Friedrich Hahn:
Wenn der Schurl Gras frisst, regnet‘s morgen.
Zu Bernhard Hütteneggers Erzählung
"Wer seinen Sohn liebt"
Es ist der achte Band, der von Hüttenegger bei KEIPER erschienen ist. Hüttenegger gehörte in den 1980er-Jahren, als er u.a. bei Rowohlt veröffentlichte, zu den Fixgrößen der österreichischen Literatur. Heute ist er ein wenig in Vergessenheit geraten. Umso erfreulicher und verdienstvoller, dass ihn der Grazer Verlag nun schon seit 2017 wieder vor den Vorhang holt.
Hüttenegger erzählt in Wer seinen Sohn liebt von seiner Kindheit in Rottenmann, diesem Fünftausendseelenstädtchen zwischen Graz und Salzburg. Oder besser: Er lässt erzählen, Hüttenegger schlüpft in die Rolle eines neutralen Erzählers. Und spricht von sich erst als Kind, dann als Bub und schließlich als Zögling. Es ist eine typische Coming-of-Age-Geschichte, wie es heute so neumodisch heißt.
Bezugspersonen, die das Kind prägen, sind neben der Mutter und dem Vater, der als Kriegsheimkehrer ein leicht gestörtes Verhältnis zu Zucht und Ordnung hat (Er weiß nicht, was er angestellt hat. Er weiß nicht, warum ihn der Vater schlägt.), der Großvater mit seinem Dackel Schurl, die Großmutter und am Rande auch die Schwestern.
Hüttenegger lässt die 50er-Jahre wieder lebendig werden. Wir begegnen der Wunderwelt und dem Zwerg Bumsti, wir hören Francoise Hardy wieder den Abendwind besingen, und schneiden mit dem Halbwüchsigen aus den Zeitungen Bilder seiner Fußballeridole wie Zeman, Schmied, Szanwald oder Fraydl aus. Wir lesen mit ihm Bocherts Draußen vor der Tür, sein erstes Taschenbuch, schreiben mit ihm die ersten Gedichte und erleben in den Episoden mit Krista seine erste Liebe.
Auffallend ist der schnörkellose Stil, der ein wenig an Einfache Sprache erinnert. Malerisch gesehen, könnte man auch von Pointilismus sprechen. Die kurzen Sätze entbehren nicht einer gewissen Lakonie, die auch manchmal ins Humorvolle umschlägt. So heißt es einmal: Der Organist Bambeck sieht aus wie Franz Schubert. Er riecht nach Quargel.
Dieser angeschlagene Ton bleibt stets faktenbezogen. Es wird nicht gejammert und nicht interpretiert. Es ist, was es ist: Gefühle machen verlegen, deshalb sind große Gesten nicht üblich in der Familie. Auch wenn es sich um den Sex der Eltern handelt, den der Bub eher für ein Raufen ohne Geschimpfe hält, oder wenn es gegen Ende der Erzählung mit dem Vater zu Ende geht: stets bleiben die großen Gefühle wie Trauer, Bestürzung und Verstörung hinter der Sprache verborgen.
Der Sohn ist nicht Lehrer geworden, auch nicht Förster, sondern Schriftsteller. Dieser Satz ist dann auch so eine Art Resümee. Und dies wiederum führt zu den Schlüsselsätzen, mit denen Hüttenegger seine Erzählung vom Erwachsenwerden zu Ende bringt: Er beschließt alles aufzuschreiben. Dann wird er es endgültig losgeworden sein.
Was für uns, die Leserschaft, bleibt, ist ein beeindruckendes Stück Literatur. Und ein gutes Stück Zeitgeschichte.
Bernhard Hüttenegger: Wer seinen Sohn liebt, Erzählung, Verlag Keiper, 140 Seiten, € 22,-
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