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Andreas Niedermann
Die Knallbar Diaries
Folge 27- 29
Frankfurt. Säuferromane. Ich weiß nichts.

Kapitel 27

Moss will, ich nicht. Er sacht, ist sein gutes Recht, ich hätte mich vertraglich dazu verpflichtet. Stimmt. Aber ich mache den Putin. Scheiß auf den Vertrag, ist doch nur Papier. Und wie in der richtigen Politik kommt’s doch nur drauf an, wer welches Druckmittel hat. Ich bin der Bestsellerautor und er ist fuckin’ Moss who? Ein Verleger? Gibts tausende. Aber Bestseller-Schreiber nicht so.

Also muss Moss allein nach Frankfurt. 80.000 Neuerscheinungen. Dieses Jahr. In deutscher Sprache. Meint der Moss, ich soll mir’n Depro aufziehen? Wie beim Besuch einer Krebsstation? Ist doch dasselbe.

Alle hoffen darauf, dass es noch ein bisschen weitergeht, bis der Sensemann (irgendein Random House) dich niedermäht. Nichts für mich. Der Anblick von Kollegen deprimiert mich auch so schon. Wenn sie einzeln auch stark sein mögen, im Pulk sind sie ein Idiotenhaufen. Sach mer, ab drei Stück.

Außerdem lass ich mir grad die Muskeln wachsen und einen Nobelpreisträgerschnurrbart stehen. Die sind noch nicht so weit, noch nicht herzeigbar. Nur die Mädels von der Schwangerschaftsgymnastik hatten schon die Ehre. Findens kulio. Beides.

Frankfurt ist nur was für harte Burschen und Mädchen, nichts für Sensibelchen wie mich. Dort sieht man doch dem Gewerbe in den Arsch. Ist wie ne Darmspiegelung auf Video, bei der der Verleger Schnittchen und Rotkäppchen serviert.

Aber Moss muss. Muss Moss müssen? – könnte man auch fragen. Nur schon der Alliteration wegen. Soll froh sein, dass ich ihm treu bin. Noch. Aber vielleicht erwischt es auch mich, und ich muss bald in der Schwangerschaftsgymnastik die Mülleimer leeren. Mit all den Einlagen, Tempos und verschwitzten Einwegslips. Es kommt ja doch wie’s kommt.

Also: Frohes Verkaufen Frankfurt.
Und schon wieder eine hübsche Alliteration. Oder beinahe.
Was soll da noch daneben gehen?


Kapitel 28

Neulich hat Verleger Moss aus der Messe angerufen. Voll im Öl, wie man hier so sagt. Na ja, kein Wunder.

Ich las gerade eine dämliche Polemik von einem Linken, der gegen Menschen (so sagt man heute doch), die im Zug erster Klasse fahren, vom Leder zieht. Er plädiert dafür die erste Klasse abzuschaffen.
Zu diesem Behufe klaut er ne Zeitung aus der ersten Klasse, um es den Geltungsschweinen mal so richtig zu zeigen:

„Mit der Lektüre, die mir nicht zusteht, setze ich mich in einen Waggon, in dem ich sie nicht lesen kann: Ein Baby schreit, zwei Reihen weiter hinten telefoniert jemand zu laut, ein Damenkegelklub reicht Eierpunsch herum. Aber immerhin habe ich einen Akt zivilen Ungehorsams gegen die Erstklässler drei Wagen weiter vorn ausgeübt.“

Ja, genau. Die Demokratie muss alle gleich machen, und wenn sich der Pöbel schlecht benimmt, dann ist das eben doch ganz demokratisch die Mehrheit, und somit hat sich dem niemand zu entziehen.

Na gut, mir wurscht. Ich bin Elite. Eine Minderheit, von der Mehrheit, rechts wie links, gehasst, weil ich mir erlaube, für mein Geld ein wenig Ruhe zu erkaufen.

Genuss, sozusagen. Und wenn für einen Ruhe Genuss ist, dann ist er eben ein kapitalistisches Geltungsschwein, denn in der deutschen Demokratie erwirbt man Genuss durch Gebrüll auf dem Fußballplatz, im Bierzelt, oder durch unausgesetzt dummes Gequatsche in Zügen.

Aber jetzt bin ich abgeschwiffen (ziemlich elitäres Verb, wa?).
Moss ruft also an, fett, wie ein mieser Koch.
„Ey, Knallbar“, trompetet er ins Telefon, „wasnmidirlos? Wobissndenn? Dumüsssesthiersein.“
„Moss, du gefüllte Speckamsel, lass mich in Ruhe. Ich hab schon schlechte Laune.“
„Ey, Knallbi, des woa itz oba ned Piesi, goa net.“
„Was gibts?“, lenke ich ein. Mit Betrunkenen soll man nicht rechten.
„Hast du schon gehört, dass diese deutsche Double vom Petzner (Lebensmensch des seligen Jörg Haider. L.A.K.), nach seim Säuferziegel gleich eine Ausnüchterungsbroschüre hinterher gschom hat? Hastes ghert? Oder nich?“
Ich hatte bereits davon gelesen, und sagte es Moss.
„No supa. Dann mochst jetzt a sowas. Aber andersherum …“
„Wie, andersherum?“
„Du schreibst itza an Ziegel, wo du die Sauferei lobst und preist und dich über die Nüchternpussys lustig machst. Host ghert!“
„Klar, Moss. Mach mich gleich an die Arbeit.“

„Du kennst dich doch aus, mim Saufen und Koksen unso! Und lebst noch. Ich meine, der Scheiß konnt dir nix anhaben. Und das sollte endlich mal einer sagen, wie gut die Sauferei und die Drogen san. Clint hat schon recht: San ollas Pussys. Und Wappler. Pussys und Wappler. Hundert Bestseller über ein Haufen Nullen, die mim Saufen aufghert ham. Jetzt braucht die Welt ein Gegengewicht zu den Heulsusen. Einen Kerl. Einen gottverdammten Knallbar, vastehst…“

Ich hörte, wie er kotzte. Es klang, als täte er es in einen gewaltigen Blecheimer. Es dröhnte. Ich legte auf, wie man so sagt, obschon ich nicht auflegte, sondern nur den roten Knopf drückte. Eigentlich drückte ich ihn gar nicht, sondern tippte nur zart mit dem Finger drauf.

Es war alles nicht mehr so wie früher. Aber eigentlich wars doch wie früher. Déjà vu auf jeden Fall, was die Gleichmacherei anlangt. Musste ja so kommen.
Schreib ma hoit a urdentliches Säuferbuch. Zeit wär’s ja.


Kapitel 29

Die Sonne scheint. Ich warf einen langen Schatten, auf dem Weg zur Schwangerschaftsgymnastik. Sie blendete. Eine kleine Ladung Bourbon kam heute morgen mit der Post. Eine neue Marke. Ganz wunderbar. Trump ist Präsident. Der Zen-Meister sagt: „Man wird sehen.“ Mein Kontostand, unter der Dusche gecheckt, ist erfreulich. Vielleicht sollte man das mit dem Sonnenschein nicht übertreiben.

„Normale Zeiten erfordern Verrücktheit. Wahnsinnige Zeiten Nüchterheit“, sagte mir unsere Gymnastiklehrerin in einer privaten Audienz. Peter Weiss sagte, dass die Kunst der einzige Ort ist, wo wir noch was zu sagen haben. So, in etwa, sagte er das.

Unverhofft kommt oft, sage ich.

Ich habe Schmerzen an der rechten Knieinnenseite, gehe aber über vor Dankbarkeit, dass ich noch einigermaßen beieinander bin. „Alles ist eitel“, sagt Kohelet, der Prediger Salamo. „Haschen nach Wind.“

Johnny Cash wünscht sich eine Pistole, groß wie er selber. Der Tee ist zu süß. Die Börse reagiert nervös, und mein Sohn fragt, wann denn die Börse nicht nervös reagiere? Ich sage, weiß ich nicht. Sacht er, du weißt aber auch nie was. Sach ich, stimmt haargenau. Bis auf eine Ausnahme: Ich weiß, dass man nie wissen kann.
So siehst du aus, sacht er. Ja, so sehe ich aus, sach ich.

Sacht er, im Standard gibt es 25.196 Postings zur Präsidentenwahl. Innerhalb von 5 Stunden. Viel Spass beim Lesen, sach ich und höre mir „Tempest“ des Nobelpreisträgers an. Irgendwas von wegen „The Titanic was sinking…“
Alter Hut …

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Andreas Niedermann

Andreas Niedermann, 1956 in Basel geboren. Nach einer Laborantenlehre einige Jahre in Europa unterwegs. Informelle Ausbildung zum Schriftsteller in genau 50 ausgeübten Berufen. U.a. als Steinbrecher, Alphirte, Kranführer, Kinobetreiber, Krafttrainer, Koch und Theatertechniker. Seit 1989 mit Familie in Wien lebend. Gründete 2004 den Songdog Verlag. Publizierte einige Romane, Storybände und Novellen. Zuletzt „Blumberg 2 (Die Wachswalze)“ bei Edition BAES.

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