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Helmuth Schönauer
Sprachwixen
Stichpunkt


Manche Wörter sind so grausig, dass sie aggressiv machen. Gendern zum Beispiel. Damit die Leser nicht sofort die Seite zuschlagen oder den Funk abdrehen, werden hier drei Fragen unter dem Titel „Sprachwixen“ zur Diskussion gestellt. Der Titel geht auf den Volksmund zurück, der besagt: „Seit die Menschen keinen Sex mehr zwischen den Geschlechtern haben, wetzen sie sich einfach an der Sprache ab.“


FRAGE EINS:

Hat schon einmal jemand nachgefragt, was ein Außenstehender über das Gendern in der deutschen Sprache sagt?

Eine Bibliothekarin aus dem Mittelwesten der USA, die uns mitteleuropäische Bibliothekare lange Zeit in Fragen „Lesen in der Provinz“ beraten und Deutsch als Fremdsprache gelernt hat, lacht hellauf über das Desaster des Über-Genderns, das sie drüben in Amerika „das deutsche Geschlecht nennen“.

Als ähnlich schwerfällig und schwermütig wie in diesen Kreisen etwa der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel empfunden wird, betrachtet man die Genderei als etwas Bedrückendes, das sich vor allem auf Sprachmelodie und Sprachfarbe wie Sand ins Sprechgetriebe legt.

Wer Deutsch als Fremdsprache gelernt hat, beherrscht es zumindest in der Grammatik meist besser als die sogenannten Native-Speakerinnen. (Wir sind schon soweit, dass wir auch in andere Sprachen hinübergendern, wenn wir sie in einem deutschen Sprachkonglomerat verwenden.)

Dabei erklären es Menschen, die Deutsch inklusive Grammatik gelernt haben, recht überzeugend, indem sie aus dem Curriculum für Deutschkurse zitieren, das offensichtlich als verbindlich gilt.

Die Grundstufen der meisten Tätigkeitswörter sind demnach Befehl, Nennform und Tätigkeitsperson.
Also Hilf! – helfen – Helfer.
Dabei sind unter Helfer alle gemeint, die Hilfe leisten, egal welchen Geschlechts.

Wenn es eine typische weibliche Tätigkeit beim Helfen ist, etwa Helferin im sexuellen Bereich, dann wird aus dem Helfer die Helferin.
Ähnliches bei „lernen“, „gehen“ usf.

Es ist also bloß ein Zufall, dass die Bildung mit „-er“ auch eine geschlechtliche Form evoziert.

Eine andere gängige Form, eine Person zu bilden, ist das „-ling“, wie im Flüchtling oder Impfling. Auch hier ist das Geschlecht vorerst einmal egal, wenn es notwendig ist, nimmt man eben das Vorangestellte männlich oder weiblich, aber auch hier heißt es „weiblicher Flüchtling“.

Jemand, der diese Zusammenhänge unterrichtet oder selber gerade lernt, schüttelt zunehmend den Kopf, wenn das alles über den Haufen geworfen und mit allerhand phonetischem oder graphischem Aufwand zerlegt und verstümmelt wird.

Der Außen-Blick auf die deutsche Sprache ergibt meist ein vernichtendes Urteil. „Die wissen selbst nicht, was sie da zusammenreden, weil sie jeden Zusammenhang mit der Sprachgeschichte verloren haben.“


FRAGE ZWEI:

Wem gehört die Sprache, wer darf sie verändern und wen kann ich verklagen, wenn mein Sprach-Eigentum vernichtet wird?

Die gängigste Theorie über die Sprache ist jene der Schwarmtheorie. Alle zusammen entwickeln was wie auf Wikipedia, das dann mit der Zeit Relevanz erhält oder gelöscht wird. Somit gehört die Sprache jedem, der sie anwendet, und jeder kann sie auch verändern durch individuelle Anwendung.

Zentren der konkreten Genderei als Schwarmbildung sind in Österreich die Unis und der ORF.

An den Unis ist dieses Herabwürdigen der Sprache zu einem bloßen Kampfmittel als Nebenprodukt des Bologna-Prozesses entstanden. Im Bestreben, das Studium zu einem Modulhaufen zu zerschlagen, ist auch die Sprache unter die Räder gekommen. Sie wird nur noch als bloßes Schreibprogramm für akademische Arbeiten denunziert.

Da in Folge die Gymnasiasten akademische Vorarbeiten statt Maturaarbeiten abliefern mussten, ist das ausgehöhlte Setzkastensystem des wissenschaftlichen Arbeitens längst in die Curricula der Schulen eingeflossen.

Der ORF als offizieller Baukasten für Wellness- und Feel-good- Programme hat sich ebendiesen universitären Touch ohne Diskussion umgehängt. Seine Richtlinien sind nicht öffentlich, wie man anhand der aufgetauchten Sideletters gerade wieder einmal feststellen konnte.

Als neulich im öffentlich-rechtlichen ORF die neue „Chief Medical Officer“ vorgestellt wurde, dauerte es nicht lange, bis auch das Gendern dieses amerikanisierten Titels eingefordert wurde.

Zumindest der VKI (Verein für Konsumenteninformation) sollte einmal eine Klage einreichen, um zu erfahren, auf wessen Richtlinien im ORF die Zerstörung der Sprache und des Sprachflusses zurückgeht.


FRAGE DREI:

Wo bleibt die Wissenschaft?

Während man in virologischen Angelegenheiten alles aufbietet, was einmal eine Uni von innen gesehen und Titel-bepflastert wieder verlassen hat, geht draußen die Sprache vor die Hunde und niemanden aus der Wissenschaft regt es auf.

Vermutlich stimmt die abfällige Bemerkung, dass du heutzutage für einen Bachelor-to-Go bloß gendern musst, dann wird die Arbeit angenommen.

Tatsächlich kommt der Gender-Unfug aus den Unis, die offensichtlich nichts mehr zu forschen und lehren haben, weshalb sie sich über die Vernichtung der Sprache hermachen.

Für die Sprache scheint an den Unis niemand zuständig zu sein. Sprachwissenschaftler, Germanisten und andere Phantomforscher zeigen am Beispiel Gender-Unfug, dass sie letztlich nicht den Kriterien der Wissenschaft entsprechen und eher unter der in den Alpen so verbreiteten Esoterik subsumiert werden sollten.

Apropos Esoterik in den Alpen: Wie kaputt dieser Vorgang der Genderei bereits ist, zeigt ein Erlass der Bayrischen Landesregierung, wonach auf allen Schulen, die ihr unterstehen, bei der Benotung des Zöglings kein Schaden entstehen darf, wenn dieser nicht gegendert hat. Es gilt die geregelte Rechtschreibung und sonst nichts, soll der Ministerpräsident sogar gesagt haben.


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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Marcel Looser

    Was mich wütend macht, ist die Arroganz der Szene (primär in Fernsehen, in der Presse und an den Universitäten), mit welcher die eigene Position ausgenutzt und der restlichen Bevölkerung die eigene Sicht aufgezwungen wird.
    Da wird einem Interviewten (China-Kenner Hans Boller, NZZ vom 14.02.2022) das Gendern in den Mund gelegt (durch den Journalisten herausgehobener Text: «… Viele meiner Arbeitskollegen und Freundinnen sahen ihr Land als ebenbürtig mit den USA …»), während in den Originalaussagen von Boller nirgends gegendert wird. Boller redet von Politikern, von Investoren usw.
    Das «generische Femininum» (von den Gender-Leuten erfunden!) taucht immer häufiger auf: Da heisst ein SRF-Titel (09.11.2021) hemmungslos «Was Erfinderinnen bei Patenten durch den Kopf geht», obwohl im ganzen Artikel danach keine einzige Frau vorkommt.
    Viele Passagen sind an Dummheit kaum zu überbieten. Im ORF (02.01. 2022) hiess eine Überschrift: «Ärztinnen und Pfleger zurück aus Pension»
    Partizipien (Bewohnende) anstelle von Nomina Agentis (Bewohner) malträrieren unser Sprachgefühl aufs Übelste, so z.B. habe ich in letzter Zeit angetroffen: «Studierendenschaft, Lehrende, Seelsorgende, Sexarbeitende u.v.m.»
    Werden wir in Zukunft auch «Metzgende, Backende, Verkaufende, Schauspielende, Leichenbegrabende, Mordende» zu lesen bekommen?

  2. Karlheinz Töchterle

    Großartig treffend, dennoch leider wohl aussichtslos in Hinblick auf Änderung oder Besserung.

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