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Helmuth Schönauer
Men in Blackout
Stichpunkt


1.

Der Kaiser nimmt bei Sonnenschein das Defilee ab, gegen die tiefstehende Sonne schützt ihn die Schirmmütze, weil er ja keine Sonnenbrille tragen darf wegen Verwechslungsgefahr.

Der Kaiser besucht ein paar Einrichtungen und lässt den schönen Kommentar ab, es habe ihn sehr gefreut.

Der Kaiser sitzt in seiner Kur-Residenz und lässt sich die Kriegserklärung zur Unterschrift vorlegen: An meine Völker!


2.

Dieses Bild von Amtsführung pflegen so gut wie alle Landeshauptleute, aber auch im wählenden Volk sitzt der Habitus des Schönwetterschamanen tief im Kugelschreiber, wenn sie in der Wahlkoje jenes Kästchen ankreuzen, das den schönsten Auftritt verspricht.

Eben hat man in Oberösterreich alle Wissenschaft in den Wind geblasen, um einen Landeshauptmann für schöne Auftritte zu wählen.


3.

Um die Zeit von Faschingsbeginn herum wird am Patscherkofel ein Strom-Blackout geübt. „Aber ganz Tirol soll am Strom bleiben. Nur im Übungsgebiet wird abgedreht.“

Diese Warnung des Landesstudios ist notwendig, weil das Volk seit Tschernobyl auf Nadeln sitzt, wenn irgendwo ein Blackout geübt wird. Denn auch damals im sowjetisch-ukrainischen Kernkraftwerk ist ja vorerst nur geübt worden, ehe die überforderten Technik-Spieler den Super-GAU ausgelöst haben.

Bei dem Vertrauen, das die Bevölkerung mittlerweile in die Intelligenz der Tiroler Landesführung hat, bleibt es durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen, dass diese aus der Übung heraus den ganzen Kontinent in Finsternis versenkt.


4.

Die Übung stellt sich bei der Pressekonferenz als Parade für den neuen Bundeskanzler heraus, die dieser dankend abnickt. Für die Presse und das Volk gibt es schöne Bilder zu sehen, worin Helikopter Schifahrer aus einer stromlosen Gondel bergen.

Die Botschaft ist klar wie die Landesführung: Wenn Strom ausfällt, macht man eine Gondelbergung, und das Leben (= Skifahren) kann anderntags weitergehen. Dass bei einem Stromausfall alles bis zum Handy am Ohr weg ist, keine Tür mehr aufgeht, keine Tankstelle mehr funktioniert und vor allem die Weihnachtsbeleuchtung dunkel bleibt und somit den Handel lahmlegt, wird nicht geübt.

Gottseidank, könnte man sagen, sonst wäre das alles wirklich lahmgelegt für Wochen.


5.

Der Bundeskanzler ist von der schönen Gondelbergung so aphrodisiert, dass er einen schweren Fehler macht. Er verknüpft eine geübte Katastrophe mit einer echten und verkündet einen österreichweiten Lockdown.

Die zur Übung angetretene Presse und beigezogene Kommunikationswissenschaftler sind entsetzt: „Übung und Echt in einer Veranstaltung geht gar nicht!“


6.

Damit sind wir wieder beim Kaiser, der ebenfalls nie zwischen Parade und Weltkrieg unterschieden hat. Er setzte einfach das Kaisertum als etwas Selbsterklärendes voraus. So wie es die gegenwärtigen Landeshauptleute tun.


7.

Im Film „Men in Black“ packen die zwei schwarzgekleideten Agenten jeweils einen Wunderkugelschreiber aus und setzen ihn den Klienten vor die Nase, worauf diese sofort alles vergessen.

In der Realität liegt dieser Kugelschreiber in der Wahlkoje, wer ihn verwendet, vergisst alles, wenn er was ankreuzt.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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