Markus Fenner
Vier Gedichte

Neulich, im Wetterstein

Kahl steht der Baum, hart am äußersten Abbruch,
Dort, wo das Wetterstein senkrecht zu Tal stürzt.
Wildschön der Platz, so recht zu Königen passend,
Aber doch nicht zu zweibein´gem Kroppzeug wie mich,
der um den Felsen herumbiegt, schnaufend und plump!
Scheel fällt der goldäugige Blick auf den Störer.

Klar, ich bin baff, doch Majestät auf dem Baum
fährt gar nicht amused die Flügel nun aus
Und das wär allein schon ganz großes Kino!
Doch jetzt erfolgt der durchlauchtigste Abflug:

Feierlich rauschend bei fast reglosen Schwingen
(hektisches Flattern geziemt nur dem Pöbel),
Wie auf gläserner Schiene durch den flimmernden Äther,
Traumartig quer übers Tal, das nun wahrlich nicht schmal ist…

Schnell wird er klein und verschmilzt mit dem Drüben,
irgendwo dort im Gewänd des Karwendels.
Und hat mal eben das Gebirge gewechselt,
bevor ich nur „Gack“, vielleicht sogar „Sorry“
geschweige denn „Stör ich?“ hab stottern können…

… oder wie man sich eben bei Adlern entschuldigt.


Aprés Ski

Die Sonne strählt den Strahlenbart
sich mit dem weißen Kamm der Berge.
Schon werden Schatten blau und hart
und sie sackt weg, ins Land der Zwerge.

Der Lift am Hang wirkt deprimiert
als ob´s ihn an den Gondeln friert.
Ich hör die Pistenraupen brummen
und aus dem Bad dein leises Summen.

Vorm Fenster gehn die Lichter an.
Und aus der Badtür schlüpft, mit Turban
und unterm Frottée weich und schier,
ein schimmernd rosa Muscheltier.

Und so sinkt Stille in das Tal.
Nur wir, trotz skifahrmüder Glieder
singen piano, und doch mit Pedal
´nen neuen Vers ins Buch der Lieder.

Im goldnem Dämmern danach gasen,
in Perlenform wie Sprudelblasen,
so kleine Fragen, die in faulem
Zickzack durch süßes Mattsein kraulen:

„Warum im neuen Zimmer – immer?
Warum bei uns, kaum eingecheckt
in ein Hotel, der Wunsch sich reckt,
gleich mal das Beste auszupacken?“
Ich kenne doch den Grund
hab ihn bloß… momentan… vergess-

„He! Nicht pennen, Liebster. Zeit zum Abendessen“


Ruf der Taube

Sag mal, hörst du auch die Taube?
Horch, sie ruft „Ruckediguuh“
Klar, du hörst nichts, doch ich glaube
ich hab wieder Blut im Schuh –
rotgetränkt die teuren Socken
in dem Schuh, so gut wie neu.
Wo ich geh, auf glatten Pfaden
nehmen Schuhe keinen Schaden
denn die Steine trägt man innen.

Immer, wenn das Vieh so gurrt
fühl ich leise was zerrinnen
das sonst eisern festgezurrt…

Liebste, lass uns neu beginnen
werden wir Cafe-Besitzer!
Ein Lokal in guter Lage
und ich weiß schon seinen Namen
es heißt „Heute Ruhetage“
Mensch, wir hängen an der Theke
trinken Assamtea for Two
brüten über Zettels Träumen
oder feiern Halma-Feste
lutschen laut an Schokosternen
kichern still, wenn draußen Gäste
maulend wieder sich entfernen.

Weißt du, manchmal bin ich müde
dass kein Schlaf es wieder heilt
„Ruck’diguuh“ der Vogel schreit…

Liebste, es ist an der Zeit
unsre ach so schöne Wohnung
sag doch selbst, sie wird zur Last.
Komm, wir ziehen raus ins Grüne
waldrandnah, beim dritten Ast
einer grüblerischen Buche
ist ein Zimmer, rindenrund
Schlaf bei mir in Zündholzschachteln
auf den Kissen rotkariert
Da, wir schmausen noch ein Nüsschen
horchen, was sich draußen rührt
werden schläfrig vom Geniesel
gähnen rosa und ein bisschen
haben wir Angst vorm bösen Wiesel.

Meinst du, dass die Socken reichen?
Ich muss los, der Flieger geht
Diese Woche wird entscheidend
Ja, schon gut, das ist nichts Neues
Glaub an mich, tu du’s für mich
einer sollte an mich glauben

Ach, und hörst du mal ’ne Taube
wenn sie ruft „Ruckediguuh“
sag dem Vieh, mit etwas Glück
ruf ich irgendwann zurück.


Ende der Zeiten

Ach Gott ja, die Vergangenheit
ich schwärmte echt für sie,
wie gerne sah ich was vergehn!
Es ist ja schön, wenn was geschieht
doch schöner wird´s, wenn es geschehn
und wenn man es entschwinden sieht
mit diesem leisen Ziehn im Innern –
wir leben, um uns zu erinnern!

Ach, Zukunft, mein Gott ja, die Zukunft
sie war mir Lebenselixier!
Wie liebte ich die Möglichkeit,
die immer neu sie mir kreierte,
auch wenn in platter Wirklichkeit
das Mögliche dann bald krepierte.

Ach, Zukunft war mein Elixier
Vergangenheit mein Kuscheltier!
Gleich lieb waren sie mir!
Nur eines konnt´ sie mir verleiden
die Stelle, wo sich beide schneiden,
die sogenannte Gegenwart.
Weil die nun mal empfindlich stört
hab immer schnell ich sie durchquert.

Ach Gott, vom Gestern husch ins Morgen
und husch zurück, leicht und bequem –
so wurd ich älter, ohne Sorgen
und blickte lang nicht das Problem:
Vergangenheit wird umso mehr
als Zukunft desto weniger!
Und ratet mal, wo man dann ist
wenn Gestern ganz das Morgen frißt!

Haha, das Gras, in das man beißt…
Ach Gott, wenn´s bloß so harmlos wär!
Ja, seht Ihr nicht, was Totsein heißt?
Der Tod ist doch – ich sag´s ganz hart
und gebe zu, ich bin entsetzt –
der Tod ist nackte Gegenwart
im grauenvollen
vollen
Jetzt

Markus Fenner

Markus Fenner stammt aus München, begann als freier Schriftsteller, brach mit der Literatur, wurde TV-Redakteur, später Drehbuch-Autor, lebt heute als Dorfschriftsteller am bayerischen Alpenrand: Erzählungen, regionale Theaterstücke, stellenweise Lyrik. Weitere Informationen: http://www.markus-fenner.de/

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. dr.eibel

    Ende der Zeiten: ein außergewöhnliches gedicht, locker, flockig, leicht, tief, gscheit, DANKE Markus Fenner

Schreibe einen Kommentar