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Hannes Hofinger
H. ist tot!
Ein Nachruf
anlässlich des Karfreitags

Du hast ein Jahr vor mir maturiert, nämlich 1967. Wir haben dieselbe Erziehung über uns ergehen lassen. Strengkatholisches Internat.

Bei dir haben sie es fast geschafft. Zwar hast du nicht das hehre Ziel des erzbischöflichen Privatgymnasiums erreicht, nämlich Priester heranzuziehen. Aber Religionslehrer ist ja auch nicht Nichts. Das zählt schon irgendwie als Ausbildungserfolg.

Und jetzt bist du tot. Und mir gehen seit dem Tag, als ich in der Zeitung von deinem Ableben las, ganz wirre Gedanken durch den Kopf. Gestern sagte ich zu meiner Frau: Jetzt wird er aber ganz schön blöd aus der Wäsche schauen.

Und dieses Bild eines blöd aus der Wäsche schauenden Schulkameraden verfolgt mich seither.

Mal angenommen, es gibt tatsächlich so etwas wie ein Weiterexistieren nach dem Tod, dann bist du jetzt entweder ganz schön sauer oder unvorstellbar glücklich.

Sauer, weil du deine letzten 78 Jahre beinahe ausschließlich einem Wesen unterworfen hast, dessen Existenz du nur erhoffen, aber nie erwarten konntest. Du hast die letzten Jahrzehnte damit verbracht, jungen Leuten Religion beizubringen. Wie konntest du nur? 

Ich kannte dich als intelligenten Menschen und ich kann mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass du bis zuletzt den Schwachsinn selber noch glauben konntest, den du den Jugendlichen eintrichtern solltest. 

Aber was hättest du für eine Alternative gehabt? Keine. Zumindest keine einfache. Du hättest deinen Beruf aufgeben müssen, du wärest arbeitslos geworden, du hättest dein Renommee als angesehener Gymnasialprofessor verloren, dein Leben wäre nicht mehr das, welches es die letzten Jahre war. Da ist es doch viel vernünftiger, so weiterzumachen wie bisher.

Und dann das! Jetzt stellst du fest, dass das alles Unsinn war, was du vermittelt hattest. Nix da Paradies und nichts mit dem Thron zur Rechten des Herrn. Da ist niemand. Du bist ganz allein. Und, würdest du an Wiedergeburt glauben, du müsstest umgehend wieder auf diese Kugel zurück kommen, um alles, alles anders zu machen in einem weiteren Versuch im ewigen Kreislauf. Der letzte Durchgang war wohl nichts. 

Aber man lernt bekanntlich aus Fehlern.

Oder: Unvorstellbar glücklich! Wenn du nun doch recht hattest? Und du bist umzingelt von jubilierenden Engeln? Jesus persönlich klopft dir auf die Schulter Gut gemacht, lieber Freund!

Ich kann das nicht glauben. Falls es einen Gott gibt, dann war es wohl er, der uns den Verstand gegeben hat. Und wenn er dies getan hat, dann wäre es doch völlig hirnrissig, alles, das du deinen Jugendlichen erzählt hast, tatsächlich zu glauben. Dies würde dem irren Ausspruch Tertullians entsprechen credo, quia absurdum est – Ich glaube es, gerade weil es gegen die Vernunft ist.

Lieber H., ich wünsche dir, dass du recht hattest. Und ich wünsche mir, dass du völlig daneben gelegen bist. Mach´s gut, egal wo du jetzt gerade umgehst.

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Hannes Hofinger

Hannes Hofinger (* 21. Dezember 1947 in St. Johann in Tirol) ist ein österreichischer Schriftsteller, Bibliothekar und Verleger. Hannes Hofinger ist Chronist und Heimatforscher und verlegt vor allem Kleinodien aus der Umgebung von St. Johann in Tirol.

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