Alois Schöpf
Nein zu den Naturschutz-Bürokraten der EU
Apropos

Es ist verständlich, dass Umweltministerin Gewessler als Grüne und ehemaliges NGO-Mitglied in Sachen Renaturierungsverordnung der EU nicht gegen ihre Überzeugung stimmte, auch wenn man diese für falsch halten kann. Und es ist ebenso verständlich, dass unsere in vielen Belangen unverzichtbaren Tierschützer vor den Europäischen Gerichtshof zogen, um den Schutz von Wolf, Wolfsschakal und Bär nicht durch die Abschussgenehmigungen der Länder unterlaufen zu lassen, auch wenn ihre dafür zugrunde liegende Ideologie naturkitschiger Unsinn ist.

Unbegreiflich ist hingegen die Unfähigkeit der ÖVP, der Bevölkerung zu erklären, worin die Gründe dafür liegen, dass sie gegen die Renaturierungsverordnung der EU eingestellt ist, obwohl nicht nur ihre Parteiangehörigen, sondern die überwiegende Mehrheit der Österreicher sowohl für die Artenvielfalt als auch für die Idee der Renaturierung größtes Verständnis aufbringen.

Der entscheidende Unterschied gruppiert sich um den Begriff Subsidiaritätsprinzip, der besagt, dass politische Entscheidungen dort gefällt werden sollen, wo die jeweils Betroffenen am kompetentesten über eine Maßnahme und deren Folgen Bescheid wissen.

Dieser Hierarchie der Zuständigkeit widerspricht die nunmehr vom EuGH erlassene Verpflichtung, vor jeder Wolfs-Abschussgenehmigung objektiv überprüfen zu lassen, ob bei einer betroffenen Alm nicht eine Umzäunung bzw. der Einsatz von Herdenhunden möglich wären. Worauf dies hinausläuft, sieht man im Trentino, wo das Verwaltungsgericht aufgrund eines Einspruchs von Tierschützern den Abschuss der Bärin, die wahrscheinlich einen Jogger umgebracht hat, schon zweimal gekippt hat.

Um es krass zu formulieren: Obwohl begeisterter Europäer – bevor ich mich gesetzeskonform bei einer Wanderung von einem Bären, Wolf oder Herdenhund anfallen lasse, bin ich dafür, über den Austritt aus der EU nachzudenken!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 27.07.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Johann Kinzl

    Sehr geehrter Hr. Schöpf!
    Wie – fast – immer stimme ich mit Ihren Stellungnahmen zu verschiedenen Themen überein.
    Was ich aber in Ihrem letzten Artikel vermisse, dass Sie nicht mit Wehmut an eine alte Tiroler „Kultureinrichtung“ bei den nicht notwendigen und nicht ungefährlichen Wölfen und Bären denken, nämlich an die Zeit, als Wilderer wie die Walder-Brüder solche Probleme zur Zufriedenheit des Großteils der Tiroler Bevölkerung und auch für notwendige Entwicklung einer guten Mensch-Tier-Beziehung mit einem strammen Schuss gelöst haben. Lieber ein paar Kühe und Schafe weniger als eines dieser Wildtiere, die genügend Platz in für alle sicheren Umgebungen auch in Europa haben.
    Mit den ideologisch eingeengten Grünen wird noch ewig keine gute Lösung des Problems gefunden werden können, und auch nicht mit den Technokraten in Brüssel, die sich besser anderen größeren Problembereichen widmen sollten.
    Mit Dank für Ihr Apropos in der TT verbleibt

  2. Sepp Rettenbacher

    Lieber Alois,
    heute wieder super und ganz genau auf den Punkt gebracht, ist zu 100% auch meine Meinung, auch was das Nachdenken für einen EU Austritt betrifft, man sieht es bei der Schweiz mehr als genau, denen geht’s viel besser als uns und dort entscheidet die Bevölkerung.

    1. Robert Muskat

      Nur zwei Bemerkungen wenn’s gestattet ist: Die Schweiz hat schon seit Urzeiten die Volksabstimmung in der Verfassung, das ist eine Selbstverständlichkeit. Österreich hingegen befragt die Wirtschaftskammer und den Bauernbund und das ganze Land hat sich nach deren Beschlüssen zu richten.
      Die Schweiz war immer schon Zufluchtsort für mehr oder weniger legale Geldflüsse, ohne lange nach deren Herkunft zu fragen. Dadurch und auch durch fettes Abkassieren für Verschwiegenheit und Diskretion hat sie sich einen immensen Finanzpolster geschaffen, der in Österreich auch durch einen EU-Austritt nicht zu erreichen sein wird.

  3. Brigitte Geiger

    Guten Abend Herr Schöpf,
    wie sie wissen bin ich Leserin von ihrer Kolumne und meistens auch ihrer Meinung.
    Heute haben Sie mich allerdings sehr enttäuscht.
    Die ÖVP so hinzustellen, dass ihr Klimaschutz nicht wichtig wäre, ist einfach falsch. Die ÖVP ist nicht dagegen, nur die Renaturierungsverordnung war noch nicht ausverhandelt und ist so, wie sie jetzt voreilig ohne Rücksicht auf Bedürfnisse für Österreich beschlossen wurde, eine Katastrophe. Der Landwirtschaftsminister ist ein grosser Umweltschützer, und es wäre gut, wenn Sie sich mit ihm über diese Verordnung unterhalten würden. Abgesehen davon ist es ein absolutes No Go, ohne einstimmigen Parlamentsbeschluss und ohne Zustimmung von 7 Bundesländern einfach eigenmächtig zu unterschreiben. Wir haben denke ich einen Rechtsstaat.
    Ich verstehe Sie nicht wie, sie so ein Verhalten gut heißen können.
    Außerdem vor dieser heiklen und schwierigen Wahl gegen die ÖVP Stimmung zu machen halte ich für sehr bedenklich.
    Mit freundlichen Grüßen

    1. schoepfblog

      Sehr geehrte Frau Geiger!
      Bitte lesen Sie meine Kolumne doch genau: ich habe der ÖVP ja nicht den Vorwurf gemacht, dass sie gegen den Umweltschutz eingestellt ist, sondern ich habe ihr den Vorwurf gemacht, dass sie der Bevölkerung nicht erklären konnte, weshalb sie die derzeitige Renaturierungsverordnung der EU verurteilt. Es ist nämlich genau das Subsidiaritätsprinzip, aufgrund dessen die Betroffenen besser entscheiden können, wie sie ihre Natur schützen, als irgendwelche weltfremden Bürokraten. Und was das Verhalten von Frau Gewessler betrifft, deren Ideologie ich nicht teile, muss ich dennoch darauf hinweisen, dass ein Abgeordneter per Verfassung geradezu verpflichtet ist, nach seinem Gewissen zu handeln.
      Ich grüße Sie herzlich Alois Schöpf

    2. Robert Muskat

      Nur kurz zur Umweltfreundlichkeit der ÖVP: Wer hat im EU- Parlament gegen ein Glyphosat-Verbot gestimmt? Wer hat sich gegen die rasche Abschaffung von Vollspaltböden ausgesprochen? Wer glaubt, dass ganz Österreich sich nach den Vorgaben des Bauernbundes zu richten hat?
      Und vergessen Sie nicht: für die UMWELT ist die UMWELTMINISTERIN zuständig, nicht Frau Edtstadler, nicht der Bauernbund und auch nicht die Industriellenvereinigung!

  4. Johanna Rotter

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ein weiteres Mal haben Sie mit Ihrer Kolumne „Apropos“, diesmal in der TT-Ausgabe vom 27.07.2024, „Nein zur Bürokratie…..“ voll „ins Schwarze“ meiner Auffassungen getroffen.
    Denn für mich ist die Haltung der angeblichen „Tierschützer“ bei Bären- und/oder Wolfsabschüssen auch bei größtem Bemühen nicht nachvollziehbar. Sie nehmen anscheinend in Kauf, dass die Großraubtiere durch die Verfolgung und – grausame – Tötung von Weidevieh ein in meinen Augen unvergleichlich größeres Tierleid verursachen!
    Ebenso „fasziniert“ mich die Sturheit der ÖVP, den vermeintlichen Wünschen ihrer bäuerlichen Klientel nachzukommen, obwohl diese Haltung nicht nur umwelt- und klimaschädlich ist, sondern auch der Auffassung der Mehrheit der Österreicher widerspricht. Gnade all denen, falls die FPÖ ans Ruder käme!
    Obwohl auch ich mich als überzeugte Europäerin fühle und die Vorteile der EU (z.B. billiges Telefonieren ins EU-Ausland, fast kein Geldwechseln mehr, gebührenfrei EU-Überweisungen …) gerne in Anspruch nehme, gibt es bei mir zwischenzeitig auch Vorbehalte. Hier v.a. die unverhältnismäßige Bevorzugung der (klima- und umweltschädlichen) Interessen der Wirtschaft und des Warenverkehrs. . Eine Evaluierung der EU-Ziele in Richtung von mehr „Menschenschutz“ erscheint mir höchst dringlich!

  5. Karlheinz Veit

    DANKE Herr Maier für den hervorragenden Kommentar !

  6. Reinhard Kocznar

    Lieber Alois,
    ich stimme dir zu, besonders zum letzten Absatz.
    Der letzte Schrei der Frau Von der Leyen ist ein Wohnbaukommissar, obwohl das die EU nichts angeht. Die Migration zu stoppen, die ja die Ursache der Wohnraumknappheit ist, kommt ihr nicht in den Sinn.
    Die ständig anschwellende Verkehrslawine lässt uns, so wie es ist, nur die Möglichkeit, weitere Autobahnen zu betonieren. Das haben die damaligen EU-phoriker halt nicht bedacht.

  7. Ernst Maier

    Sehr geehrter Herr Schöpf
    Dass sich ein durchaus korrektes, von wissenschaftlichen Erkenntnissen und von eigenem Gewissen getragenes Abstimmverhalten von Frau Minister Gewessler nicht mit Ihrer Einstellung zu koalitionärer Nibelungentreue deckt, war einigermaßen vorhersehbar.
    Doch, dass Sie den eigentlich positiv zu besetzenden Begriff der Subsidiarität derart überstrapazieren, um nicht zu sagen zweckentfremden, zeugt von rückwärtsgewandtem, weltfremd anmutendem Kirchturm-Denken.
    Es sei Ihnen unbenommen, sich bei Wanderungen von einer in der Realität völlig unbegründeten Bedrohung durch Wolf oder Bär gefährdet zu fühlen. Dies allerdings mit einem „begründeten Nachdenken über einen EU-Austritt“ zu verknüpfen, haut doch dem stärksten Fass den Boden aus.
    Man kann nur hoffen, dass Sie sich der Tragweite Ihres völlig überzeichneten Ansinnens im Nachhinein bewusst werden.
    In diesem Zusammenhang sei an die völlig überzogenen Versprechungen Nigel Farage´s in GB erinnert, welche mit der Austritts-Abstimmung und dem schlussendlich vollzogenen Brexit einen Bauchfleck mit Anlauf zur Folge hatten.

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