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Elias Schneitter
Eigentumsbildung heute – „Leistbares Wohnen“
Notizen

Meine Eltern hatten sich unter größten und entbehrungsreichsten Anstrengungen in den Sechzigerjahren ein Eigenheim geschaffen. So wie damals viele andere „kleine Leute“, vor allem in den Siebzigern und Anfang der Achtzigerjahre auch. Das gelang mit viel Fleiß und mit viel Nachbarschaftshilfe, sprich Schwarzarbeit.

Heute geht das kaum mehr. Allein bei den exorbitanten Grundstückpreisen und den Baupreisen. Auch die Schwarzarbeit ist in dieser Art nicht mehr möglich. Kurz und gut: ein Durchschnittsbürger kann sich ein eigenes Heim nicht mehr leisten, außer man macht eine entsprechende Erbschaft oder man gehört zu den glücklichen Lottomillionären.

Mein Dorf im Umfeld der Landeshauptstadt wurde trotzdem in den letzten Jahren ohne Rücksicht auf Verluste verbaut. Vorwiegend durch Immobiliengesellschaften als Bauträger.

Aktuell steht zum Beispiel ein Großprojekt mit über siebzig Wohneinheiten zur Diskussion. Übrigens ganz nahe am Fluss. Die Gemeindevertreter versuchten als Baubehörde mit knapper Mehrheit der Immobiliengesellschaft sogenannte „sozial leistbare Wohnungen“ unterzujubeln. Darauf stieg die Gesellschaft nicht ein. Ihr Kommentar lautete, „Im nächsten Jahr sind Neuwahlen. Dann schauen wir weiter.“

Soweit ich das einschätzen kann, geht es bei diesem Projekt – wie es im Wohnungsmarkt inzwischen immer häufiger vorkommt – um Spekulation. Investoren aus dem In- und Ausland gibt es ja mehr als genug. „Normale“ Bürger, junge Familien können sich das kaum noch leisten, außer sie verschulden sich lebenslang über beide Ohren und wehe es droht Arbeitslosigkeit oder eine Ehekrise.

So kommen die Wohnungen auf den „freien Markt“ und werden zu überhöhten Mietpreisen an den Mann gebracht. Und da kommt dann wieder die öffentliche Hand  ins Spiel bzw. zum Handkuss. Die Mieter können sich die Mieten nicht leisten und die Gemeinden müssen mit Mietzuschüssen einspringen.

Das ist das leistbare Wohnen von heute! Eigentumsbildung für Gesellschaften und Aktionäre! Mieter als Bittsteller! Und Steuergelder für die Besitzenden!

Zumindest könnte man sich wieder einmal die Vergabe von Mietzuschüssen überlegen. Die treiben nämlich die Mieten ebenfalls mit in die Höhe.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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