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Elias Schneitter
Herdenimmunität

Laut TT vom 28.12.2020 wollen sich 57 % der Tiroler*innen nicht gegen Covid impfen lassen. Zu groß ist die Angst wegen etwaiger Neben- bzw. Folgewirkungen. Das Restrisko sei  zu groß. Damit wir die Pandämie, in der wir knöcheltief stecken, überwinden können, müsste andererseits eine Herdenimmunität von ca 70 % der Bevölkerung erreicht werden.

Nun weiß ich nicht, wie sehr die Umfrageergebnisse stimmen. Aber würden die Tiroler*innen diese Impfung tatsächlich in diesem Umfang verweigern, dann würden wir zumindest die nächsten ein zwei Jahre von einem Lockdown in den nächsten taumeln. Was das bedeutet, kann man sich vorstellen: die Wirtschaft, der Staat, das soziale und gesellschaftliche Zusammenleben würden unermesslichen Schaden erleiden, mit Folgen, die ich mir gar nicht ausdenken möchte. Wahrscheinlich stünde dann im „besten Fall“ und zuletzt die „chinesische“ Lösung mit diktatorischen Maßnahmen ins Haus.

Trotzdem scheinen die Tiroler*innen diese Variante mehr zu bevorzugen als ein geringes individuelles gesundheitliches Restrisiko auf sich zu nehmen. Es lebe der Individualismus! Solidarität ist was für die anderen! Ohne mich!

Wenn man unsere Lage mit kühler Vernunft betrachtet, dann ist die Impfung die einzige Möglichkeit, um der momentan in allen Bereichen desaströsen Situation zu entrinnen.

Die Politik setzt im Moment auf Aufklärung und Information. Impflicht oder Ähnliches soll nicht verordnet werden. Eigenverantwortung und Selbstdisziplin wird eingefordert. Solche Forderungen mögen sehr ehrenwert sein, aber sie werden nicht funktionieren. Die Gesellschaft ist in ihrer Mehrheit dafür nicht in der Lage. Das ist leider so. Darum bin ich der Meinung, dass es ohne Druck und ohne Reglementierung nicht möglich sein wird, die Pandämie erfolgreich zu überwinden.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein kleines Beispiel aus den Siebzigerjahren ein. Damals wurden die ersten Supermärkte in unserer Gegend eröffnet. Vor den Eingängen standen die Einkaufswägen zur freien Entnahme, die man nachher wieder zurückstellen sollte. Das funktionierte aber nicht. Einige hielten sich zwar daran, zu viele ließen die Wägelchen aber am Parkplatz zurück. Oder sie standen in der näheren und weiteren Umgebung herum. Erst als die Betreiber daran gingen, eine Münze zu verlangen, die man zurückbekam, wenn man den Einkaufswagen ordnungsgemäß wieder zurückgebracht hatte, begann das System zu funktionieren.

Dieses Beispiel mag zwar weit hergeholt erscheinen, aber es zeigt ganz deutlich: ohne Regeln, ohne Druck lässt sich fast nichts organisieren. So wird es auch bei der Covid–Impfung sein. Sich zurückzulehnen und abzuwarten, nach dem Motto, lassen wir einmal die anderen vorangehen, wird das Problem nicht lösen. Daher muss die Politik Maßnahmen ergreifen, damit die Impfquote entsprechend hoch und damit effizient wird. Sie muss Regeln aufstellen, auch wenn sie unpopulär sind. Anders geht es bei dieser Pandämie nicht.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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