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Stephan Eibel
Paliano - Neapel
Zwei Gedichte

paliano

und wenn es genug
geregnet hat
dann hört es wieder auf

hör ich meine mutti
singen – als vierjähriger
hab ich gefragt:

wann ist das?
und sie fing von
vorn zu singen an

und ich fragte
wieder und wieder
wann ist das?

platschnass hör ich sie heut
mittag in paliano und seh
sie eine wäsche falten


neapel

steil hinauf, steil hinunter
selten, sehr selten eben

in engen gassen zischen
motorroller vorbei

eine unbedachte
bewegung

wenn du glück hast
hörst du die sirene

der ambulanz näher
und näher kommen

am ersten Tag
staunst du noch

am dritten Tag
fragst du

wissen sie
was sie tun?

am fünften
verstehst du

die armut ist groß
ein leben billig

sogar meine lust
ist anstrengend
und kurz

Stephan Eibel

Stephan Eibel wurde 1953 in Eisenerz in der Steiermark geboren und lebt seit 1979 als freier Schriftsteller in Wien. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und studierte Soziologie. Zuerst arbeitete er als Lohnverrechner, ab 1976 war er als Leiter der Autorensendereihe „Literatur im Untergrund“ für den niederösterreichischen Rundfunk tätig. Er ist Autor von Lyrik, Erzählungen, Romanen und Theaterstücken, zuletzt erschienen: Sofort verhaften! (Roman, 2008) und Licht aus! (Lyrik, 2012).

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