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Regina Hilber
Wo bleibt mein Sekretär?
Aus aktuellem Anlass:
Wo sind die Frauen-Stimmen im schoepfblog?

Aus der Mode gekommen wäre falsch definiert, eher ist das Attribut altmodisch hier zutreffender: Gerade wurde ich am Telefon als sekretärinnenhaft verunglimpft. Misogyn ist diese Begriffsfeststellung auch! Oder fühlt sich jemand von euch männlichen Kollegen und Freunden da draußen angesprochen, wenn er als sekretärinnenhaft betitelt wird? Wohl kaum. 

Sekretärenhaft oder sekretärhaft: was wäre auf die Männerschaft umgemünzt folgerichtig? Bei sekretärenhaft spießt sich da was bei mir, eher doch sekretärhaft, also Singular. Frau ist ja gleich dermaßen sekretärinnenhaft beladen, dass der Begriff nur dem Plural entsprechend vereigenschaftet wird. Doppelt verunfraut also!

Dabei war ich zum Zeitpunkt des Telefongesprächs, ganz typisch Frau, multitasking in meiner Küche zu Werke. Das Handy, auf Lautsprecher geschaltet, lag auf der Küchenanrichte. Gleichzeitig goss ich die soeben zubereitete Quittenmarmelade (von einem Klischee ins nächste) in zwei sauber ausgespülte Gläser. Nichts soll verschütt gehen. 

Mit dem Kopf die nächsten Textsplitter des gerade zu bearbeitenden Essays imaginär abklopfend, befüllte ich – in diesem Moment als Sekretärin beschimpft – die Marmeladengläser. Sehr sekretärinnenhaft kam ich mir dabei nicht vor, eher mehr Hausfrau. Mehr Klischee geht nicht! Meine Autorinnenvorherrschaft glatt abgesoffen im Glas. Die Schriftstellerin, die Montag mittags nichts anderes zu tun hat als aus 1 Quitte (die goldene Frucht aus Weidling wog mehr als einen Kilo) Marmelade zu kochen. Köchin, Sekretärin – was fehlte da noch? Putzfrau! Bin ich froh, dass ich rein gar nichts geputzt hatte in der Wohnung an jenem Tag, nämlich null Komma nichts. Habe den ganzen Lurch aufgehoben für den Kollegen aus Salzburg, der sich gerne putzend durch meine Wohnung peitschen lässt.

Am anderen Ende der Leitung ausgerechnet ein Künstler, ein Schauspieler. Es ging um eine bevorstehende Leseveranstaltung, zu der wir beide geladen sind. Und plötzlich Peitschenknall: Du bist so sekretärinnenhaft!! Dann schellte auch noch meine Wohnungsglocke, der Briefträger brachte mir ein Poststück herauf, das nicht im Briefkasten Platz hatte. Nur mein langgedienter Briefträger lässt sich noch zu solchen Gefälligkeiten hinreißen. Ein riesengroßes Danke! Auf dem Weg von der Küche in den Vorraum das Handy unter das Kinn geklemmt, mich wieder der Quittenveranstaltung gewidmet: Was meinst du mit sekretärinnenhaft? Was willst du mir sagen? Stehe ich auf der Leitung?

Der Künstler, sehr schräg drauf an diesem Endsommertag… macht nichts, den Finger in den formidablen Quittenmarmeladenrest im Topf tauchen…hatte das Fruchtgelee mit Whiskey (die Flasche hatte genannter Schriftstellerkollege dagelassen) und frischem Ingwer verfeinert. Auf dem Weg zu meinem Arbeitszimmer – wird also doch gearbeitet hier – reiße ich den großen Umschlag auf. Endlich angekommen die neue Ausgabe der Zwischenwelt der Theodor Kramer-Gesellschaft mit meinem Filmessay zu Quentin Tarantinos neuntem Filmwerk. Huch, Kurve gekratzt. Wobei, sind nicht auch Sekretärinnen für das Öffnen der Post zuständig? Herrje!

Vor vier Jahren bereits rief ich immer wieder laut und Hände ringend nach einem – meinem -Sekretär! Als Schriftstellerin verlangt mir nach einem solchen, einem, der mir den ganzen bürokratischen Schreibkram vom Leib hält, der PR macht, Kaffee bringt and so on. Ein warmes Mittagessen wäre auch ganz fein. Bloß, ich sitze hier immer noch ohne Sekretär fest. Höchste Zeit, endlich den Brief aufzusetzen an das Bundesministerium für Unterricht, Kunst, und Kultur Abteilung Literatur (das Ministerium wird alle zwei Jahre umbenannt, nennt sich in der Zwischenzeit schon wieder anders – ich weigere mich hartnäckig den neuen Zusatz Sport hinzuzufügen!), und hochoffiziell schriftlich um einen Sekretär anzusuchen, ja, ein männlicher seiner Zunft soll es sein, bitte ohne Bart, schön glattrasiert, jung darf er sein, wendig, schnell, multitaskingfähig. Dauer des Projekts: auf Lebenszeit. Dienen soll er mir, so wie ich viele Jahre in meinem früheren Leben männlichen Chefs dienen durfte. In ausschließlich männerdominierten technischen Büros, wohlgemerkt! Schauspieler!

Dazu mein Filmtipp: The Assistant unter der Regie von Kitty Green. Mit The Assistant ist im Film selbstverständlich eine weibliche Assistentin, sprich Sekretärin gemeint. Voriges Jahr angelaufen in den Kinos als Anlehnung an die #MeToo-Debatte. Ja, ein weiteres Mal geht es um Machtmissbrauch sowie um sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz, Harvey Weinstein durfte (verdeckt) als Negativbeispiel dienen. Wer sich dem Thema lieber zu Hause widmet, dem seien hier folgende aktuelle TV-Serien ans Herz gelegt: The Morning Show mit Jennifer Aniston und Reese Whiterspoon in den Hauptrollen sowie The Loudest Voice mit Russell Crowe, Naomi Watts und Sienna Miller ebenfalls starbesetzt. Letztere Geschichte rund um die Machenschaften des ehemaligen Fox News Co-Begründers Roger Ailes lief diesen Sommer auch als Film in den Kinos: Bombshell unter der Regie von Jay Roach. Hier erfährt die Starbesetzung mit Nicole Kidman und Charlize Theron eine weitere Steigerung.

Ganz by the way: eine Sekretärin nennt sich seit geraumer Zeit schon Assistentin, du Schauspieler!
In diesem Sinne, wohl bekomms den immergleichen alternden Misogynisten da draußen! Ich genieße derweil mein Frausein in vollen Zügen, bin ganz in Liebe. Ja, das andere Geschlecht kann großartig sein!

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Regina Hilber

Regina Hilber, geb. 1970, lebt als freie Autorin in Wien, schreibt Essays, Erzählungen sowie Lyrik. Sie ist auch als Publizistin und Herausgeberin tätig. Zuletzt erschienen ihre gesellschaftskritischen Essays in Lettre International, Literatur und Kritik und in der Zwischenwelt. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, ihre lyrischen Zyklen in mehrere Sprachen übersetzt. Zahlreiche Einladungen zu internationalen Poesiefestivals und geladenen Schreibaufenthalten in ganz Europa. 2017 war sie Burgschreiberin in Beeskow/Brandenburg. Buchpublikationen zuletzt: Palas (Edition Art Science, 2018) und Landaufnahmen (Limbus Verlag, 2016). 2018 gab sie die zweisprachige Anthologie Armenische Lyrik der Gegenwart — Von Jerewan nach Tsaghkadzor (Edition Art Science) heraus.

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