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Andreas Braun
Festrede zum neuen Fotoband
„Tirol, Magie der Berge“
von Heinz Zak
nebst einiger wunderbarer Bilder

Lieber Heinz, liebe Angelika, lieber Martin! Liebe Ballonfahrer, Höhlenforscher, Kajakpiloten, Hüttenwirte, ewig junge Bergsteigerlegenden, die Ihr mit Heinz Zak in den eisigen Hades zu einem Konzert ganz besonderer Art abgestiegen seid, kurzum Ihr alle, die Ihr durch sieben lange Jahre hindurch den Heinz in seiner beispiellosen Leidenschaft, die Magie unserer Tiroler Berge einmalig und zeitlos in ein Opus Magnum zu bannen, begleitet habt!

Wieso der Heinz schon vor einem guten Jahr anlässlich eines Konzertes der Obertöne in Stams sich gewünscht hat, dass ich Euch hier und heute belästige, weiß ich nicht.

Vielleicht weil ich ihn, wie er in seinem heute vorgestellten Buch freundlich anmerkt, vor über dreißig Jahren ermutigte, seinen Weg als Künstler gleich mutig, gleich eigenständig und gleich konsequent wie seine verwegenen drei Laliderer Nordwandbegehungen an einem einzigen Tag fortzusetzen!

Vielleicht auch, weil wir uns als zwei chinesische Hunde und zwei astronomische Widder in unserer anarchischen Freiheitsliebe und intuitiven Eigensinnigkeit nicht ganz fremd sind, was wir beide vor zwei Wochen bei einem Spaziergang zum entlegenen Kasten Hochleger im hintersten Hinterautal wieder einmal feststellen konnten.

Vielleicht auch, weil ich mich damals als Tiroler Tourismusdirektor eher am Kompass der Herzen sensibler Künstler und Bergsteiger denn an den repetitiven Phrasen der Tourismusoberen orientierte…Nackte Oberkörper in Schwarzweiß sowie surreale Fernsehspots mit der Frage Wozu Tirol entsprangen dieser eigenartigen Orientierung. Weniger, leiser, reflexiver, nachhaltiger, sinnvoller, von den TirolerInnen akzeptierter und damit auch emotional werthaltiger sollte sich der Tiroler Tourismus idealtypisch entwickeln und verändern.

So erkannte ich wahrscheinlich spontan in Heinz Zak einen Verbündeten auf dem Weg neuer und alter tiefer und vielstöckiger Sinnbilder eines Landes, das oftmals in den Klischees seiner allzu bunten und flachen Abbilder zu ersticken drohte.

Jeder Tag draussen ist ein besonderes Geschenk schrieb mir 1990 Heinz Zak mit seiner wunderschönen Handschrift – schließlich war er ja einmal ein beliebter, oftmals karenzierter Lehrer in Scharnitz – als Widmung in sein erstes Karwendelbuch, damals schon reich an Bildern unvergleichbarer Innigkeit und Texten immer währender Gültigkeit ……. wie etwa das berührende Essay von Reinhold Stecher über die erste und wichtigste Botschaft der Berge, nämlich die Stille!

 

Apropos Stille: Eine absolute Ruhe intensivster Anspannung herrschte wohl an jenem sonnigen Maitage 2005 im Yosemite Nationalpark, als Heinz mit seinen reifen 47 Lebensjahren 18 Jahre nach Wolfgang Güllich vor der Linse seiner Frau Angelika 250 m über festem Boden bzw. kühlem Nass, an seinen Fingerkuppen frei und seilfrei am äußersten Rand eines sechs Meter langen Handriss Daches hängend, die schier unvorstellbare akrobatische Bravourleistung des Umfunktionierens seiner beiden Füße in Haltegriffe vollführte und sich – Pardon, schimpansengleich – nun an seinen Zehenspitzen hängend, schier überirdisch über die ausgesetzte Kante hinauf turnte.

Die zweite Free Solo Begehung eines magischen Daches, das nach dem dunklen Carlos Castaneda Separate Reality benannt wird, mutierte an jenem Tage im Mai zur Real Reality.

Beim Betrachten dieses exemplarischen Bildes des wohl extremsten Alpine High Sensation Seekers ( 6670m hoher Huascaran 4000 m auf/ab in einem Tag )und Slack-Borderliners ( über tiefe Schluchten in Mallorca barfuß am Seil ohne Sicherung balancierend ) unseres Landes bleibt mir mein Herze stille stehen!

Nochmals Stichwort Stille! Heinz Zak ist ein Stiller, wenn es um seine bergsportlichen Extremleistungen geht. Nur beiläufig erfährt man, dass die drei Winterüberschreitungen der Karwendelkämme seine ultimativ gefährlichsten risk-running Manöver gewesen seien…..etwa 27 Stunden am Stück ohne Essen und Trinken bei heimtückischen Wechten und eiskaltem brüchigem Fels mitunter im fünften Schwierigkeitsgrad….. einfach schaurig und schwer begreiflich!

Wenn es also dem Heinz offensichtlich nicht um das Bergsteigen per se als Egotrip zwecks narzisstischer Bestätigung und Vermarktung geht, welch innere Unruhe, welch obsessiver Impuls sind es dann, die ihn hinter seinem warmen, selbst designten Scharnitzer Kachelofen heraus in karge, menschenfeindliche Zonen treiben? An welche Pforte welchen Paradises muss er klopfen, um dessen Schlüssel im Inferno wilder Schneestürme oder dem Purgatorio eiskalter Biwaknächte leidvoll auszubuddeln?

Die anatomisch/physiologische Antwort auf diese Fragen lautet verblüffend einfach: Ein gnädiger Gott hat dem Heinz einen sechsten Sinn geschenkt, ein drittes Auge, einen ruhelosen Detektor, der – einem ästhetisch kategorischen Imperativ zufolge – jungfräuliche, noch niemals wahrgenommene Motive aus dem unendlichen Kosmos der Natur, vornehmlich der terra incognita Tirol, aufspürt und als einmalig magische Momente verewigt. Wo sich dieses göttliche Implantat präzise verbirgt, wissen wir nicht, vielleicht unter seiner anderen Prothese, dem Kopftuch, eher aber doch in seinem Herzen……das technische Gerät, die Kamera, ist nur das beliebige Werkzeug eines grossen Sehers mit unbestechlichem inneren Auge, einem Anselm Adams der Alpen!

Auf dass sich dieser sechste Sinn prächtig entfalten möge, statteten die Götter ihren Liebling noch mit einer weiteren unserer kurzatmigen Welt völlig fremden Gabe aus: Sie schenkten ihm keine Uhr sondern die Zeit. So wählte Heinz in langen sieben Jahren unter 200 000 Bildern in einer ersten Lese zunächst 2000 aus, um diese sodann auf 200 herunter zu kondensieren, zu filtern, zu keltern und schlussendlich uns hier und heute als magischen Jahrhundert Cuvee zu präsentieren. Der alte Geheimrat Goethe schrieb einmal an seine Charlotte: ich habe wenig Zeit, daher muss ich Dir einen langen Brief schreiben. Diese weise Sentenz erhellt vielleicht den titanischen inneren Kampf von Heinz Zak, dem die genannten sieben Jahre nur allzu schnell verronnen sind. Bei unserer Wanderung bemerkte er ein wenig traurig und nachdenklich, dass seine Schürfarbeit an den verborgenen Goldadern naturhafter Schönheit unseres Heimatlandes doch nicht so abrupt enden könne und möge.

But there remains a lot of upside potential, dear Heinz, rufe ich Dir tröstlich zu…..Dein heute im Vortrag aufblitzendes Talent, auch unvergesslich bewegte Bilder zu kreieren, harrt noch seiner vollen Entfaltung!

Schlussendlich ein paar Sätze zu diesem besonderen Buch, das mich bereits beim ersten Durchblättern vier Stunden lang verschluckte, zur Pflichtlektüre jeder Tirolerin und jeden Tirolers mittels Landesgesetz erklärt werden müsste und zudem allen WahltirolerInnen und ZweitwohnungsinhaberInnen zum obligatorischen Ankauf von zehn Exemplaren pro Kopf und Nase ins Haus geliefert werden müsste:

Sicherlich hat Heinz den Titel nicht leichtfertig gewählt: wenn er von magischen Bergen spricht, dann bezeichnet er sich selber völlig zu Recht als Magier, was im Wortsinne soviel bedeutet, als dass er mit seinen Bildern der Natur übernatürliche Wirkungen erzielen will.

Übernatürliche Wirkungen sowohl in einem künstlerischen als auch in einem gesellschaftspolitischen Kontext:

Zum ersteren: Jeder hat seinen eigenen Kunstsinn! Bei mir jedenfalls lösten einige der Bilder dieses Buches jene Resonanz aus, die man getrost mit dem Begriff übernatürlich umschreiben kann. Assoziationsfetzen aus der Dichtung Goethes Über allen Gipfeln ist Ruh bis zum Zarathustra Nietzsches die Welt ist tief und tiefer als der Tag gedacht und der Philosophie des Spinoza, der von Kunst dann spricht, wenn ein wenig Ewigkeit hineinblinzelt….sub specie aeternitatis….umrahmten mein blankes Staunen, mit welch unendlicher Geduld und großer Liebe Kairos, der Gott des günstigen Zeitpunktes, seinen Schützling just in jener magischen Sekunde auf den Auslöser drücken ließ!

Last but not least zur politischen Mission von Heinz Zak, der als veritabler Humanist (also im Wortsinn dem Humus, der Erde Verbundener) ein leuchtendes Role-Model für die Koexistenz von Mensch und Natur in unserem Lande verkörpert und dem schon lange Ehrenringe und alternative Nobelpreise zustünden:

Es gibt bekanntlich die alte Tradition der Kalokagatia, der Verbindung von Ästhetik und Ethik, des Schönen mit dem Guten. Es mag ja illusionär klingen, doch vielleicht ist es doch so, dass die unendliche Schönheit unseres Landes – wie im vorliegenden Buch illustriert- die zivilisatorische Verwüstung desselben unter der Ägide einer kurzsichtigen und halbherzigen Politik verhindern mag. Andreas Ermacora spricht in seinem Vorwort zur Festschrift der Alpinen Gesellschaft Gipfelstürmer von einer Reflexion und neuen Kalibrierung unseres Wertekanons.
Lisz Hirn hat heuer ein lesenswertes Buch mit dem Titel Der überschätzte Mensch Untertitel: Anthropologie der Verletzlichkeit geschrieben.

Heinz Zaks wunderbares Buch könnte dem gegenüber den Titel Die unterschätzte Schönheit der Natur tragen!

Um uns auf die rechte Balance zwischen Mensch und Natur rückzubesinnen, bedarf es der Öffnung unserer Augen und unserer Seelen durch Innehalten und Schweigen. Denn der Teppich dieses Schweigens muss – so nochmals Reinhold Stecher – ausgerollt werden, damit die Ehrfurcht – welch großes Wort! – Einzug halten kann!

Lieber Heinz, liebe Angelika, lieber Martín! Ad multos annos, multos flores, multos montes et multas imagines!

 

Copyright der Bilder Heinz Zak
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Andreas Braun

Dr. Andreas Braun, geb.12.4.1946 in Kitzbühel. Von 1969 bis 1982 als Verwaltungs- und Verfassungsjurist im öffentlichen Dienst tätig. Ab 1982 Leiter der Tirol Werbung; in dieser Funktion setzte Braun eine Reihe innovatorischer Akzente, von der Bildsprache bis zur digitalen touristischen Vernetzung (Gründung der TIS Ges.m.b.H). Anfang 1995 wechselte Braun als Kommunikationsmanager zur Swarovski-Gruppe. Als erste Initiative gelang es ihm, die "Swarovski Kristallwelten" als neues Pilotprojekt einer Verschmelzung von Industrie, Tourismus und Kultur erfolgreich kommerziell und kommunikativ zu positionieren sowie eine neue Unternehmensidentität für einen traditionellen Industriebetrieb zu formen. Die Swarovski Kristallwelten sind das erfolgreichste Modell eines sogenannten „third place“ in Europa und rangieren nach Schönbrunn als eine der bestbesuchten Attraktionen Österreichs. Braun ist bis Ende 2011 Geschäftsführer der d. swarovski tourism services gmbh, die neben den Swarovski Kristallwelten und Swarovski Innsbruck auch Swarovski Wien betreibt. Von Anfang 2012 bis Ende 2015 ist Braun Geschäftsführer der Destination Wattens Regionalentwicklung Gmbh (u.a. Konzeption der „Werkstätte Wattens“). Vielseitige internationale Vortragstätigkeit und essayistische Beiträge zu Kultur, Wirtschaft und Tourismus in diversen Medien.

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