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Elias Schneitter
Datenschutz, Datenklau, Datenschlampe

Fachleute aus der IT-Branche sagen mir, dass sich die Pandemie mit Hilfe der neuen Technologien besser und rascher bewältigen ließe als mit  unseligen Lockdowns. Das Problem sei der Datenschutz bzw. die Angst vieler Menschen vor einer Totalüberwachung à la China. „Das ist zwar totaler Blödsinn“, beteuern sie, „aber gegen Angst ist bekanntlich kein Kraut gewachsen.“

Als Öffentlichkeitsarbeiter bei der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) hab ich selbst meine Erfahrungen mit dem Datenschutz gemacht. Einmal am frühen Vormittag waren der Obmann der TGKK und ich im Dienstwagen unterwegs nach Lienz zu einer Veranstaltung. Kurz vor Kitzbühel erreichte uns ein aufgeregter Anruf von der EDV der Hauptstelle. Kurzinfo: Die digitalen „Freiheitskämpfer Anonymus“ hätten die Kasse „geknackt“ und wären im Besitz von Gesundheitsdaten. Der Leiter der EDV meinte noch, dass man keine weiteren und genaueren Infos liefern könne, auch gebe es keine Hinweise darauf, dass „eingebrochen“ worden sei.

Ab diesem Moment ging das Geklingel los. Ein Medium nach dem anderen, auch aus dem benachbarten Ausland, rief beim Obmann an und ersuchte um eine Stellungnahme. In den Radionachrichten wurde bereits vom Datenklau von Gesundheitsdaten der TGKK berichtet. Es herrschte helle Aufregung. Als wir in die Hauptstelle zurückkamen, standen sieben Fernsehteams vor dem Büro.Die Staatspolizei ebenfalls. Die Informationslage war für den Obmann allerdings noch nicht viel umfangreicher als am Vormittag.

„Anonymus“ kündigte an, die „geknackten“ Daten in Kürze zu liefern. Währenddessen lief die Medienmaschinerie (damals wucherte social media noch nicht so wie heute) mit der Schlagzeile „Datenleck bei der TGKK“. Mit dieser Meldung schafften wir es sogar bis in die „Bild Zeitung“!

Nach zwei Tagen war der Wirbel dann vorbei. Die Karawane zog weiter auf dem Weg zu neuen Sensationen. Und sehr bald hatte sich auch das „Leck“ gelüftet. „Anonymus“ hatten einen alten Datensatz ergattert. Dabei handelte es sich um eine Liste, die vor zehn Jahren dem Roten Kreuz für die Abrechnung der Transportkosten zur Verfügung gestellt worden war. Ein Zivildiener hatte sich die Liste unerlaubterweise auf seinen privaten Computer herunter geladen. Sie enthielt Namen und die dazu gehörigen Versicherungsnummern. Sonst nichts. Keinerlei Gesundheitsdaten.

Aber das interessierte inzwischen niemanden mehr. Die Medien hatten ihre Headlines und „Anonymus“ seine Aufmerksamkeit. Monate später erhielt die TGKK sogar vom Rabenhof-Theater in Wien eine hohe Auszeichnung als „Datenschlampe“ des Jahres. Super!

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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