Norbert Hölzl: Innsbrucks verpfuschte Jahrhundertchance Maximilian: Steuermillionen und kein bisschen internationaler Glanz
Das missglückte Jubiläumsjahr 2019 begann nicht 2019, sondern schon im Dezember 2018. Es gab die unterkühlte open- air Lasershow im Hof der Hofburg. Die Macher und Verdiener an dieser Show überschlugen sich mit Selbstlob. Das Presseecho fasste Walter Klier in der TT zusammen: Es war „für die Fisch“. Im ORF versuchte ich es mit einer milderen Formulierung. Ich zitierte Goethes Teufelsworte, die sich bestens für das Maximilianjahr eignen: „Ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan.“ Dr. Fritz Kraft, langjähriger und zu früh pensionierter Tourismusdirektor, sagte in einem Interview zur Show: „Weit entfernt von einer Hommage an Maximilian… eher ein müdes „Son et lumiere“. Schade – da hätte man sicher viel mehr daraus machen können“.
Erst nachträglich sickerte durch, warum Innsbruck schon 2018 losfeierte. Die Kosten für die Show von über 400.000 Euro sollten nicht allzu sehr ins Auge der Öffentlichkeit stechen. Daher teilte Innsbruck-Tourismus das Budget in zwei Portionen für 2018 und 2019.
Womit wir beim Geld sind und damit beim Hauptübel des Jubiläums. Ich bat LH Platter schon im Juni 2016, für Maximilian 2019 möglichst wenig Geld auszugeben, dafür das Großartige ins Bewusstsein zu rücken, das Tirol bisher peinlich vernachlässigt hatte. Platter war Feuer und Flamme. Aber das Feuer haben die üblichen Subventionsexperten rasch erstickt.
Im ORF-Film über Maximilians Kaisermonument in der Hofkirche 2002 brachte es der damalige Planungsstadtrat Dr. Gschnitzer auf den Punkt: „Das Monument erschlägt die Kirche und die Kirche erschlägt das Monument. Es müsste entrümpelt werden“. Natürlich wurde 2019 nichts entrümpelt. Das wäre ja viel zu billig gewesen. Dieses größte Kaisermonument Europas – es ist zugleich das internationalste Herrschermonument der Welt – verstaubte weiter im Dunkeln. Wie man an historischen Orten mit einer Lichtershow die Massen begeistert, erlebt man bei den Pharaonengräber in Kairo und den Tempeln von Luxor, aber doch nicht in Innsbruck.
Nur in der 5. Auflage meiner „1000 Jahre Tirol“ 2007 schrieb ich: „Holt Julius Cäsar und Andre Heller!“ Dann strich ich es, denn solche Vorschläge sind für die Fisch. Heller zeigte in Wattens, wie man effektvoll präsentiert, und Kaiser Max wollte den Cäsar bei sich, um dem Papst klar zu machen: Mein Kaisertum ist älter als dein Papsttum! Im Jahre 1968, zum 50. Jubiläum, schenkte die Republik das größte Kunstwerk des Landes dem Land Tirol. Und was machte Tirol als erstes? Es räumte die Büsten der römischen Cäsaren aus der Hofkirche und stellte sie wie Marmeladegläser auf ein Regal im Schloss Ambras. Vermutlich fühlte sich irgendeine Betschwester gestört, wenn ihr beim Rosenkranz Heidenkaiser wie Cäsar, Nero oder Marc Aurel über die Schulter blicken. Die Wiederherstellung dieser internationalen Dimension haben Landespolitiker x-mal versprochen und nie gehalten.
Weder die Stadt noch das Land hatten für 2019 ein Konzept, aber sie hatten 5 Millionen. Darauf stürzte sich die übliche Meute der Subventionsjäger. Und mit dem Millionenkuchen kam das, was kommen musste. Es kamen weder Julius Cäsar noch Andre Heller, aber eine ambitionierte Stadtführerin. Sie schuf in der Hofburg eine Maximilian-Mini-Ausstellung und klagte: Es ist so schwer, man kriegt keine Originale, denn es gibt heuer schon vier Maximilianausstellungen Wie kann man da eine fünfte Ausstellung mit Kopien machen, wenn man in der Hofkirche ein weltweit einzigartiges Kaisermonument besitzt? Der Hintergrund ist noch schlimmer.
Innsbruck hatte rund um Maximilian schon zwei Ausstellungen von Weltrang. Erich Eggs Ausstellung im Zeughaus zum 450. Jubiläum 1969 verblüffte mit Prunkstücken, von denen Innsbruck heute nicht einmal träumen darf. Der Tower in London schickte jenen berühmten Groteskhelm, den Maximilian seinem Freund König Heinrich VIII. von England schenkte, ein weltweit einzigartiges Stück von Seusenhofer aus Innsbruck. Heute wirbt dieser Helm für die englische Harnischsammlung. Und 1992 anlässlich 500 Jahre Entdeckung Amerikas kam neuerlich Glanz mit der Doppelausstellung Innsbuck-Toledo „Hispania- Austria“.
Um Vergleichbares zu schaffen, würden die 5 Millionen gerade ausreichen, die Versicherungssummen für die Leihgaben zu berappen. So oder so, es ist ein Dilettantenbudget: für Weltrang zu wenig, für eine Provinzaktion zu viel.
Ein vorletzter Schildbürgerstreich machte alles noch provinzieller: Da hat man in der Hofkirche 29 jeweils 3 Tonnen schwere Herrscherfiguren mit der dämlichen Bezeichnung „Schwarze Mander“, bei denen sich die Leute bis heute nicht auskennen, denn sie sind weder schwarz noch lauter Mander. Da kam eine Königs- oder Schnapsidee: Lassen wir doch den Doyen der Tiroler Bildhauer eine 30. Figur im alten Stil gießen, auch wenn sie niemand braucht und sie nichts wert ist im Vergleich zu den Prunkstücken, die ein halbes Jahrtausend alt sind. Und so goss der 85jährige Rudi Wach in Mailand mit viel Bronze einen zweiten oder eigentlich dritten Maximilian. Der tonnenschwere Kerl kam zwar nicht rechtzeitig in die Huschi-Wuschi-Ausstellung in die Hofburg, aber der verspätete Spaß kostete ja nur 50.000 Euro. Eine Gießerei in Innsbruck protestierte: Das hätten wir auch hier gießen können. Warum gab es keine Ausschreibung? Die Antwort war wenigstens ehrlich: Für Kleinigkeiten unter 100.000 braucht es keine Ausschreibung. So etwas macht man im Freundeskreis aus. Vorher hatten sich junge Künstler beschwert. Alle waren chancenlos, denn sie lagen unter 100.000. Und so floss das österreichische Steuergeld ins Ausland und die heimischen Firmen schauten durch die Finger. Alles supersauber und legal.
Dann kam als weitere Nascherei am Subventionskuchen eine Serie von neuen Max-Büchern, mehr oder weniger gut abgeschrieben vom fünfbändigen Monumentalwerk Hermann Wiesfleckers und dem prächtigen Buch „Maximilian und Tirol“. Hier hatte Erich Egg 1969 faszinierend neues Material vorgelegt. Und keiner der historischen Selbstdarsteller kam auf die naheliegende Idee, das Werk des Erich Egg zu erweitern, falls Neues entdeckt worden war, und dieses Standardwerk neu herauszugeben. Aber etwas so Naheliegendes , Billiges und Bescheidenes widersprach offenbar allen Subventionsgrundsätzen, wenn 5 Millionen glänzen.
Zum Abschluss kam dann doch noch eine Weltstadt. New York. Und es kam nicht nur ein Vöglein geflogen. Da platzte sogar dem Ex-Kulturamtschef Dr. Walter Frenzel der Kragen, obwohl er nicht für revolutionäre Auftritte bekannt ist. Sein Leserbrief in der TT am 9.10.2019 bescherte den Höhepunkt an Kritik: „Total tote Hose… mit unzähligen Pseudoaktivitäten… aber nichts davon wird nachhaltig wirken“. Dann wagte es der „langgediente Beamte“ loszupoltern gegen die zwei größten Tiroler Kulturpolitikerinnen der Gegenwart, Palfrader und Uschi Schwarzl, „deren Kulturverständnis zu hinterfragen wäre“. Sie gönnten sich in einem „Flieger voll mit Polit- und sonstigen „Promis“ auf Steuerkosten eine Bildungsreise nach New York. Schließlich waren dort einige Originalreliefs vom Goldenen Dachl ausgestellt, die man bei uns täglich im Museum sehen kann. Am Altstadt-Dachl sind nur Kopien.
Der Normalverbraucher hat sich längst daran gewöhnt, dass Politiker und Museumsgewaltige intelligente Dienstreisen lieben. Weniger intelligent war allerdings, dass keiner der „Promis“ den Amerikanern erklärte, was das „Dachl“ mit Amerika zu tun hat: Der Kaiser nannte sich „Dominus totius mundi“, Herr der ganzen Welt. Im Jahr der „Neuzeit“ 1500 war er überzeugt, die Welt nach der Entdeckung von Goldländern in ein Goldenes Zeitalter zu führen. Sein Symbol dafür war das damals einzige Golddach Europas. Dafür verhöhnte der Papst den Kaiser als Narren. Doch noch zu Maximilians Lebzeiten herrschte der Nachfolger des „Narren“ tatsächlich über die Goldländer der Neuen Welt. Dieses „Golden roof“ wäre Tirol-Werbung pur gewesen. Frenzel hat doch Recht: Aus Uschis Flieger kam für Amerika nur „tote Hose“.
Norbert HÖLZL, Prof. Dr., ehemaliger Referatsleiter im ORF, Radio- und TV-Autor, TV-Regisseur und Buchautor.