Print Friendly, PDF & Email

Elias Schneitter
Am Yppenplatz in Wien wird geschossen.
Super!
Notizen

Momentan ist der Yppenplatz in Wien Ottakring häufig mit negativen Schlagzeilen in den Medien: Schieß- und Messerstechereien, Bandenkriege! Sogar die Tiroler Tageszeitung hat in ihrer Sonntagsausgabe zwei Seiten diesem Problem gewidmet.

Seit knapp zehn Jahren wohne ich nicht weit vom Yppenplatz. Seither bin ich regelmäßiger Besucher dort, die erste Zeit fast täglich, inzwischen weniger, was aber nichts mit der Kriminalität, die dort herrschen soll, zu tun hat.

Der Yppenplatz ist ein alter Marktplatz am Ende des Brunnenmarktes. Und in meiner Zeit habe ich auch etwas den Wandel von einer ursprünglich grindigen, eher verwahrlosten Gegend zu einem hippen Nobelplatz mitbekommen.

Als ich dort ankam, gab es zum Beispiel das 3 Linden, ein Lokal mit niedrigen Preisen und zumeist illustren Gästen, vorwiegend aus der Künstlerszene, nicht wenige davon verkrachte Existenzen. In diesem Umfeld hatten sich trotzdem zahlreiche künstlerische Aktivitäten entwickelt. Veranstaltungen mit Literatur, Musik, Tanz und vor allem heftige stundenlange Kunstdiskussionen. Die 3 Linden gibt es nicht mehr. Jetzt ist ein Lokal dort, das sich Yppster nennt.

Hundert Meter weiter, war der Müller: in den Urzeiten ein Lokal für Stoßspieler und später für Strizzis, die mit ihren Damen in den Morgenstunden nach getaner Arbeit (damals gab´s noch den Straßenstrich am nahen Gürtel) hier verkehrten. Die Müllerin, wie es wegen der legendären Besitzerin auch genannt wurde, gibt es auch nicht mehr. Jetzt ist ein hippes Sozialprojekt Essen ohne Grenzen dort, wo man Speisen aus Afghanistan, Syrien, der Levante etc. zu gehobenen Preisen serviert bekommt.

Die beiden Lokale können als Beispiel für den Wandel des Yppenplatzes gelten, denn inzwischen findet man hier ausschließlich eine hochpreisige Schicki-Micki-Gastronomie wie am Naschmarkt (der Yppen steht inzwischen ja in allen Reiseführern als Geheimtipp) mit entsprechend zahlungskräftigem Publikum: vorwiegend BoBos mit ihren Aperols, Hugos, Cocktails, gesunden Salat-Bowls und vegan-vegetarischen Speisen. Sie wollen die ehemalige Lebendigkeit genießen. 

Die umliegenden Immobilien erzielen Höchstpreise und der Yppenplatz kann nun als Musterbeispiel für Gentrifizierung gelten. Die ehemalige Bewohnerschaft ist ausgedünnt, die lebendige Kunstszene fast schon weg, sie hat sich, wie ich höre, nach Meidling verlagert.

Als ich in der Nähe des Yppenplatzes eingezogen bin, war ich damals einigermaßen erstaunt, dass beinahe an jeder Hausecke ein junger Schwarzer mit Handy stand. Die Geschäfte, die sie betrieben, waren klar. Immer wieder habe ich am Yppen Raufereien und Schlägereien erlebt. Einmal wurde eine Frau in den frühen Morgenstunden von einem Schwarzen Asylanten mit einer Eisenstange erschlagen, aber der mediale Auftritt stand damals in keinem Verhältnis zu jetzt mit der Schießerei von zwei Drogendealern.

Momentan herrscht öffentlicher medialer Aufruhr am Yppen. Die Bezirkshauptfrau tritt auf. Fernsehleute interviewen Passanten. Es wird mehr Polizei gefordert. Eine bessere Beleuchtung muss her etc. etc…

Was ich mit meinen Beobachtungen sagen will, ist nichts weiter, als dass die hysterische Aufregung über die angebliche Bandenkriminalität einfach der bereits erwähnten Gentrifizierung geschuldet ist. In früheren Jahren war die Gewaltbereitschaft am Yppen sicher nicht weniger. Nur jetzt bevölkern eben Bobos und Gutbetuchte die Gegend, und die wollen ihre wohlverdiente Ruhe und Sicherheit. Für mich hat der Platz viel von seinem Flair verloren. Ich werde mich wohl in Richtung Meidling bewegen müssen.

Bei der Schießerei am Yppen wurden übrigens zwei Drogenhändler mit Asylantenstatus angeschossen. Ein echter Ottakringer, von denen es am Yppen ja kaum noch welche gibt, hat zu mir trocken gemeint: Super, wenn sich die Kriminellen gegenseitig abknallen. Der Schaden wegen dieser Krätzen ist eher gering.

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Schreibe einen Kommentar