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schoepfblog-Fortsetzungsroman
"Alma oder Wie ich lernte, die Liebe zu verstehen"
von Bettina König
als Buch erschienen.
Besprechung von Helmuth Schönauer

Eine ironische Anspielung auf den Kubrick-Film Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964) liegt in der Luft, also ob die Liebe etwas gefährlich Abschreckendes wäre wie die Atombombe im Kalten Krieg.

Bettina Maria König entschärft diese Vorstellung mit einer Hinwendung an alle, die noch an die große Liebe glauben. Und die Ich-Erzählerin Alma erzählt vor allem romantisch-skurrile Begebenheiten mit Männern, die ein wenig an dem magischen Monster Liebe zu kratzen wagen, es aber dann doch nicht schaffen, mit der Erzählerin eine beglückende Beziehung auf die Beine zu stellen.

Ein Roman über die Liebe ist eben dazu da, die Lesenden glücklich zu machen und nicht die Heldin. Und dieses Lese-Glück tritt ein a) als Liebesgeschichte, b) als ironische Selbstreflexion, c) als angewandte Weltliteratur vom Schlage einer Jane Austen (1775-1817).

Bettina König | Alma oder wie ich lernte die Liebe zu verstehen.
Der Plot ist aufgebaut wie ein Fortsetzungsroman klassischen Stils, in regelmäßigen Abständen ist etwas Themenrelevantes los. Für Alma geht es dabei um ihre Studienzeit, die neben einem Doktorat schließlich auch die Befreiung von angelesenen Glücksmustern mit sich bringt.

Alma kommt aus der Tiefstprovinz in die Halbprovinz Innsbruck, ihre Freundin Bea begleitet sie durch den Männerkosmos in den Fächern Korrektur und Experiment. Mal ist sie schneller, wenn sie etwa Kind und Ehe ins Auge fasst, mal wieder bodenständiger, wenn sich Alma zu sehr aus dem Fenster der Illusion lehnt.

Im studentischen Milieu kommen vor allem verwöhnte, finanziell gut ausgestattete Lover in Frage, denn die erste Faustregel für die Liebe lautet, dass das Materielle, trotz aller Romantik, eine Rolle spielen darf. Die Heldin absolviert ein Dutzend Begegnungen. In der Buchmitte ist sie zweiundzwanzig, am Ende fünfundzwanzig. 

Es handelt sich um frühreife Beziehungen, wie man vom gepflegten Altersstandpunkt aus erkennen kann. Mit der Zeit kommt es sogar zu einer Ehe in Wien, was aber im Sog von Anbahnen, Parlieren, Aussitzen, Zusammenkauern, Sex und Fun nicht besonders auffällt. Am Schluss folgt jedenfalls die Scheidung und ein promptes Beziehungsangebot 2.0, das Alma ausschlägt, weil sie sich für die Freiheit entscheidet, womit auch der Roman seinen Endpunkt findet.

Die Episoden zeigen beispielhaft einige Gründe auf, warum es nicht zur großen Liebe kommen kann.
– Die Wohnung ist wichtiger als die Geliebte.
– Der Mann arbeitet an zwei Geliebten gleichzeitig und vertut sich im Terminkalender.
– Der Mann versucht eine Liebesbeteuerung im Tiroler Dialekt, was ihn für höhere Weihen diskreditiert.
– Die Frau ist so schön, dass der Mann keinen Zugang zu ihr wagt.
– Der Mann versäumt den Peak der Erregung und verlässt die Geliebte zur Unzeit.
– Die Frau ertappt sich dabei, eine angelesene Situation zu inszenieren.
– Der Lover sieht in der schönen Frau das Ebenbild seiner Mutter und wird impotent.
– Mann und Frau versuchen ins Intime zu kommen, indem sie heiraten.
– Der Mann spaltet sein Frauenbild auf in die schöne Ehefrau und die hässliche Sekretärin, sodass am Schluss alle gleich frustriert sind.
– Eine Frau will ihrer Freundin nacheifern, indem sie ihre Ehe nachspielt.

Die Episoden, so sehr sie auch voneinander abweichen, lassen die Beteiligten alle am gleichen Syndrom scheitern. Die Heldinnen und Helden sind Opfer von angelesenen Bildern, die zerplatzen, sobald es zur Sache geht.

Da die Figuren meist mit einem akademisch intellektuellen Hintergrund ausgestattet sind, hilft auch die Reflexion der Sachlage selten weiter. Frech fällt einem dazu das Sprichwort ein: Liebe macht dumm, nur Dumme können Liebe!

Die Erzählerin Alma jedoch bleibt ihrer Selbstinszenierung treu. Sie weiß, dass sie schön und begehrt ist. Zuletzt hat sie alles Provinzielle wegtrainiert. Sie hat ein Doktorat über die wundersame Schriftstellerin Jane Austen erworben und neben dem Studium zäh und unverdrossen jenen Roman geschrieben, den sie jetzt publizieren will, nachdem ihre Feldversuche abgeschlossen sind.

Und tatsächlich, nach der Scheidung und der Rückkehr in die Freiheit, erreicht die Heldin das erlösende Schreiben vom Verlag: Plötzlich wird die große Liebe Wirklichkeit, denn der Roman wird publiziert!

Hinter dieser doppelten Realität zwischen literarischem Gefühl und Gefühl in Realtime steckt eine subtile Theorie, wie man mit dem Monster Liebe doch noch zurechtkommen könnte.
Du darfst die Liebe nie beim Namen nennen, du musst sie als solche über dich kommen lassen, wenn du zur rechten Zeit am rechten Ort bist. 

Aus diesem Grund ist der Roman in 26 Episoden inszeniert, fein säuberlich jeweils mit einer Regieanweisung überschrieben, die eine Szene aus Film, Literatur oder Kunst zitiert. Frühstück bei Tiffany etwa, oder Der Kuss im Brautkleid. Jede Inszenierung ist ein Mosaikstein für das große romantische Bild, das sich eines Tages über das Firmament der Lektüre spannen wird. Bis dorthin endet jeder Tag wie im Roman: Ich atmete die frische Nachtluft ein. Sie roch nach Freiheit.

Bettina Maria König stellt mit Alma eine raffinierte Liebesgeschichte vor, die zeigt, wie Romantik zumindest als Lektüre im TikTok-Zeitalter gelingen könnte: Indem man romantische Bilder evoziert und sich ironisch daran erfreut.

Bettina Maria König: Alma oder Wie ich lernte, die Liebe zu verstehen. Roman. Für alle, die noch an die große Liebe glauben. Amazon Fulfillment 2024. 121 Seiten. EUR 13,-. ISBN: 979-8328740258. Bettina Maria König, geb. im Außerfern, lebt in Bozen und Innsbruck.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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