Franz Mathis
Grüne Träumereien
Der Tschirganttunnel – eine verpasste Chance
Notizen
Zu den vom Umweltministerium abgelehnten Straßenbauprojekten zählt auch der vom Tiroler Landeshauptmann und vielen anderen befürwortete Straßentunnel durch das Tschirgantmassiv, der vor allem die Bevölkerung entlang der Zufahrtstraßen vom Inntal zum Fernpass entlasten sollte.
Es lohnt sich daher ein Blick in das im November erstellte Gutachten des Ministeriums mit dem etwas sperrigen Titel „Evaluierung des Bauprogrammes der Zukunft in Umsetzung des Regierungsprogramms – Schlussfolgerungen“, in dem die laufenden Straßenbauprojekte neu evaluiert werden. Von den insgesamt 154 Seiten sind neben einer Skizze gerade einmal 4 Seiten dem Tschirganttunnel gewidmet. Die darin vorgebrachten Einwände gegen den Tunnel und für die Nutzung der Bahn als Alternative sind nur schwer bis überhaupt nicht nachzuvollziehen.
Zwar wird zugegeben, dass die Gemeinden auf dem Mieminger Plateau entlastet würden, nicht jedoch das Gurgltal, für das laut Ministerium „die gewünschte Entlastung nur an Wochenenden erreichbar wäre, während es an Werktagen sogar zu einer Verkehrszunahme kommen würde (S. 92)“ – eine Behauptung, die durch keinerlei empirischen Beleg untermauert wird.
Die ebenfalls gegen einen Tunnel ins Treffen geführte Belastung der Umwelt durch die Abgase geht insofern ins Leere, als sie auch durch den bereits bestehenden Verkehr zustande kommt. Außerdem müsste inzwischen bekannt sein, wie man dieses Problem entschärfen kann, sind doch in den letzten Jahren eine Reihe von Tunneln zwischen Tirol und Vorarlberg einschließlich des 14 km langen Arlbergtunnels errichtet worden. Dasselbe gilt für die Problematik des Grundwasserhaushalts, die man in diesen Tunneln offenbar durchaus zu lösen imstande war.
Auch die Finanzierung dieser Tunnel war ohne größere Probleme möglich, weshalb die für den 4,3 km langen Tschirganttunnel anfallenden und laut Gutachten gegen ihn sprechenden, „besonders hohen Investitionskosten (S. 95)“ durchaus aufzubringen sein dürften. Nicht weil man es nicht kann, sondern weil man nicht will – so der Eindruck – soll der Tunnel nicht gebaut werden.
Und dass schließlich – wie im Gutachten gegen die Tunnelvariante ebenfalls angeführt wird – „die Verkehrsproblematik am Fernpass“ durch den Tschirganttunnel nicht gelöst wird (S. 92 und 95), ist zwar richtig, wird aber auch von niemandem ernsthaft behauptet.
Es geht einzig und allein um die Entlastung der Bevölkerung entlang der Zufahrtswege durch das Gurgltal und über das Mieminger Plateau, was Grund genug sein müsste, den Bau eines solchen Tunnels in Angriff zu nehmen – und zwar umso mehr, als der Verkehr gerade auf dieser Route trotz aller Träumereien von der Verlagerung auf die Schiene eher zu- als abnehmen wird.
Denn nur als Träumerei kann die vom Ministerium vorgeschlagene Nutzung der Bahn als Alternative zum Tunnel bezeichnet werden. Auf ganzen zwei Seiten des Gutachtens wird detailreich über den zu erwartenden Ausbau der über den Brenner führenden, transeuropäischen Bahnverbindung zwischen Skandinavien und dem Mittelmeerraum referiert.
Was diese Verbindung mit dem Verkehr über den Fernpass zu tun haben soll, erschließt sich vorerst ebenso wenig wie die Tatsache ignoriert wird, dass die bayerischen Nachbarn von einer allgemein akzeptierten Trassenführung noch so weit entfernt sind, dass nicht einmal die vom Ministerium angenommene Fertigstellung im Jahre 2038 als realistisch erscheint.
Auch könnte die Tatsache, dass viele Autofahrer trotz der täglichen, oft kilometerlangen Kolonnen samt Staus auf der Inntalautobahn NICHT auf die Bahn umsteigen, die Erkenntnis reifen lassen, dass die meisten Menschen doch lieber das Auto als die auf dieser Strecke inzwischen gut ausgebaute Bahn benützen.
Dies geht auch daraus hervor, dass es laut einem Bericht der Tiroler Tageszeitung vom 24. November in Tirol rund 120.000 Öffistammkunden gibt – also gerade einmal 16 % der Gesamtbevölkerung. Noch schlimmer sieht es – was die Akzeptanz der Bahn betrifft – mit dem von der Verkehrsministerin so hoch gelobten Klimaticket aus, von dem trotz Frühbucherbonus im Oktober bislang in Tirol nicht einmal 7.000 Stück verkauft wurden – das sind sogar weniger als 1 % (!) der Bevölkerung.
In den Bereich der Träume verweist auch die Annahme, dass die Menschen, die „von weiten Teilen Bayerns“ ins Tiroler Oberland fahren wollen (S. 94), die vom Ministerium erwartete Hochgeschwindigkeitsbahn durch das Inntal benützen werden. Abgesehen davon, dass unsere bayerischen Nachbarn dies schon jetzt tun könnten, ist es geradezu verrückt anzunehmen, dass jemand aus dem nördlichen Einzugsbereich des Fernpasses statt mit dem Auto über den Pass die viel längere Strecke mit der Bahn nach München und von dort über Innsbruck ins Tiroler Oberland fahren wird.
Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Obwohl ich in meiner aktiven Zeit an der Universität eine schriftliche Arbeit höchst selten bis nie mit der Note „nicht genügend“ beurteilt habe, würden diese vier Seiten im Gutachten des Umweltministeriums ohne Zweifel eine solche Beurteilung verdienen.
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Sorry, aber das hat man in Tirol selbst verbockt. Von 1979 (erste Diskussion darüber) bis 2013 (Einzug der Grünen in die Landesregierung) wäre lang genug Zeit gewesen, dieses Projekt zu planen und zu realisieren. Das kommt davon, wenn sich schwarz / rote Landesregierungen auf rot / schwarze Bundesregierungen verlassen.