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Alois Schöpf
Wir arbeiten am Limit.
Apropos

Das Kaffeehaus ist voll, die Kellnerin hinter der Schank flitzt hin und her. In einer Pause frag ich sie, wie es ihr geht. Sie meint: Das Geschäft läuft super, aber wir arbeiten alle am Limit!

Seit Wochen tropft ein Ventil in der Heizanlage. Mehrere Anrufe beim Hausinstallateur zeitigen keinen Erfolg. Zuletzt spreche ich persönlich vor und treffe auf einen Büroleiter, der mich deprimiert aufklärt: Wir könnten die ganze Woche durcharbeiten und würden nicht fertig.

Die Babyboomer wandern in die Pension ab. Der Nachwuchs bleibt aus. Es herrscht Mangel an qualifiziertem Personal. Ob in den Kliniken, wo ganze Abteilungen gesperrt werden müssen. Oder in den Handwerksberufen, in denen Monteure zu einem kostbar gehandelten Geheimtipp werden. Oder in der Gastronomie, wo sich die Schließtage häufen.

Wäre es nicht höchste Zeit, unter Einbeziehung aller Sozialpartner und ohne Scheuklappen einmal über neue Arbeits-, Lohn- und Versicherungsmodelle nachzudenken?

Zu viele Pensionisten oder Frauen, die gern stundenweise arbeiten würden, aber auch zum Nichtstun verurteilte Asylwerber landen in den Fängen einer vollkommen unflexiblen Bürokratie aus Berufsschutz, Arbeitsbesteuerung, Gewerkschaften und Krankenkassen.

Zugleich werden viele, die arbeiten könnten, aber keine Lust dazu haben, von ebendieser Bürokratie großzügig und oft über Jahre hinweg durchgefüttert.

Irgendetwas stimmt da nicht!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 02.10.2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Otto Riedling

    Hallo!
    Es ist ja so, dass Babyboomer im Berufsleben – wenn sie auf „Zack“ waren – halbwegs gut vorankamen und dadurch einen adäquaten Ruhegenuss zu erwarten haben. Wieso soll man sich nach 43 und mehr Arbeitsjahren irgendetwas aufhalsen??? Punkto Asylwerber wäre ich für eine Arbeitspflicht – 5% des Nettolohnes würden an den Staat (Kost, Quartier, etc.) gehen.

  2. Herbert Bauer

    Lieber Alois Schöpf,
    bezugnehmend auf die Kolumne „Wir arbeiten am Limit“ kann ich in den wesentlichen Punkten voll zustimmen. Allerdings, und ich reagiere das erste Mal in meinem Leben auf eine Kolumne schriftlich, bin ich mit dem Hinweis auf die Bürokratie nicht einverstanden.
    Bürokratie wird unter anderem wie folgt definiert: „Bürokratie ist eine staatliche oder nicht-staatliche Verwaltung, die durch klare Hierarchien, Entscheidungen nach Gesetz und Vorschriften und geplantem Verwaltungshandeln innerhalb festgelegter Kompetenzen gekennzeichnet ist.“
    Folgt man dieser Definition, dann ist die Bürokratie wohl nicht für die aufgezeigten Probleme verantwortlich. Es ist die Steuergesetzgebung, es sind die sozialpartnerschaftlichen Forderungen, das Arbeitsrecht und es ist die Sozialgesetzgebung. Also liegt die Verantwortung ganz klar bei der (legislativen) Politik, die in der Kolumne leider nur ganz zärtlich angesprochen wird, wenn sie zum Nachdenken aufgefordert wird, allerdings auch das nur als Frage.
    Es ist auch nicht die Bürokratie, die die Arbeitsunwilligen durchfüttert, sondern die Gesetzgebung fordert vom verwaltungsmäßigen, bürokratischen Vollzug die Gesetzestreue.
    Der Beamte kann die Auszahlung des Arbeitslosengeldes nicht deswegen nicht einstellen, weil er unflexibel ist, sondern nur, wenn es das Gesetz erlaubt. Es gilt also das Gesetz zu ändern und dafür ist die Politik verantwortlich.
    Der Hinweis auf die unflexible Bürokratie bedient daher leider nur das Klischee vom (fallweise doch) schlechten Beamten und der beliebterweise zu beschimpfenden Obrigkeit, lässt aber die eigentlichen Verantwortlichen (Schuldigen) unadressiert.
    Ich würde mir wünschen, wenn die völlig berechtigte Kritik der unerträglichen Situation an die richtigen Adressaten gerichtet wäre.
    Vielen Dank für die sonst immer so treffenden Kolumnen.

  3. Hanspeter Neuner

    Lieber Alois!
    Als konstanter Leser von Apropos möchte ich wieder einmal ausdrücken, dass ich Deine Analysen sehr schätze, wenn ich auch nicht immer der gleichen Meinung bin.
    Dein heutiger Kommentar bringt die derzeitigen Probleme auf den Punkt. Permanent wird versucht, uns mit kurzfristigen symptomatischen „Korrekturen“ ruhig zu stellen. Entscheidungsträgern fehlt oft nicht nur der Mut zu grundlegenden Veränderungen, sie denken weitgehend in Legislaturperioden oder sind schlicht intellektuell überfordert.
    Ich habe nie begriffen, warum Arbeitswille eingebremst wird, anstatt gefördert zu werden, dass Asylsuchende ihren Lebensunterhalt nicht wenigstens teilweise selbst erarbeiten müssen, dass Pensionisten strikt aus der Arbeitswelt ausgesperrt werden, dass Berufserfahrungen unterschätzt werden – und ähnliches!
    Was Dich und mich betrifft, habe ich den Eindruck, dass dank der sicher ambivalent zu beurteilenden „Stella“ und trotz persönlich sehr unterschiedlicher Entwicklungen den „Ehemaligen“ eine breit gefächerte und folgerichtige „Denke“ anzumerken ist. Das ist mir schon öfter in Analysen, Diskussionen und Gesprächen aufgefallen. Wie siehst Du diesen Vermerk?

  4. Hannes Tschurtschenthaler

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    vielen Dank für diesen Beitrag, Sie sprechen mir aus der Seele!
    Es läuft schon sehr lange „was schief“, nur in den Zeiten, als wir noch wie die Made im Speck lebten, sahen das die wenigsten. Jetzt in der Krise wird dies nur allzu deutlich und ist für jeden, wirklich jeden sichtbar.
    Ich gehöre zu den Babyboomern, bin – um meinen Traumberuf zu erlernen – 40km in die Arbeit gefahren, davon als Jugendlicher 17km mit dem Moped, Sommer wie Winter, jeden Tag.
    Dann habe ich mich 1996 selbständig gemacht, über Jahre hatten meine Arbeitswochen 60 Stunden und mehr, heute geht es mir gut, ich bin finanziell abgesichert, auf keine staatliche Rente angewiesen und dennoch bestürzt es mich, wenn ich sehe, wie das Schiff Österreich – in Deutschland finde ich, ist es noch schlimmer – sinkt.
    Ich persönlich kann nicht viel dagegen tun, ich werde nur nicht müde, diese Problematiken in meinem Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis immer wieder zu thematisieren.
    Sie aber können viele erreichen und ich möchte Sie ermutigen, weiterzumachen und ich hoffe, Sie werden immer mehr gehört…

  5. Werner Beck

    Wie weit hat sich Deutschland heute von den handwerklichen Grundsätzen der „Meistersinger“ entfernt, wo Hans Sachs singt;
    „Was deutsch und echt, wüsst keiner mehr, lägs nicht in deutscher Meisterehr!!“
    Die gesamte deutsche Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik hat sich realitätsfern in ideologische Sphären entwickelt, die chaotisch enden wird!!
    Das Problem für uns in Österreich:
    Wenn Deutschland hustet, bekommt Österreich eine Lungenentzündung!!
    Dem ist gegenzusteuern!!

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