Elias Schneitter
Mauern und Zäune niederreißen!
Notizen

Gut erinnere ich mich an die Fernsehbilder, als unser damaliger Außenminister medienwirksam (und inszeniert) den Eisernen Vorhang zu Ungarn durchtrennte oder als 1989 die Berliner Mauer fiel und dadurch eine sagenhafte Euphorie ausgelöst wurde. Inzwischen sind Jahrzehnte ins Land gezogen und eine große Ernüchterung ist eingetreten. 

Grenzen, Mauern, Zäune, eine Festung Europa muss errichtet werden, getrieben von der Sorge, dass der Kontinent von den heranstürmenden Massen zerstört wird. Als vor mehr als vierzig Jahren die Mauern und die Grenzzäune gefallen sind, war man voll Hoffnung auf eine bessere, friedlichere Zukunft. Heute glaubt niemand mehr daran.

Eine politische Lichtgestalt war damals für mich Michael Gorbatschow. Er war sicher eine zentrale Kraft für die damalige Entwicklung. Was aber daraus entstanden und gefolgt ist, sieht man heute in Russland: Eine blutrünstige Diktatur und eine Gesellschaft, die überwiegend hinter dieser steht.

Wahrscheinlich wäre die Geschichte – ich weiß, ich bin kein Historiker – anders verlaufen, hätte damals der Westen, nachdem er all seine Ziele erreicht hatte, Gorbatschow nicht fallen lassen. Die Retourkutsche jedenfalls folgte auf dem Fuß und führte zur heutigen politischen Situation zwischen Ost und West. Hätte man damals jene Milliarden, die man heute in den Krieg steckt, Gorbatschow gegeben, hätte sich für die russische Gesellschaft eine positivere Zukunft eröffnet. Und vor allem auch für uns.

Kürzlich meinte ein Journalist bei einer Fernsehdiskussion, dass Olaf Scholz der schlechteste deutsche Bundeskanzler seit Kriegsende sei. Nun kann ich das nicht beurteilen und solche Aussagen sind ohnehin per se überflüssig. Nur so viel: Er hat das Erbe der Regierung Merkel übernommen, dann noch die Pandemie dazu und als Sahnehäubchen den Ukrainekrieg!

Und noch was zu Frau Merkel, die ich als Mensch sehr sympathisch, korrekt und in ihrem Auftreten als bescheiden wahrgenommen habe. Aber auch da erinnere ich mich an eine Szene, als sie bei Putin vorstellig wurde. 

Dieser eiskalte Mensch wusste um die Angst von Frau Merkel vor Hunden. Putin empfing sie mit einer riesigen schwarzen Dogge und Frau Merkel konnte man die Angst aus ihrem Gesicht ablesen. Aber anstatt zu fordern, dass Putin seinen Hund auf der Stelle verschwinden lässt, hat sie sich überwunden und das akzeptiert. 

Und diese lasche Haltung – wenn der Vergleich auch ein wenig weit hergeholt ist – bestimmte dann auch ihre Politik. Das war bei der Flüchtlingsproblematik (wir schaffen das!) so und mit ihrem Umgang mit den Wirtschaftsbossen, die billiges Gas wollten, ganz wurscht, was der brutale Putin im Osten trieb. Und das war auch bei der Infrastruktur im eigenen Land so, wo man den öffentlichen Verkehr verludern ließ, weil in Deutschland die Automobilhersteller das Sagen haben. Die Folgen sind bekannt.

So gesehen kann man die gute Mutti Merkel im Ranking sicher gleich neben Scholz stellen, obwohl solche Vergleiche ohnehin immer fragwürdig sind.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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