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Werner Schandor
Männerschlachten für Fortgeschrittene
Notizen

Der Skandal ist vorprogrammiert. Oder doch nicht? Die Wiener Band Bipolar Feminin bestreitet am 29. April 2023 auf der österreichischen Gastlandbühne der Buchmesse Leipzig den musikalischen Teil des rot-weiß-roten Abschlussevents.

Versprochen wird eine Gala der besonderen Art. Ich bin neugierig, wie beim hypermoralischen deutschen Feuilleton und erlauchten Buchmessepublikum der aktuelle Song der Band, süß lächelnd, ankommen wird. Schließlich fantasiert das bipolar-weiblich-lyrische Ich in diesem Lied ziemlich drastisch die Tötung von Menschen herbei:

Ich töte euch alle, ich bring euch alle um. Vielleicht häng ich euch auf. Vielleicht steche ich euch in den Bauch.

So der Refrain des Feel-Bad-Songs. Da sprudelt richtig das Blut, und der Hass ist spürbar. Meine Fresse, was wäre in den Medien los, wenn der Song von einer rechten Band stammte und auf Ausländer oder Schwarze gemünzt wäre. Oder wenn er Mordfantasien an Frauen zum Inhalt hätte. (Vielleicht steche ich euch in den Bauch.)

Die woke Twitteria würde die Buchmesse mit Shit-Orkanen fluten. Warum das ziemlich sicher nicht passieren wird?!

Ganz einfach: Im Lied geht es ums erträumte Gemetzel an … Männern. Vermutlich alten, weißen. Und wenn man bedenkt, was die Sängerin dieser Gattung zum Vorwurf macht, sind die Lynchvorstellungen ja voll verständlich: Reichtum, paternalistisches Gehabe und Besserwissertum wird denen unter anderem angekreidet. Lauter moralische Kapitalverbrechen. Kurz und gut: Mit euren Schwä*** überschreitet ihr all meine Grenzen. (Ein 1a Reim! Echte Dichtung!)

Die logische Konsequenz dieser Zumutungen: Ich werde euch gerne eins in die Fresse hauen. – Und dann wird im Refrain wieder und wieder das Schlachtermesser ausgepackt.

Ich töte euch alle, ich bring euch alle um. Vielleicht häng ich euch auf. Vielleicht steche ich euch in den Bauch.

So richtig zum Mitsingen und Schunkeln. Regt das irgendwen auf?! Nö, es ist ja nur ein Liedchen, und es sind eh nur die alten Säcke gemeint.

Leipzig, wir zeigen euch, was eine echte Hetz ist!

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Werner Schandor

Werner Schandor ist Texter und Autor in Graz. Er ist seit 1995 in der PR tätig und hat Lehraufträge am Studiengang „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum sowie am Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz. 2020 erschien sein Buch „Wie ich ein schlechter Buddhist wurde. Essays, Glossen und Polemiken“ in der Edition Keiper, Graz. Weitere Infos: www.textbox.at

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. c. h. huber

    da hätte man ja schon viele song-texte verbieten müssen, in denen mord- und totschlag gefordert wurden, denke gerade an „delilah“ oder „jeanny“ von falco. also bitte nicht alles so ernst nehmen in dieser hinsicht!

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