

So richtig denunziativ wird Rauscher im nächsten Absatz, in dem die Freunde und Förderer des unter Anführungszeichen gesetzten Global Strategist Sebastian Kurz aufgezählt werden, allesamt Namen, die jedem aufrechten Wiener BoBo eine geradezu rauschgiftartige Empörungsekstase verschaffen.

Da wird zum einen der US-Milliardär Peter Thiel genannt, der schon deshalb ein Unmensch sein muss, weil er ein US-Milliardär ist, und auch deshalb als demokratieverachtend bezeichnet werden darf, weil er in der ältesten Demokratie der Neuzeit, in den USA, zu den Republikanern gehört und dort Trump und Vance unterstützt hat, was in der kleinen Welt des Wieners Hans Rauscher so unverzeihlich ist, dass man sich sogar die überschaubare Lektüre des Wikipedia-Eintrags zu Peter Thiel erspart.

Peter Thiel hat, nebstbei in seiner Jugend einer der besten Schachspieler der USA, die Bezahl-Plattform PayPal aufgebaut, die Datenanalysesysteme von Patantir entwickelt, er war einer der ersten Großinvestoren bei Facebook und schrieb mit Zero to One ein Buch, das originelle Aspekte über Wirtschaft, Innovation, Wettbewerb und Monopole entwickelt: alles zusammen und noch viel mehr also Leistungen, über die mit der verächtlichen Nennung des Namens hinwegzugehen entweder auf intrinsische Dummheit oder bewusst gepflegten schlechten Journalismus schließen lässt.

Und dies gilt auch dann, wenn man viele Ansichten Peter Thiels nicht teilt, ja sogar bekämpft. Die Unart, ihn und andere politische oder weltanschauliche Gegner ganz einfach unter der Rubrik Trottl eh schu wissen abzuhaken, repräsentiert im Übrigen genau jene journalistische Arroganz, welche derzeit fleißig mithilft, die klassischen Medien reihenweise an die Wand fahren zu lassen.

Natürlich darf in der Reihe denunziatorisch instrumentalisierter Namen nicht jener des René Benko fehlen, dem Sebastian Kurz im arabischen Raum dabei half, durch neue Investoren sein Unternehmen zu retten, was übrigens auch andere taten, deren Namen Herr Rauscher angesichts des gefährdeten Inseratenaufkommens seines Blattes verständlicher Weise verschweigt: Hans-Peter Haselsteiner zum Beispiel, ein anerkannt intelligenter Unternehmer, der im guten Glauben bei Benko noch vor kurzem Millionen in den Sand setzte.

Dafür darf der Name des angeblichen Autokraten Victor Orbán nicht fehlen, der in Kurz, oh Schreck, oh Graus, einen Unterstützer hat, eine weitere nicht judizierbare Abfälligkeit, die darauf beruht, dass Orbán zwar der rechtmäßig gewählte und mit einer großen Mehrheit ausgestattete Regierungschef Ungarns ist, allerdings in Sachen Migration seit bald 10 Jahren ein Programm durchzieht, das klammheimlich von den eingefleischtesten Gutmenschen inzwischen als das einzig effektive bezeichnet werden muss, der den Kontakt zu Herrn Putin nie abreißen ließ und sich als EU-Ratspräsident um einen Frieden in der Ukraine bemühte, bei dem ihm berechtigterweise unterstellt wurde, dass er aus seinem realpolitischen, russlandfreundlichen Verständnis heraus die völkerrechtswidrige Aggression Russlands und die Annexion der Krim und der Ostukraine Arm in Arm mit Trump akzeptieren würde, was den vehementen Protest seiner EU-Kollegen zur Folge hatte.

Vielleicht sollten gerade wir Österreicher und damit auch unsere führenden Journalisten dennoch ein wenig mehr Verständnis für ein Land aufbringen, mit dem wir über lange Zeit in einem Staat zusammenlebten und dessen historische Belastungen, von denen wir leider keine Ahnung haben, der doch über jeden Verdacht erhabene Schriftsteller Péter Nádas in seinem Essayband Leni weint umfassend darstellt.

Nach der Aufzählung all der angeblich verachtenswerten Zeitgenossen Thiel, Benko und Orbán endet Rauschers Kolumne, wie schon gesagt, mit der Feststellung, dass gar manche Wirtschaftstreibende sich eine Rückkehr von Sebastian Kurz wünschen würden, diese derzeit aber nicht in Sicht sei.

Die einfache Antwort, warum dem so ist, erspart der Kolumnist sich natürlich, würde sie doch ein etwas schräges Licht auf jene linksliberale Putschtruppe aus Justiz, Politik und Medien werfen, zu der auch Rauscher gehört, und die über den Scheinskandal Ibiza die Regierung stürzte und damit den Partei-Lemuren der ÖVP die Chance zuspielte, lieber mit 15 Prozent weniger etwas zu sagen zu haben, als mit 35 Prozent dem Jungspund Kurz gehorchen zu müssen.

Dort halten wir derzeit zwei Monate vor der nächsten Wahl, eine Distanz, angesichts derer es die Gerichte locker schaffen werden, allfällige Prozesse gegen den Ex-Kanzler noch weiter hinaus zu zögern und damit seine Rückkehr zu verhindern.

Selbige wäre übrigens, wenn man es seitens der ÖVP nur wollte, leicht möglich, wenn man bedenkt, dass soeben Christian Hafenecker, Generalsekretär der FPÖ, wegen gefälschter Impfzeugnisse zu einer Strafe von 5.200 Euro verurteilt wurde (nicht rechtskräftig) und kein Mensch aus seiner Partei sich vernehmen ließ, er möge deswegen schleunigst von all seinen Ämtern zurücktreten. Dies wäre im Übrigen wohl auch gerechtfertigter als eine missverständliche Formulierung während eines siebenstündigen Verhörs vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, die im Fall Kurz zu einer vollkommen überschießenden Verurteilung (nicht rechtskräftig) unter dem Motto führte: Kurz muss weg!

In diesem Sinne brav geschrieben Herr Rauscher!

Peter Thiel / Blake Masters: Zero to One: Wie Innovation unsere Gesellschaft rettet. Campus Verlag 2014. 30,84 Euro
Péter Nádas: Leni weint. Essays, Rowohlt Verlag 2018. 37.00 Euro
Zitat – Hans Rauscher: https://www.derstandard.at/story/3000000230367/sebastian-kurz-und-schinkenfleckerl

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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