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Friedrich Hahn
Dann lass ich’s eben!
Förderansuchen mit Barriere für analoge Fossile
Notizen

Alle wollen es uns leichter machen. Die Banken, die Versicherungen, die Behörden. Nur ja kein Kontakt mehr. Das spart Personal und jede Menge Kosten.

Wenn ich dann meine Bankgeschäfte zuhause am PC erledige, denke ich mir oft: Da sitzt du Stunden am Mac oder am Laptop, machst die Arbeit der Bankangestellten und dann verkaufen und verrechnen sie dir deine Arbeit auch noch als ihren Service.

Oder: Wer kennt das nicht? Sprachcomputer. Dann wählen sie die 1, die 2, die 3…die irgendwas. Oder noch schlimmer: Sagen Sie jetzt Ihre Frage. Meist kommt dann die Antwort: Ich habe Sie nicht verstanden…

Und das Ganze wird einem dann auch noch als Fortschritt in Sachen Barrierefreiheit verkauft. Als hätte man Gehsteigkanten abgeschrägt, Eingänge behindertengerecht umgebaut. Den Kunden, uns Konsumenten, soll der Zugang – wohin auch immer –  erleichtert werden.

Ich komme auf den Punkt: Letzte Woche wollte ich mich beim Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport um ein Arbeitsstipendium für mein neuestes literarisches Projekt bewerben. Ich kenne das Procedere, es ist nicht meine erste Einreichung. Ich drucke also das Exposé, meine Biografie und das Formular aus, fülle dieses aus und schicke den ganzen Papierpacken per Post an die Abteilung 5 des Ministeriums. 

Die Antwort: Einreichungen sind jetzt nur noch online möglich. Dazu ein Link.

Ich probier’s. Einmal, ein zweites Mal. Beim vierten Versuch geb ich auf. Ich schaff es nicht. Auch beim fünften Mal kein besseres Scheitern. Also kein Arbeitsstipendium, keine 1.500 Euro. 

Ich versuch noch eine Ausnahme zu erwirken. Erst bei der Referentin, dann auch beim Abteilungsleiter. Vielleicht könnte dieses eine Mal ausnahmsweise doch noch mein briefliches Ansuchen angenommen werden. Nichts da. Die Antwort: Es wären jetzt die Bestimmungen. Ich solle einen Freund bitten, mir zu helfen. Außerdem sei es nicht so schwer. Es hätte noch jedeR geschafft. 

Na, fein. Wer sollte mir helfen (?), ich kenne keinen PC-Freak. In meinem Alter ist man offenbar ein analoges Fossil. Vom Abteilungsleiter kommt dann auch noch der Hinweis: Es gäbe auch noch eine Helpline. Aha: Man weiß also um die Schwierigkeit. Man weiß um die Klippen. Da hilft auch kein endloses Telefonieren. Ich nenn es betreutes Scheitern. Barriere bleibt Barriere.

Ich überlege noch, ob ich mich in meiner rückMAILdung auf das Barrierefreiheitsgesetz (https://www.wko.at/oe/netzwerke/informationen-barrierefreiheitsgesetz-28-06-2025.pdf ) berufen sollte. Eigentlich sollte es uns ja, auch als PC-User ohne besondere PC-Kenntnisse, mit diesem Gesetz leichter gemacht werden, Barrieren aus dem Weg geräumt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Ich lass das mit dem Ansuchen letztendlich bleiben, muss es sein lassen.
Ich bin Schriftsteller. Und kein IT-Spezialist.

Das war es dann. Ich bin zwar nicht der Dümmste am PC, aber meine Welt ist dann doch eine andere.
Wie sind Eure Erfahrungen (?), fragt

Friedrich Hahn
Österreichs unbekanntester Literatur-Geheimtipp

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Hahn Friedrich

Geboren 1952 im Waldviertel / NÖ, schreibt und veröffentlicht seit 1969. 54 Bücher mit Lyrik, Prosa sowie 20 Arbeiten für den Rundfunk und für die Bühne (zuletzt „im rücken des schattens“, die rampe, Stuttgart 2004). Performances (u. a. im Centre George Pompidou/Paris im Rahmen der Polyphonix), Ausstellungen und Kataloge (u. a. „remakes“: Museum Moderner Kunst/Wien, „unterm strich“: Galerie Eichgraben, „allerhand hahn“: CA-Galerie im TZ). Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung und des Literaturkreises "Podium". Lebt in Wien/Alsergrund. www.literaturhahn.at

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. c. h. huber

    lieber friedrich hahn,
    ich stimme ihnen voll und ganz zu. und mir gings bei einer einreichung ebenso. 2x allerdings hab ichs mit hilfe der angegebenen telefonnummer nach langem hin und her doch geschafft – nervzermürbend für die hilfsbereite dame und mich. doch natürlich hat man mich dann nicht berücksichtigt, es kamen nur junge bewerberInnen zum zug, zufall und die texte besser? daher lass ichs nun, finde mich damit ab, dass es für analog aufgewachsene diese diskriminierung gibt. wie einfach wars doch früher irgendwo mitzutun! und manchmal sogar einen preis oder ähnliches zu bekommen, einfach auf grund der qualität des textes. warum kann man nicht beide einreichungsformen gelten lassen, frage ich mich.

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