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Elias Schneitter
Corona gibt es nicht!

Im Laufe meines Lebens habe ich, abgesehen von zwei Ausnahmen, nie aktiv an Straßendemonstrationen teilgenommen. Einmal war ich bei einem Schweigemarsch von AutorInnen dabei und einmal bei einer Demo der Gewerkschaften gegen den Zwölfstundentag. (Zu dem Zeitpunkt war ich bereits in Pension). Meine Passivität gegenüber Demonstrationen (und auch Unterschriftenaktionen) hängt mit meinem Naturell und auch mit dem großen Glück zusammen, in einer relativ gut funktionierenden Demokratie zu leben.

Via Fernsehen – gerade jetzt wieder bei Reportagen über Weißrussland – werden einem regelmäßig Berichte über Straßendemonstrationen mit kompromisslosen Einsätzen der Staatsmacht (Schlägereien, Schlagstöcke, Verhaftungen) ins Haus geliefert. Die Demonstrationen verlangen Neuwahlen, den Rücktritt des Präsidenten und für ihren Protest, ihren Widerstand riskieren diese mutigen Menschen, verhaftet und ohne Gerichtsverfahren eingesperrt zu werden. Diese Menschen fordern mir Respekt ab. Ich weiß nicht, ob ich da dabei sein würde.

In letzter Zeit gibt’s auch bei uns Demonstrationen, wo Menschen (aus meiner Sicht Verwirrte) ohne Masken auf die Straße gehen, sich als Querdenker bezeichnen und den Coronavirus leugnen. Da frage ich mich schon, was in den Köpfen dieser Personen vorgeht. Abgesehen davon gefährden sie durch ihr Verhalten und die Weigerung, die Pandemie anzuerkennen, nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Aber das scheint diese Klientel nicht weiter zu interessieren. Was die Leute antreibt, ist mir ein Rätsel. Ist es Wichtigtuerei, wollen sie Auf-merksamkeit, wollen sie bloß provozieren? Klar im Kopf können sie jedenfalls nicht sein.

Die Pandemie hat inzwischen ganz Europa/die ganze Welt fest im Griff. Hunderttausende Tote, Millionen Infizierte und ein Gesundheitssystem, das kurz vor dem Kollaps steht. Das scheint diese „Demonstranten“ aber weiter nicht zu interessieren. Neulich habe ich mit einer alten Bekannten gesprochen und ich traute meinen Ohren nicht. Sie gehört zu den verbissenen Verschwörungs-theoretikern und meinte, sie lasse sich nicht testen, weil mit dem Wattestäbchen durch die Nase Abhör-Chips eingepflanzt würden und dass hinter all dem der Ungar Soros steht und so weiter. Traurig, aber die Dame war wirklich von ihrem Unsinn überzeugt. Okay, man muss ja nicht unbedingt so weit gehen, aber manchmal denke ich mir schon, vielleicht würde es diesen Wirrköpfen etwas weiterhelfen, wenn ihr Verhalten – so wie in Weißrussland – auch bestimmte Konsequenzen nach sich ziehen würde, wie zum Beispiel, dass sie bei einer Covid19-Erkrankung die Kosten selbst für die Behandlung bezahlen müssten oder bei einer Triage ganz hinten für ein notwendiges Beatmungsgerät eingereiht würden.

Solche Gedanken sind natürlich totaler Blödsinn und die Verschwörungstheoretiker wissen auch ganz genau, dass sie im Notfall natürlich ganz normal behandelt werden, worüber nicht zu diskutieren ist, aber erwähnen kann man es ja schon einmal. Oder um es kabarettistisch abzurunden: Covid-Leugner benötigen bei der Erkrankung keine medizinische Behandlung, weil es diese Krankheit ja nicht gibt und etwas, das es nicht gibt, muss man auch nicht behandeln.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Peter Kraiser

    Hallo Elias,
    Du sprichst mir aus der Seele und es wäre hin und wieder wirklich zu überlegen, ob man solche Egoisten, wenn es darauf ankommt, nicht gelegentlich wirklich ihr Ego ausleben lassen (sprich: alleine lassen ) sollte.
    Ego ist okay, aber nicht auf Kosten von anderen!
    Beste Grüße
    Peter

  2. Susanne Preglau

    Lieber Elias!
    Super Kommentar
    Danke
    Susanne Preglau

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