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Alois Schöpf
Authentisch kompetent
Über ein ORF-Interview
mit dem Wiener Gesundheitsstadtrat
Peter Hacker

Am Donnerstag, den 20. Juli, lud Marie-Claire Zimmermann, die so wohltuend überhaupt nicht zu den selbsternannten Kleininquisitoren der ZIB 2 passt, den Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zu sich ins Studio ein, um ihn über den aktuellen Ärztemangel an Wiens Spitälern, den Pflegenotstand überhaupt und den zu geringen Ärztenachwuchs zu befragen.

Vorausgeschickt muss werden, dass Peter Hacker, geb. 1963, auf eine ziemlich interessante Karriere, wenngleich immer nur im Dienst der Stadt Wien, zurückblicken kann. So war er noch unter dem legendären – heute müsste man wohl sagen -Vollblutpopulisten Helmut Zilk für persönliche soziale Anliegen der Wienerinnen und Wiener zuständig, fungierte später als Drogenkoordinator, war an der Aidshilfe beteiligt und ab 2001 Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien. Im Zuge der Flüchtlingskrise wurde er Koordinator für das Flüchtlingswesen. Seit 2018 ist er nun als Gesundheits-und Sozialstadtrat in der Regierung Ludwig tätig.

Von all diesen Erfahrungen, die er im Zuge seiner bisherigen Laufbahn gesammelt hat, konnte man sich unmittelbar im Interview mit Frau Zimmermann überzeugen. Hier wurde nämlich von einem Politiker nicht herumgeschwätzt und mit Marketingsprüchen à la „die da oben“ und „wir da unten“ über Probleme hinweg getäuscht, sondern es wurden sehr komplexe Zusammenhänge inklusive statistischer Daten und deren Vergleiche vor dem Publikum ausgebreitet.

So referierte Hacker mit sonorer Stimme über die Tatsache, dass Wiens Bevölkerung stark gewachsen sei, das zunehmende Alter einen höheren medizinischen Bedarf erfordere, der Bund bei den laufenden Budgetverhandlungen nicht mehr Geld herausrücke, der hohe Frauenanteil unter den Ärzten limitierte Dienstzeiten notwendig mache, die Spitalsärzte besser bezahlt, Kassenarztstellen attraktiver gestaltet werden müssten und der Nachwuchs an Jungmedizinern dem steigenden Bedarf nicht gerecht werde.

Dabei schien es Hacker vollkommen gleichgültig zu sein, dass solche Analysen möglicherweise jemanden intellektuell überfordern könnten. Man fühlte sich als Zuseher geradezu geehrt, ausnahmsweise nicht für blöd gehalten zu werden und einen ehrlichen Einblick in die politische Arbeit zu bekommen. Mit dem Effekt, dass die Moderatorin bald nicht mehr wusste, was sie überhaupt fragen sollte, da ihr – das ist nun mal so Sitte im ORF – der von vornherein stets Inkompetenz und Korruption witternde Zugang zum Interviewpartner unter dessen fachlicher Kompetenz zerbröselte.

So reagierte Hacker auch sehr professionell auf ein Interview, das dramaturgisch als einer jener typischen sogenannten Leger gedacht war, wie sie beim ORF mit kritischem Journalismus verwechselt werden, und deren Aufgabe darin besteht, zum Gaudium des Publikums den jeweils Befragten in die Enge zu treiben.

Ein Arzt beschwerte sich, dass in seiner Klinik in Ottakring während der Nacht für Notfälle keine Oberärzte mehr zur Verfügung stünden. Hacker replizierte: Der Fall sei ihm neu, in dem von ihm verantworteten Gesundheitsbereich seien 2000 Angestellte beschäftigt, er könne nicht alles wissen und er vertraue darauf, dass die Klinikleitung das Problem korrekt lösen werde. Tatsächlich erwies sich der Vorwurf des Arztes, Mitglied einer oppositionellen Gruppe der Wiener Ärztekammer, die mit der Gemeinde Wien im Clinch liegt, am darauffolgenden Tag als nicht zutreffend.

An sich wäre ja ein Interview mit einem Wiener Gesundheitsstadtrat inklusive der dazugehörigen hauptstädtischen Grabenkämpfe für einen Tiroler nicht von besonderer Bedeutung. Wenn es nur nicht so oft vorkäme, dass Politiker, wie erwähnt, im knechtischen Dienst von Werbung, PR-Agenturen und Marketingdummheiten, vielleicht aber auch aufgrund von fehlender fachlicher Kompetenz zu viel gesundbeterisches Geschwätz absondern.

Peter Hacker gelang im Gegensatz dazu das Kunststück, ein komplexes Problem nicht nur aufzuzeigen, sondern auch Versuche aufzulisten, die gerade unternommen werden oder unternommen werden müssen, um es zu lösen. Und es gelang ihm, sich als jemand zu präsentieren, der intelligent und sachorientiert seinen Job macht, dabei Ansichten vertritt, die man nicht immer teilen, aber ernst nehmen muss, weil sie aus korrekten Argumenten erfolgen.

Ich würde mir mehr Politiker wünschen, die nicht Angst vor der eigenen Intelligenz haben und sich um der Wirkung willen, einer von uns zu sein, dümmer machen als sie sind. 

In diesem Fall würde sich nämlich der Ruf der politischen Kaste rasch verbessern und die Journalisten als weitere Anbiederungsneurotiker im Ranking des mangelnden Ansehens hinter sich lassen oder, wie in einem kommunizierenden Gefäß, zur Nachahmung animieren. Ebenfalls ein günstiger Effekt bestünde darin, dass der Staatsbürger plötzlich besser zwischen jenen unterscheiden könnte, die Respekt verdienen, weil sie mit Argumenten überzeugen, und jenen, die ihn weniger verdienen, weil sie Schaumschläger sind.

Apropos Schaumschläger: Wieso haben nicht Leute wie Hacker, sondern eher Leute wie Babler in der SPÖ die Chance, Parteivorsitzende zu werden? Haben Sie keine Lust dazu, weil ihnen die Intrigen auf die Nerven gehen? Oder sind sie einfach bei der falschen Seilschaft?

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Kurt Höretzeder

    Jetzt, einige Wochen später, diesen Kurzessay gelesen und mich an das Interview erinnert – und spontan gedacht: Genau so habe ich das auch empfunden! – Gut, dass dieser geglückte Moment nüchterner politischer Klarheit auf diese Weise festgehalten wurde. – Schlusswunsch: Der Text gehörte in eine neu einzurichtende Sammlung politischer Preziosen – als Vorbild, wie einfach es im Grunde wäre, dem allseits beliebten Populismussprech mit etwas Wissen und Intelligenz entgegenzuwirken.

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