Wie viele blöde Sendungen über Tirol und Innsbruck müssen wir uns vom ORF eigentlich noch gefallen lassen?

Das höchste medienpolitische Glück unserer Politiker besteht darin, regelmäßig in „Tirol heute“ vorzukommen und sich zumindest einmal im Jahr österreichweit zu blamieren. Es sei nur an die unvergesslichen Momente erinnert, in denen sich Landesrätin Ingrid Felipe bei Tarek Leitner als Intellektuelle und Landeshauptmann Günther Platter in der ORF-Pressestunde als tatbefreiter Ersatz-Andreas Hofer präsentierten. Nicht zu vergessen aus ferner Vergangenheit die knödelhaften Peinlichkeiten eines Fritz Dinkhausers oder unseres Herzjesukatholiken Andrä Rupprechter. Angesichts einer solch niederschmetternden politischen Selbstdarstellung fällt es nicht weiter auf, wenn unser Land darüber hinaus von volkskulturellen Musikern und Moderatoren repräsentiert wird, bei denen man nicht weiß, ob die Probleme des einen mit dem Alkohol oder des anderen, die richtige Tonhöhe zu treffen, die größeren sind. Und es fällt auch nicht auf, wenn an einem späten Sonntagabend mit „Mein Innsbruck“ (16. 8. 22:19 Uhr, FS 2) eine Sendung aus dem Jahr 2017 wiederholt wird, deren Miserabilität an strafrechtlich bedenkliche Volksverhetzung grenzt.

Den Inhalt der Dokumentation kündigte der ORF in seiner Presseaussendung wie folgt an: „Vier Prominente aus Wissenschaft, Show, Theater und Radio führen durch die Landeshauptstadt, in der sie aufgewachsen sind. Andi Knoll, erfolgreicher Ö3- und Fernsehmoderator, Alice Tumler, multinationale Kultur- und Eventmoderatorin, Helmut Pechlaner, ehemaliger langjähriger Zoodirektor, und Katharina Straßer, Sängerin und Schauspielerin, streifen gemeinsam mit Regisseur Felix Breisach durch das wunderbare Innsbruck ihrer Vergangenheit.“

Ich gestehe ganz offen, dass ich bisher weder von einem Andi Knoll, noch von einer Alice Tumler und schon gar nicht von einer Katharina Straßer etwas gehört habe. Hingegen sehr wohl von Helmut Pechlaner, dessen Verdienste um den Innsbrucker Alpenzoo ebenso unbestritten sind wie die Tatsache, dass er 2007 in Pension ging und somit 2020 über eine doch schon etwas angeschimmelte Prominenz verfügt. Aber immerhin! Weshalb hingegen Knoll, Tumler und Straßer prominent sein sollten, kann nur mit dem endgültigen Wirklichkeitsverlust unserer staatlichen Medien erklärt werden, die in ihrer Blase eitler Selbstberauschung Leute schon deshalb für herausragend halten, weil sie, um Anerkennung hechelnd, über den Bildschirm laufen oder vor einem Mikrofon sitzen dürfen.

Fairerweise sollte auch eingeräumt werden, dass es durchaus ein Fehler sein könnte, von dem genannten Herrn und den beiden Damen noch nie etwas gehört zu haben. Der Verdacht, hier einer Bildungslücke überführt worden zu sein, verflüchtigte sich im Laufe der inkriminierten Sendung jedoch rasch. Prominente nämlich, die es zu Recht sind, weil sie etwas zu sagen bzw. der Menschheit einen Dienst erwiesen haben, unterscheiden sich von den Hohlkörpern der darstellenden Künste dadurch, dass sie als Persönlichkeiten interessant sind, auch wenn man von dem Fach, in dem sie arbeiten, nicht viel versteht. Die Interesselosigkeit hingegen, zu der man sich verurteilt sah, wenn man den banalen Jugenderinnerungen des Trios Knoll, Tumler und Straßer zuhören musste, erreichte geradezu Kant´sche Ausmaße, ohne jemals in Wohlgefallen oder gar in ein Empfinden von Schönheit zu münden. Im Gegenteil. Die hässlichen Schulgebäude mit ihren durch mediale Aufmerksamkeit peinlich aufgegeilten Altlehrern und Altlehrerinnen, die sich plötzlich mit ihren begnadeten Schülern konfrontiert sahen, hätten genauso gut in Grieskirchen oder Peuerbach stehen können. Wie überhaupt die ganze Dokumentation „Mein Innsbruck“ nichts über Innsbruck erzählte. Ja nicht einmal über die persönliche Sicht derer, denen die Stadt mit dem Wort „mein“ zugeeignet wurde. Umso ausgiebiger durfte sich das Publikum dafür am ungepflegten Äußeren des von sich selbst ziemlich eingenommenen Regisseurs Felix Breisach und seiner mangelhaften Adjustierung delektieren. Die journalistische Unbedarftheit, mit der er seine Fragen stellte, ließ irgendwann auch die Frage aufkommen, wie es Leute mit solch minderen Qualifikationen jemals geschafft haben, in den inneren Kreis der geschützten Werkstätte ORF vorzudringen. In konkreten Fall dürfte die Antwort ziemlich einfach lauten: Der Herr Papa hieß Emil Breisach, steirischer Schriftsteller, Kulturmanager und Rundfunk-Intendant. Er wird´s für den Sohnemann schon gerichtet haben.

Aber nicht die kasachische Personalpolitik des ORF soll hier von Interesse sein, sondern wieder einmal die bittere Diagnose, dass Tirol vom Küniglberg aus, wenn nicht gerade Herr Haselsteiner interveniert, wie ein mieses Homeland behandelt wird, dessen Filmszene offensichtlich zu unterentwickelt und dessen Regisseure zu blöd sind, um mit einer Dokumentation über Innsbruck beauftragt zu werden. Da nimmt man schon lieber einen, der vom Land und seiner Landeshauptstadt keine Ahnung hat und billig einen Dreck zusammenschneidet, der schon allein aus touristischen Gründen als Geschäftsstörung, aus patriotischen Gründen hingegen als Beleidigung aufgefasst werden muss.

Und was tun unsere medienpolitisch Verantwortlichen dafür bzw. dagegen? Siehe oben: Sie sind glücklich und machen Männchen bzw. Weibchen, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist, und lassen sich dafür alles gefallen, auch wenn es Ihnen wie vielen anderen, sofern genügend kritische Intelligenz vorhanden ist, bei der medialen Außenwirkung unseres Landes längst den Magen umdreht oder, je nach Charakter, der Blutdruck nach oben schießt.

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karlheinz VEIT

    Großartig Herr Schöpf,
    jeder Satz sitzt wie ein Stachel! Ich habe zwar die „DOKU“ nicht gesehen, aber Ihre Analyse sagt eigentlich schon alles.
    Wir haben uns vor ca. mehr als 12 Jahren ( nach einem Griechenland-Urlaub ) abgewöhnt, die ZIB um 19:30 zu konsumieren. Jetzt seit Corona gabs da einige Ausnahmen, aber dann auch nur minutenlang….!
    Seit nun mehr 7 Jahren kam dann auch noch „TIROL HEUTE“ dazu – es reichte einfach! Die politischen Honigschmierereien der „ORF-Rennweg-Crew“ trug viel dazu bei, diese Sendung zu negieren. Man versäumt gar nichts! Besonders das „Sonntags-Tirol-Heute“ kann man ja nurmehr als „Seitenblicke Tirol“ bezeichnen – es ist zum Kotzen….! Und das Beste – mir geht überhaupt nichts ab. Warum soll ich mir die Nachrichten vom Mittag im Radio, abends noch einmal „im Bild geben“ – dazu sind die ganzen gedroschenen Phrasen, die hier immer als „Informationen“ verkauft werden, geradezu lauwarm und in Zeiten von Webseiten meistens ja überholt und nicht aktuell !
    Ich sehe ganz gerne die „arte-Nachrichten“ und die genügen uns voll als Tagesinfos ….!
    MfG

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