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Alois Schöpf
Fritz Gurgiser und der feine Unterschied
Apropos

Fritz Gurgiser, dessen Transitforum Tirol dieser Tage sein 30-Jahr-Jubiläum feiert, ist eine schillernde Figur. Wenn man ihn in den Medien poltern hört, könnte man meinen, man habe es mit dem Inbegriff eines Populisten zu tun, gegen dessen vereinfachende Thesen dringend Widerspruch anzumelden ist. 

Sofern man diesen Widerspruch dann formuliert, was ich oft getan habe, erweist er sich als ein erstaunlich nachdenklicher und liberaler Gesprächspartner. Dies bewies er dieser Tage auch in einem ORF-Interview, wenn er meinte, es sei dem Transitforum nie darum gegangen, das Verkehrsaufkommen zu reduzieren, sondern vielmehr die daraus resultierenden Belastungen.

Vielleicht wäre es angebracht, diese Aussage aus dem Munde eines Berufenen nicht nur etwas genauer anzuschauen, sondern auch ernst zu  nehmen, wodurch sich vielleicht jene Kompromissfähigkeit einstellen könnte, die Landeshauptmann Anton Mattle in Sachen Energiewende einfordert, die aber auch Georg Dornauer andeutete, wenn er meinte, man müsse in den Verhandlungen mit Italien und Deutschland auch das LKW-Nachtfahrverbot überdenken, wofür er umgehend scharf kritisiert wurde.

Wenn ich Fritz Gurgiser nicht ganz falsch verstehe, weist er mit seinem Satz darauf hin, dass sowohl die private Mobilität jedes einzelnen, als auch der europäische Warenverkehr vom gut sortierten Supermarkt bis hin zum Ersatzteillager einen solch hohen Wert darstellen, dass es utopisch wäre, ihn von Tirol aus reduzieren zu wollen. Es geht vielmehr darum, was einen enormen Unterschied in der Herangehensweise bedeutet, die negativen Auswirkungen dieses hohen Werts zu reduzieren, eine Zielvorgabe, die, wie beim Transit, auch für den Bau neuer Pumpspeicherkraftwerke als die einzig realistische einzuschätzen ist.

Erweist sich ausgerechnet Fritz Gurgiser als Gegner von Denkblockaden? Hab ich mich verhört? Ich hoffe nicht!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 17.08.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Josef Gertl

    Servus!
    Ich habe leider das Interview vom Gurgiser nicht gesehen, aber wenn das stimmt, dass es nicht um die Reduzierung vom Verkehr, sondern um die Reduzierung der Belastungen geht, kann ich Gurgiser nur zustimmen.
    Aber leider werden diese Aussagen bei unseren Politikern abprallen wie ein Wassertropfen auf einer Nanobeschichtung.
    Das sieht man ja am Fernpass, wo die Bevölkerung nur mit Tschirgant- und Basis- oder Scheiteltunnel plus Umfahrungen und kreuzungsfreien Einbindungen entlastet werden kann. Aber so wie es aussieht, bekommen wir nicht einmal die Minimallösung Scheiteltunnel. Und die 2. Tunnelröhre in Leermoos brauchen wir auch nicht, weil man ja sieht, wie gut das am Arlberg funktioniert. Vorarlberg ist faktisch von Österreich abgeschlossen, aber das macht ja nichts, fahren wir halt über Deutschland.
    Von der Politik wurde es schon seit Jahrzehnten verabsäumt, in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren, um dem privaten und wirtschaftlichen Mobilitätsbedürfnis nachzukommen.
    Anstatt z.B. über eine temporäre Öffnung des Pannenstreifens als dritte Fahrspur in den Morgen– und Abendstunden oder über das Nachtfahrverbot für LKW nachzudenken, bastelt man an Dosier-Ampeln, Blockabfertigungen und freut sich, dass der Brennerbasistunnel vielleicht irgendwann in Betrieb geht.
    Aber ich kenne keinen einzigen Menschen, der seinen PKW verkauft hat, weil zu viel Verkehr ist bzw. der sich einen PKW gekauft hat, weil eine Straße gebaut wurde nach dem Motto des selbsternannten Verkehrsexperten Knoflach: Wer Straßen baut, erntet Verkehr.
    Aber was soll´s, solchen „Experten“ wurde leider in der Vergangenheit mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Wirtschaft, Spediteuren und auch so manchen mit Hausverstand gesegneten Menschen.
    Und die Rechnung bekommen wir jetzt alle präsentiert, mit maroden Brücken, fehlenden Ausweichrouten, Staus usw.
    Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und wenn nächstes Jahr am Brenner alles steht, erkennt vielleicht der eine oder andere doch die Fehlentscheidungen der letzten Zeit. Dornauer und Kompatscher sind da ja mit dem Überdenken des Nachtfahrverbots schon etwas weiter.

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