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Marcel Looser
Die «Elite» Österreichs aus der Sicht eines Schweizers

Die letzten Tage habe ich immer wieder darauf gewartet, dass im schoepfblog zur Feder gegriffen wird, um das Trauerspiel, das die österreichische Politik in den Medien und im Parlament rund um Kanzler Kurz und seinen Finanzminister Blümel momentan abgibt, zu kommentieren – doch alle Autoren und Autorinnen hüllen sich in vornehmes Schweigen.

So greife ich halt von der Schweiz aus als Aussenstehender in die Tasten – auch wenn sich das vielleicht nicht gehört.

Profilierungssucht und Zank in den Gremien habe ich als ehemaliger Schulpräsident meiner Gemeinde oft erlebt, wobei natürlich immer behauptet wird, man setze sich für das Gemeinwohl ein, die Gemeinde, die Schule, die Kinder stünden im Mittelpunkt – das Gegenteil ist der Fall: das eigene Ego diktiert die Handlungsweise, Kollateralschäden werden billigend in Kauf genommen.

Da legt sich selbstgerecht in fast schon religiösem Eifer und sakraler Diktion die Frau Rendi Wagner zu dem moralisch vom Saulus zum Paulus bekehrten Herbert Kickl – auch in der neuen Rolle ist er, wie übrigens auch der «Heilige» Paulus, der alte Eiferer geblieben – ins doch etwas grausliche Ehebett, all dies, um den gemeinsamen Intimfeind, Bundeskanzler Sebastian Kurz, endlich vom Thron zu stossen.

Traurig anzusehen und anzuhören ist die Voraussehbarkeit der einzelnen Voten im Parlament, die Parteizugehörigkeit der Redner/der Rednerin lässt sich mit geschlossenen Augen erkennen, die Argumente sind immer dieselben, auch die Überzeichnungen; so z.B., wenn die Schwere von Kurz’ «Verbrechen» damit verdeutlicht wird, dass darauf bis zu drei Jahren Haft stehen – dies, obwohl allen klar ist, dass der Kanzler niemals für drei Jahre hinter Gitter geschickt werden wird, auch nicht, wenn es tatsächlich, was jedoch eher unwahrscheinlich ist, zu einer Verurteilung kommen sollte.

In diesem Parlament wird nicht miteinander geredet (frz. parler) und um Lösungen gerungen, sondern die Voten, deren Inhalt allen Anwesenden ja längst bekannt ist, sind effekthascherisch an die Presse und das Fernsehpublikum gerichtet. Ob dieses wohl wirklich so dumm ist, wie die RednerInnen meinen?

Es beklatschen die Parlamentarier natürlich immer die eigenen Leute, das Ganze läuft ab wie nach Drehbuch. Man verlangt Respekt vor dem Hohen Haus, der Demokratie, der Verfassung, ist aber nicht bereit, dem politischen Gegner auch nur im Geringsten respektvoll entgegenzutreten, die Voten sind voller Zynismus, Hass, Besserwisserei und Herabwürdigung des Kontrahenten – wie in einem solchen Klima etwas Vernünftiges entstehen soll, ist mir ein Rätsel.

Eine seltsame Rolle spielt in diesem wüsten Drama auch der ORF – da macht z.B. Armin Wolf in der ZIB2 in der Rolle des Scharfrichters fröhlich mit, er lädt den Kanzler zum Gespräch, um ihn kräftig öffentlich abzukanzeln, wobei ihm Herr Kurz fachlich wie intellektuell – auch ohne abgeschlossenes Studium – mehr als gewachsen ist.

Ist es wirklich Aufgabe der Medien, einseitig parteiisch ins Geschehen einzugreifen. Könnten sie das Urteilen nicht uns Adressaten überlassen, uns einfach die relevanten Informationen liefern? Wenn ein «hohes Tier» aus Politik, Wissenschaft oder Wirtschaft im Fernsehen zu Gast ist, bin ich nicht primär an der Ansicht des Moderators bzw. der Moderatorin interessiert, sondern ich möchte hören, was der Gast zu sagen hat.

Ob man nun Sebastian Kurz mag oder nicht, das ist der einzelnen Person anheimgestellt. Ob er Kanzler der Republik Österreich sein soll, darüber entscheiden bzw. haben die Wählerinnen und Wähler entschieden. Wirkliche Diktatoren wie Putin, Lukaschenko, Erdogan, Xi Jinping, Kim Jong-un u.a. werden erstaunt nach Österreich blicken und sich wundern, für was für Petitessen ein «Herrscher» in diesem Land an den Pranger gestellt wird – lohnt es sich da überhaupt, all die Mühen des Amtes auf sich zu nehmen? Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein!

Marcel Looser, ein «halber» Österreicher (Schweizer mit österreichischer Matura)

Marcel Looser

Marcel Looser, Geb. 1950, lebt in Dietlikon bei Zürich, Altphilologe und Indogermanist, Gymnasiallehrer (Latein und Griechisch) a.d., Schulpräsident der Gemeinde Dietlikon a.d., als solcher Gewinner des Schweizerischen Schulpreises.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Franz Preck

    Zum Kommentar von Herrn Schmidinger:

    Vielleicht unterliegt Herr Schmidinger nur einem Gedankenfehler:
    Eine Satire ist keine Analyse, schon gar keine objektive.

  2. Hubert Held

    Hallo Alois,
    Danke, habe den Schweizer mit seinem ausgewogenen Urteil mit Achtung gelesen. Ich hatte mit Armin Wolf vor 2-3 Monaten Korrespondenz. Aber dieses Bemühen und das vieler anderer haben nicht ausgereicht, um ihn in die Spur des vom Hr. Bundespräsidenten jüngst verlangten Anstands zu bringen. Blende den Ton aus und beobachte einmal seine Körpersprache: Nackte Aggression.

  3. Marcel Looser

    Sebastian Kurz als absoluter Herrscher über Regierung, Medien, Parlament und Justiz – da tut man ihm doch allzuviel der Ehre an.

  4. Kurt Schmidinger

    Diese Analyse geht doch am Wesentlichen vorbei.
    Ich will das hier nicht im Detail schildern, sondern lasse Jan Böhmermann das Grundproblem der „türkisen Familie“ schildern. Böhmermann’s Analysen sind vielleicht nicht immer super, aber diese finde ich äußerst sehenswert: https://www.youtube.com/watch?v=b8ghF63cL3g

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