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Walter Plasil
Rettung der traditionellen Küche
durch die neue Regierung
in Niederösterreich
Satire

Die fortschrittlichen Kräfte in Niederösterreich machen es vor! In Tirol hingegen hat man seit Jahrzehnten geschlafen. Gejammert wurde zwar immer. Schrecklich – hieß es dann in der Presse – schon wieder ein traditionelles Wirtshaus für immer geschlossen!

Wo wird das noch hinführen? Wo bekommt man sie noch, die traditionellen Gerichte? Und wo kann man sich künftig noch zum „Hoangascht“ treffen? Im Döner-Laden? In Warenhaus – oder Tankstellencafés, bei Mac Burger oder im türkischen Wettbüro?

So weit lassen wir’s nicht kommen, sagte man sich im Nordosten der Republik. Jetzt muss endlich Schluss sein mit dem Gasthaussterben!

Die klügsten Spitzenpolitiker in diesem pulsierenden Flecken Österreichs taten sich also zusammen. Es gelte, erklärten sie, den schleichenden Tod der lokalen Gastwirtschaft zu stoppen.

Das Credo, das hinter all den Maßnahmen steht, lautet: Das Wirtshaus als gesellschaftlicher Treffpunkt ist ein wesentlicher Teil der Landesidentität. Um die Wirtshauskultur auch in Zeiten der Teuerung aufrecht zu erhalten, wird daher eine Wirtshausprämie entwickelt.

Schön, es wird erst daran gearbeitet. Aber immerhin: Der damit ausgelöste Knalleffekt ist bereits wohlig im Bewusstsein der aufrechten und nationalgesinnten Patrioten angekommen. Endlich geschieht etwas!

Bestimmte Betriebe bekommen also vom Staat künftig Geld dafür, dass sie existieren. Auch neue Gasthäuser, die traditionelle Atmosphäre und regionale Küche anbieten, dürfen sich auf eine Zuwendung freuen.

Plötzlich ging alles sehr schnell, weil die sozialromantische SPÖ da nicht mitmachen wollte. Die verlangte zusätzlich kostenlose Ganztagsbetreuung im Kindergarten, Job-Garantien für Langzeitarbeitslose, einen Heiz-Preis-Stopp und die Anstellung für pflegende Angehörige. Auf solch dogmatische Unverschämtheiten kann man sich nicht einlassen! Das geht wirklich gar nicht, sagte die Landeshauptfrau!

Anstatt dessen haben sich ÖVP und FPÖ nun auf die Umsetzung wichtigerer Projekte geeinigt. Das neue schwarz-blaue Turboteam im niederen Teil Österreichs schafft harte Fakten! Her mit dem Zaster für die Wirtshausprämien, soll die Landeshauptfrau in einem Ausbruch ihrer wohlbekannten Spontaneität verfügt haben.

Wer aber genau soll künftig die Gelder bekommen? Welche Inhaber von Gasthäusern dürfen aufatmen, weil sie prämiert werden?

Die wichtigste Voraussetzung, etwas zu bekommen, soll sein, dass der Wirt ein traditionelles und regionales Speisenangebot mit dem Schwerpunkt auf traditioneller, regionaler Küche anbietet.

Aber ein Wirt kann auch nicht jeder ix-beliebige sein. Ein echter Wirt muss auch noch andere Kriterien erfüllen. Man stelle sich nur vor, ein Wirt mit türkischem Migrationshintergrund möchte ein traditionelles Gasthaus eröffnen? Vielleicht sogar einer, mit Döner-Hintergrund? Dass das nicht möglich sein darf, liegt auf der Hand. Die Einschränkung gilt freilich auch für andere Nationalitäten. Bundesdeutsche oder etwa nepalesisch-stämmige Wirte müssen zurückstehen! Unser Österreich hat Vorrang!

Und wer sich als Einheimischer tarnen möchte, indem er zum Beispiel als halber Perser behauptet, ein echter Niederösterreicher zu sein, wird damit nicht durchkommen! Er kann zwar behaupten, dass er national und regional gesinnt ist. Er kann ins Treffen führen, dass er ein eifriger Trachtträger ist und  in seinem Namen sogar Land und Bauer vorkommen! Trotzdem muss ihm wegen Gendefekts die Konzession für ein Traditionsgasthaus verwehrt bleiben.

Tradition verlangt nach entsprechender Bekleidung. Deswegen soll künftig vorgeschrieben werden, dass nicht nur wie bisher für Politiker, sondern nun auch für Gasthausbetreiber und dessen Personal eine bodenständige Bekleidungspflicht gelten soll. Die regionalen Trachten- und Dirndlvorschriften einzuhalten ist im echten Gasthaus ein must!

Wirtinnen müssen künftig ebenso speziellen Anforderungen entsprechen, wollen sie prämiert werden. Ähnlich wie bei Kellnerinnen erwartet man von ihnen ein Mindestmaß an Vorbau. Als regionales Extra gilt die Anforderung nach einem tiefen Ausschnitt bei geklöppelter Spitzenbluse. Wenn der nicht gegeben sein sollte – na seien wir doch ehrlich: Wer von den männlichen Stammgästen bestellt dann noch zwei Bier extra? Und wer möchte da länger als unbedingt notwendig sitzen bleiben?

Ja, dass – auch in der Küche – und ja, auch beim Abspülen, nur deutsch gesprochen werden darf, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Ortsübliche Dialekte werden herzlich gerne gehört! Und man kann sie in speziellen Kursen auch erlernen!

Gastbetriebe, die vorgeben, einheimische Speisen anzubieten, die aber in Wahrheit nicht fachgerecht zubereitet, traditionelle Getränke, die von akzentbehafteten, fremdländisch aussehenden, ungelernten Schankgehilfen linkisch serviert werden, fallen durch den engen Rost der Auslese. Oft hat man es in solchen Etablissements ohnehin mit nachlässig bekleidetem Personal zu tun, das nur auf Trinkgeld aus ist.

Zurzeit herrscht wahrlich ein trostloses Bild in den niederösterreichischen Gemeinden. Es zeigt sich in Form des gelähmten Dorflebens, wo keiner den anderen mehr kennt. Und die Bürger ernähren sich mit fremdgekochten, aufgewärmten, graustichigen Speisen aus fabrikähnlichen Küchen.

Dagegen ist nun die versammelte politische Intelligenz des Bundeslandes aufgestanden. Regional traditionell oder traditionell regional soll es ab jetzt weitergehen.

Fehlt nurmehr die genaue Definition für ein regionales und traditionelles Speisenangebot. Die ersten Vorschläge dazu gibt es schon.

Als regional sollen alle Kochrezepte gelten, die dereinst von böhmischen Köchinnen ins damals kulinarisch darbende, rückständige Niederösterreich gebracht worden sind.

Dazu gehören: Gulasch- und Grießnockerlsuppe, Schweinsbraten mit Semmelknödel und Sauerkraut, Zwetschgenknödel, Buchteln, Palatschinken und Mohnnudeln. All das soll vermehrt angeboten werden. Und es soll überall Niederösterreich draufstehen.

Das Wiener Schnitzel, das ohnehin aus Mailand stammen soll, darf nicht angeboten werden. Auch nicht, wenn es unter dem Namen Niederösterreichisches Schnitzel nach Wiener Art (Kalb) oder als Niederösterreichisches Schweineschnitzel nach Wiener Art bezeichnet wird. Schnitzel ist immer gleichbedeutend mit Wien. Dort soll es auch bleiben. Auch Pommes sind in Niederösterreich ein No-Go, weil man ja die eigenen Erdäpfel hat.

Bei niederösterreichischen Fleischgerichten ist deren Regionalität nachzuweisen. Anzugeben ist, um welche Tiere es sich genau handelt, die zu menschlicher Nahrung verarbeitet wurden. Es genügt in dem Fall nicht, nur die Vor- oder die ehemaligen Rufnamen des geschlachteten Viehs (bei der Kuh etwa: Resi, beim Schwein und Huhn zum Beispiel: Fritz oder Gockerle) anzugeben. Die Angabe der Geburts- und Sterbedaten samt Sternzeichen des jeweils verarbeiteten Tieres ist obligatorisch.

Auch der Hofname, also aus welchem Bauernhof Niederösterreichs das Vieh stammt (zum Beispiel Hinterkreuzstettner an der niederen Weixel) muss bei den geplanten strengen Kontrollen durch den Wirt auf Rückfrage genannt werden können.

Extrapunkte gibt es, wenn der Wirt auch den Nahrungsmittel produzierenden Bauern mit Daten seiner Familie, deren Vorfahren und Parteizugehörigkeit mittels Bestätigung des Bauernbunds nachweisen kann.

Aber nicht gar alles soll so streng ablaufen. Bei Dorffesten und Hochzeiten etwa werde man es mit der Schulpflicht der Wirtskinder nicht so genau nehmen, sofern sie im Service benötigt werden.

Jene Wirte, die sich besonders anstrengen, können mit Sonderprämien rechnen. Die bekommt man – so wurde verlautbart – wenn beispielsweise der Wirt selbst gelegentlich zur Knöpferlharmonika greift und mit seiner Familie gesangliche Darbietungen für die einheimischen Gäste anbietet. Das soll Heimatliebe und Treue zum eigenen Land befeuern, was in der Vergangenheit oft als Nationalismus verkannt wurde.

Frivole Gstanzln im Dialekt sind am besten geeignet, um die landestypische Identität Niederösterreichs zum Ausdruck zu bringen. Die ist übrigens noch weitgehend unerforscht. Außerhalb des Bundeslandes wird sie leider oft als fragwürdig eingeschätzt. Zum besseren Kennenlernen sollten daher im Gastraum auch Liederbücher aufliegen. Singen ja, aber bitte nicht Jodeln! Das sei gar nicht niederösterreichisch, wird vorsorglich betont.

All das soll aber nur den Beginn des von den Freiheitlichen angekündigten Sechs-Punkte-Plans zum Erhalt der Wirtshauskultur darstellen. Einiges davon ist schon durchgesickert. Wer etwa sein Gasthaus  Restaurant nennt, fällt automatisch um die Prämie um. Und wenn sich zum Beispiel die Speisekarte gar an die Lieben Gasthausbesucher:Innen wendet, hat man gegen das Genderverbot verstoßen.
Gleiches soll gelten, wenn englischsprachige Speisekarten aufgelegt werden. Dies gilt als Regionalitätsverletzung.

Noch schlimmer wäre es, Angebote an veganen oder rein vegetarischen Speisen in der Karte zu haben. Das widerspräche dem Förderdenken der Landwirtschaftskammer. Auch Bio muss nicht sein. Regional ist besser.

Als nächstes soll veranlasst werden, dass wieder alle Gemeinderatsitzungen verpflichtend in die Gasthäuser zurückübersiedeln. Auch Verhandlungen der Landes – und Bezirksgerichte böten im amikalen Umfeld eines Gasthauses jene positive Atmosphäre, die beim Prozess der Rechtsfindung sonst so schmerzhaft vermisst wird. In dem Fall wäre auch das Alkoholverbot aufgehoben.

Weiters sollen alle Klubhäuser von Musik -, Sport- und sonstigen Vereinen, in denen bisher auch Essen und Getränke angeboten werden, einer anderen Nutzung zugeführt werden (Kleintierställe?). Werksküchen müssen sich um Gasthauskonzessionen mit Regelkonformität bemühen.

Vor allem die Zusammenkünfte der freiwilligen Feuerwehr vor und nach Bränden sind wegen der besseren Durstlöschung verpflichtend in die Gasthäuser mit regionalen und traditionellen Formen der Bewirtung zu verlegen. In weiteren Stufen soll dann festgelegt werden, dass überhaupt alle Gasthäuser, die nichts Regional- Traditionelles anzubieten haben, zunächst mit Strafsteuern und nach einem Beobachtungszeitraum von einem Jahr bei Zuwiderhandeln gegen die Vorschriftenlage mit Konzessionsentzug belegt werden. Das wäre dann das Ende aller Chinalokale, der Pizzerien, Sushi-, Burger- und Kebap-Buden. Allein die Vorstellung davon macht schon Freude. Niederösterreich wird dann endlich wieder sein, was es früher schon war.

Die Wiederherstellung des Wirtshauses als gesellschaftlicher Treffpunkt ist ein wesentlicher Teil der Landesidentität eines Bundeslandes. Jede Kultur braucht ein Zentrum, um das herum sie sich entwickelt.

Das sei auch den Tiroler Politikern ins Stammbuch geschrieben: Tut endlich etwas, um die Tiroler Wirtshauskultur am Leben zu erhalten oder sie wiederzubeleben! Es genügt nicht, wenn ihr ständig selbst drinsitzt! Niederösterreich zeigt vor, wie‘s wirklich gehen müsste.

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. c. h. huber

    gut, an einem grauen frühlingstag etwas zum lachen zu haben! allerdings bleibt in diesem fall das lachen ob der realität im halse stecken.

  2. Reinhard Kocznar

    Werksküchen müssen sich um Gasthauskonzessionen mit Regelkonformität bemühen…

    Der Kollege ist nicht up to date. Regelkonformität in Werksküchen bedeutet Veggie statt Currywurst, am Beispiel VW. Durchgesetzt vom Management, das Punkte in der grünen Landschaft (bei den Konformist:innen) sammeln will, gegen den Willen der rückständigen Benutzerinnen und Benutzer der Kantinen.

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