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Helmuth Schönauer
Amtliches Camping
Stichpunkt

Zum Regierungswechsel in Tirol poppt das Thema auf, ob Asylwerbende in Zelten untergebracht werden sollen.

Wenn du aus einem blöden Grund, etwa weil dir der Sprit ausgegangen ist, kurz von der Transitroute durch Tirol abweichst, siehst du Mull, Obdachlosigkeit, Vandalismus und Zelte quer durch Ruhezonen und Naturschutzgebiete.

Einen besonderen Leckerbissen stellt in dieser Hinsicht das Außerfern dar, das sich zu einem Landschafts-Slum entwickelt hat, während die Regierung in Innsbruck mit ihren Schutzengel-Augen immer nach Osttirol gafft, wenn es einem Karg-Blütler wie der Tamariske wieder einmal an den Kragen gehen soll.

Das Außerfern wird von Kennern süffisant in drei Problemzonen eingeteilt:

– Über das Hahntennjoch fahren jährlich Zehntausende Biker voll aufgedreht durch die mittlerweile vom Wild freigeräumten Schotterkegel der Passstraße, um möglichst schnell auf das nächste Joch im Ötztal zu kommen, wo ein berühmtes Motorrad-Museum steht.

– Das Wild hat sich längst im Wildwuchs vermehrt und ist hinter den Schutzwäldern her. Die Seitenareale des Lechtales sind alle als Jagden umgewidmet und an deutsche Industrie und Adel verpachtet, die sie zur Steuerabschreibung nutzen, aber persönlich nicht betreten.

– Und rund um den Plansee haben sich längst Zeltsiedlungen etabliert, die an Calais erinnern, wenn die Polizei wieder einmal eine Razzia bei Überfahrts-Willigen nach Großbritannien macht.

Das alles wird nicht nur geduldet, sondern auch gefördert, auf dass der Prekariats-Tourismus in schöne Selfies verpackt den Mythos vom toleranten Tirol über die Welt verbreiten möge.

Die Bilder vom Wild-Campieren werden aber plötzlich nicht mehr als lustig empfunden, wenn darin Migrierende untergebracht werden sollen.

Dieser Tage soll ein Camp auf dem Areal einer Polizeischule entstehen.

Dabei handelt es sich hoffentlich nur um ein Poker-Spiel mit unmenschlichen Bildern. Die einen werfen den anderen vor, mit der Quotenerfüllung für Asylwerbende zu geizen, die anderen hoffen auf Abschreckung, dass man nicht mehr ohne Geld ins Land kommen möge, wenn man sieht, dass man dann in Zelten schlafen muss.

Und die dritten reden vom Krieg, der nun eben auch hierzulande angekommen sei. Er muss nicht unbedingt in Gestalt von Schusswaffen kommen, er bedient sich auch der hybriden Waffe des Zeltes.

In dieser Argumente-Melange rund ums amtlich verordnete Zelteln müssen sich in einer ersten Phase immer die Pressesprecher der Menschlichkeit äußern.

Die Soziallandesrätin hat es offensichtlich amtlich nicht geschafft, entsprechende Unterkünfte zu organisieren und mault jetzt noch im Abtreten halb privat, dass das alles unmenschlich sei.

Mindestens so nicht-witzig ist in diesem Zusammenhang der Bischof, der offensichtlich qua Diensteid zwei menschliche Presseaussendungen im Jahr produzieren muss. Das amtlich verordnete Zelteln ist auch bei ihm ein No-Go. Er baut gerade den Dom um Millionen zu seinem schönen Zelt Gottes um, damit bei der Jubiläumsfeier etwas Glanz auch auf sein Antlitz fällt.

Andererseits liegen immer noch Ordensgründe in Scharnitz und Martinsbühel auf verschleierten Grundbüchern herum. Der Damen-Orden hat sich in die Schweiz zurückgezogen und sämtliche Akten-Ordner mitgenommen. Darunter auch jene den Verdacht von Kinderschändung und Zöglingsqual betreffend.

Diese Liegenschaften könnten sofort als Zeltersatz genützt werden und vielleicht käme dann auch noch eine Entschädigung für die Opfer katholischer Pädagogik ins Spiel.

Ja, und wieder einmal sollen die Privaten sich einen Ruck geben und die Misere zu einem guten Ende führen. Dabei haben sich die Privaten ja deshalb von Kirche und Politik abgewendet, weil diese außer Worten nichts zustande bringen.

Schöne Worte haben die Privaten auch, etwa wenn sie Camping zum Zeltlager sagen.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karlheinz Veit

    DANKE Helmut Schönauer für diesen hervorragenden Kommentar !

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