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Erich Hörtnagl
Die Wärmepumpe
und der Heilige Abend
Eine Technik-Horror-Geschichte

Wärme in einem Raum vermittelt Geborgenheit, Sicherheit, Entspannung.
Wärme im Raum überträgt sich auf´s Gemüt – somit auch auf die zwischenmenschlichen Bereiche – ebenso wie Kälte.

Bei 17° Zimmertemperatur fällt es einem – neben der Besorgnis über den plötzlichen Temperaturabfall – nicht leicht freundlich zu sein. Mit allen Stacheln nach außen gekehrt scheine ich auf der Hut zu sein, auf Abwehr – aber vor was?
Diese Unsicherheit schafft Verwundbarkeit, Feindseligkeit.

Aus diesem Grund fällt der tadellos funktionierenden Installation einer Wärmepumpe – also einem Gerät, das die Wärmeversorgung garantieren sollte – eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

In unserem Studio auf dem Land in Schweden haben wir uns in den letzten Jahren – in scheinbar weiser Voraussicht – auf alle möglichen Energiequellen und Wärmeversorgungsmethoden eingerichtet: Erdwärme, Sonnenenergie, Luftzirkulationspumpen… name it

Eine Wärmepumpe nach dem neuesten Stand der Heiztechnik, kostspielig und installationsaufwendig. Suggeriert von vorsorglichen staatlichen Programmen und wohlmeinenden Industrieempfehlungen, von Umweltschützern und Klimabesorgten, von Sparberatern und Technobesserwissern. Im Jahr danach technisch revidiert und neu mit digitalen Raffinessen bestückt – sogar mit dem Versprechen einer staatlichen Klima-Förderung, die später dann doch nicht gewährt wurde.

Und trotzdem: exakt zu Weihnachten, zwei Tage vor dem Eintreffen von Familienmitgliedern und Freunden, die mit der Vorstellung der Idylle des Landlebens  Sorglosigkeit über die Feiertage hin erwarten – ja, als Voraussetzung ihres Kommens beinahe garantiert haben wollen – bricht das gesamte, modernst ausgetüftelte Heizungssystem zusammen! (warum gerade immer vor dem Heiligen Abend?)

Und das bei -15 ° Außentemperatur!

Und obwohl die via handy von überall her digital steuerbare Wärmepumpe, die mit Erdwärme gespeist und mit Sonnenenergie verstärkt – laut Manual – einer nur äußerst geringen Stromzufuhr bedarf, bewirkt dieses eigentlich wohlaufbereitete und finanziell ganz und gar nicht unterdimensionierte Wärmebedürfnis ein totales Tohuwabohu im Sicherungskasten: nicht nur die vorsorglich mit 25 Ampere abgesicherten Hauptsicherungen geben abwechslungsweise den Geist auf, sondern auch die von anderen lebenswichtigen Apparaturen wie Kühlschrank, Gefriertruhe, TV-Apparat – und natürlich auch die des Ladegerätes des umweltfreundlichen E-Autos, das damit über die Feiertage unanwendbar zu werden droht.

Es bedarf keiner großen Phantasie, um sich vorstellen zu können, wie schwierig es sich (vor allem in Schweden!) gestaltet, am Vorabend des Weihnachtsfestes einen Installateur und einen Elektriker zu einem Katastropheneinsatz wie diesem zu bewegen und dazu noch koordiniert, d.h. dass beide mehr oder weniger gleichzeitig auftreten, weil sonst der eine den Anlass des Anlageversagens auf den anderen schiebt.

Und wie´s der Techno-Teufel will, so sind diese technisch-durchgestylten Wärmeanlagen mit solch ausgeklügelten Raffinements für alle denkbaren Möglichkeiten ausgestattet, nur nicht mit der Möglichkeit einer abgesicherten Wärmeproduktion, sodass auch der belesenste und wohlinformierteste Installateur aufgeben muss, wenn er nicht zufällig am Tag zuvor vom absolut aktuellsten update unterrichtet worden wäre, welches das update von zwei Tagen zuvor aufhebt, sodass er dasjenige, das er im Fortbildungskurs des Pumpenherstellers vor einer Woche eingetrichtert bekam, einer grauen Vergangenheit überlassen muss. 

Was die Präsenz und den Einsatz des tapferen Stand-by-Elektrikers somit sogleich als hinfällig zu verurteilen droht.

Die mit der Pumpe mitgelieferten Manuale erweisen sich beim genaueren Überprüfen als nicht kompatibel mit dem aktuellen Modell. Der digitale Hinweis auf dem Display, sich die Gebrauchsanweisung via Internet herunterzuladen, erweist sich als Sisyphusarbeit, da durch den ständigen Sicherungsausfall (15mal die Sicherung ausgetauscht!) ein downloading des hunderte Seiten langen Betriebsberichts nicht absturzfrei gewährleistet ist. 

Der vom Apparat selbst angewiesene telefonische Kundendienst – Hotline – lässt – an einem Weihnachtsvorabend! – sowohl Installateur als auch Elektriker in einer nimmer enden wollenden Connection-Loop hängen und schließlich im Nebel der Warteschlaufe stehen.

Das als friedvoll und fröhlich annoncierte Weihnachtsfest droht in eine Fluchorgie auszuarten. Meine bisher beherrschte (vor allem um nicht die beiden Handwerker zu vergrämen) Stimmung pendelt jetzt zwischen Verzweiflung und Rachegelüsten. Die säuselnden Weihnachtslieder aus dem Radio bringen mich zur Weißglut, die holde Feststimmung ist definitv verflogen.

Mit welchen Methoden und Knopfdruck-Tricks es den an die Grenze ihrer Kapazität – und vor allem ihrer Geduld – gedrängten Handwerkern dann doch noch gelingt, Wärme ins Haus zu zaubern, können sie sich selbst nicht erklären und bleibt somit nicht nur mir, dem von allen bezeugten technischen Unterseeboot ein weiterhin im Dunkel verbleibendes Rätsel.

Erstaunt begegnen die ersten gerade eintreffenden Gäste den frohe Weihnacht-wünschenden Handwerkern in der Tür zur gemütlich warmen Stube und bewundern die Freundlichkeit der Leute vom Land, die einander die Weihnachtswünsche noch persönlich überbringen…


https://schoepfblog.at/literarische-korrespondenz-ralf-schwaiger-an-a-schopf-betrifft-effizienz-von-warmepumpen/

Erich Hörtnagl

Erich Hörtnagl geb. 1950, lebt in Schweden und Tirol, arbeitet als Theater- und Filmregisseur und europaweit als Filmproduzent, einer der Gründungsväter des Tiroler Filmfonds Cine Tirol.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hans Pöham

    Sehr geehrter Herr Walcher, die Erneuerbaren haben ihrer Meinung nach einen „gewaltigen High-Tech-Aufwand“? Gemach! Mir fiele da beispielsweise ein akkomodiertes Adjektiv für ein „ausgereiftes“ (sorry) AKW ein.

  2. Reinhard Walcher

    Lieber Erich Hörtnagl!

    Diese witzig und wunderbar selbstironisch geschriebene Geschichte hat mir großes Vergnügen bereitet, fast als wäre sie von Loriot persönlich erfunden. So ärgerlich und unerfreulich diese Begebenheit für den Protagonisten auch war, dem Leser entlockt sie ein Lächeln, dem auch – ich gestehe – ein winziges Quäntchen Schadenfreude innewohnt. Und diese beruht auf dem sogenannten grünen Paradoxon, also dem Wunsch des modernen, umweltschonenden Menschen, die toxische, konservative Technik zur Energieerzeugung auf Natur (also Sonne, Wind, Erd- und Luftwärme) zurückzustellen, dabei aber zu übersehen, dass gerade die „Erneuerbaren Energien“ einen gewaltigen High-Tech-Aufwand verlangen. Und diese komplexe, noch nicht wirklich ausgereifte Technik hat eben – wie alles im Leben – seine unerwartet-erwartbarenTücken.

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