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Alois Schöpf
Wer will heute noch Politiker werden?
Apropos

Demokratien leiden unter einem systemischen Fehler. Ihre Verfassungen gehen nämlich von der Gleichheit der Bürger aus. Daraus folgt, dass auch unsere gewählten Herrscher nichts Besseres sind als wir selbst. Dementsprechend behandeln wir sie.

Jeder kann sie anreden und erwartet einen freundlichen Händedruck zurück. Jeder kann sie kritisieren und wird dafür als Staatsbürger gelobt. Jeder kann ihnen noch so gemeine Fragen stellen und bekommt darauf eine Antwort, wenngleich oft eine schwammige. 

Im politischen Disput können wir sie schlecht machen, in den Sozialen Medien dienen sie uns als Watschenmann oder Watschenfrau. Und wenn man mit dem, was sie tun oder denken, nicht einverstanden ist, schlägt man ihnen nach jüngster Mode ein blaues Auge oder schießt sie gleich nieder.

Vor lauter Gleichheit haben wir unsere gewählten Herrscher gezwungen, immer ungleicher zu werden. Das betrifft nicht nur den Personenschutz, den zu haben wohl eher als Fluch einzustufen ist. Es betrifft ein ganzes Leben vom Stress über das ungeschützte Privatleben bis hin zum Verzicht auf Würde. 

Welcher vernünftige Mensch, der ein gewöhnliches Leben leben möchte, ist bereit, das auf sich zu nehmen, was wir von unseren Politikern fordern, ohne es je für uns selbst zu akzeptieren.

Dieser Widerspruch hat längst dazu geführt, dass die Personaldecke der Parteien beängstigend schmal geworden ist. Nicht nur in den USA, wo sich der um ein Haar ermordete Donald Trump mit einem Joe Biden matcht, der Herrn Selenski mit Herrn Putin verwechselt. Es betrifft auch Österreich. Namen seien vornehm verschwiegen.

Nicht verschwiegen werden darf hingegen, dass der kritische Journalismus angesichts eines immer inkompetenteren politischen Personals nicht plötzlich höflicher werden kann. Dadurch jedoch wird die Selbstauflösung der politischen Eliten noch weiter befördert. Ein schlimmer Teufelskreis!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 20.07.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Manfred Dellemann

    Geschätzter Herr Schöpf;
    gelungenes Apropos und danke dafür. Eine kleine Ergänzung hinzu: nicht einmal für „nicht gemeine“ Fragen bekommen wir eine Antwort, und das ist ärgerlich und „ demokratie- herablassend“. Und wir sollen/ werden schon darauf schauen, dass bei uns niemand an- und erschossen wird. Tu felix Austria. Herzliche Grüsse

  2. Sehr geehrter Herr Spiss!

    Ihr Kommentar hat mir anfangs überaus zugesagt – und mich sodann negativ überrascht. Konkret: Wie wahr, wie sehr auf den m. E. „richtigen Punkt gebracht“ ist Ihr erster Absatz! Danke dafür – er entspricht vollends meiner Auffassung.
    Ganz anders – für mich (der Herrn Vilimsky als recht unsympathischen Zeitgenossen wahrnimmt) – Ihre Tiraden auf die „Hexentrio-Aussage“ von Letzterem. Sind Sie derart ideologisch oder anderweitig verblendet, nicht verstehen zu können bzw. zu wollen, dass es sich hierbei um eine (zugegeben ziemlich deftige) witzige Aussage handelt? Sie scheinen – diesen Eindruck gewann ich – davon überzeugt zu sein, Herr V. würde, könnte er dies nur, Frauen peitschend, durch die Lande ziehen. Lächerlich. Freilich sollte der eben Genannte seine deftigen Worte auch anderweitig verteilen. Tut er übrigens bisweilen. Er (und andere möge(n) dies vermehrt praktizieren. Mir zumindest, der Humor gegenüber sehr aufgeschlossen ist und diesen zudem schriftstellerisch verarbeitet, gefällt so etwas (zumeist)!
    Mir jedenfalls stößt mehr als sauer auf, wie sehr es die LinksGrün-Ideologisierten seit Jahren verstehen, mit ihrer Jagd auf potenzielle (auch „echte“) sexistische, rassistische, faschistische u.ä. Wortmeldungen, sprich, auf die Emittenten derselben, ein Klima zu erzeugen, das längst im Begriff steht, 1984-artige (Orwell’sche) Züge anzunehmen.
    Mein Fazit: Bitte nicht überempfindlich sein, sakra no amol!

    1. Robert Muskat

      Werter Herr Weinberger,
      Sie übersehen eines, das nicht nur den Vilimsky betrifft, sondern alle Vertreter der FPÖ: Sie alle sind wahre Meister im Austeilen und Beleidigen, nehmen sich kein Blatt vor den Mund. Aber WEHE!!! irgendjemand wagt es, denen seine Gefühle und Gedanken offen ins Gesicht zu sagen, dann tanzen sie gleich mit all ihren Rechtsverdrehern an und klagen in Grund und Boden. HART IM GEBEN ABER WEICH BIS GATSCHIG IM NEHMEN! Das ist FPÖ!

  3. Egon Spiss

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich darf mich als ihr (treuer) Leser einmal mehr bedanken, für ihre klaren Worte gegen den Mainstream der Politikerschelte und des ständigen Schlechtredens politischer Entscheidungen in unserem Land. Der Politiker, die Politikerin – ein Mensch wie du und ich (ich kenne einige davon persönlich sehr gut) als Abstreifer und Watschenmann für viele, die kaum selbst einmal in ähnlicher Position zu agieren hatten und sich Kritik zu stellen hatten. (Ich vermute einmal, um sich selbst besser zu fühlen.)
    Einen aktuellen Höhepunkt solcher, zum Teil menschenverachtender Kritik lieferte für mich jüngst Herr Vilimsky mit seinen frauenverachtenden Aussagen „Hexentrio Lagarde, Leyen, Metsola, die noch unsere Peitsche zu spüren bekommen“. Die Anrede Herr fiel mir jetzt schwer, weil ich mich zu solcherlei männlichem Geschlecht nicht zählen möchte.
    Ich ersuche sie weiterhin, zu bedenklichen Fehlentwicklungen solch klare Worte zu finden wie bisher. Berechtigte Kritik der Medien: Ja! Aber möglichst unter differenzierten Betrachtungsweisen.
    Danke und liebe Grüße

  4. Robert Muskat

    Darf ich die Frage zu diesem hervorragenden Artikel etwas erweitern? Wer soll heute Politiker werden?
    Sicher keiner, der die Interessen seiner Partei oder seines “ Bundes“ über die Interessen der gesamten Bevölkerung stellt! Schauen wir uns doch die aktuelle Regierung an: man hört nichts anderes als Rückführung, Klagen gegen Ministerkollegen, Bauernbund, Orbanisierung, die Opposition redet von einem missverstandenen Verbrecher Putin, von Kürzung der Gesundheits- und Altersvorsorge und wirtschaftsfreundlichen Arbeitsbedingungen! Man macht sich über die Bierpartei lustig, deren Chef total sympathisch rüber kommt, verspottet die Kommunisten, die einen Teil ihres Einkommens für sozial Schwache spenden und den geldgierigen Vermietern auf die Füße treten. Aber eine 25% Partei glaubt, über ganz Österreich bestimmen zu dürfen.
    Jungpolitiker kommen nur dann zum Zug, wenn sie in den Parteisümpfen gefesselt sind, eigene Verantwortung wird durch den Klubzwang erstickt. Und da soll jemand aus jüngeren Generationen Lust auf Politik bekommen?

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