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Alois Schöpf
Wehrlose Opportunisten

Karl Nehammer bezeichnete sich bei seiner Vorstellung als Minister als liberal, konservativ und christlich-sozial. Ich habe mich damals über eine solche Zusammenballung unvereinbarer Begriffe lustig gemacht.

Eher geärgert habe ich mich über die Schnelligkeit, mit der der ehemalige Landtagspräsident Helmut Mader von seinen ÖVP-Parteifreunden wie Gammelfleisch verstoßen wurde, obgleich die WKStA zuletzt alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe fallen ließ. Wie ich es auch als kulturpolitischen Fehler erachte, Gustav Kuhn, wegen angeblicher Übergriffe, deretwegen nicht einmal Anklage erhoben wurde, ins Exil zu schicken.

Allen drei Vorkommnissen ist der Versuch gemeinsam, sich so windschlüpfrig wie möglich dem gerade herrschenden Zeitgeist anzubiedern, um beim Wähler zu punkten.

Diese Art, das Fähnchen in den Wind zu hängen, kann jedoch brandgefährlich werden. Besonders dann, wenn die Vertreter des Zeitgeists jemanden wie Sebastian Kurz ins Visier nehmen, weil sie Angst haben müssen, dass, wenn er bleibt, ihre Pfründe in Gefahr geraten.

Entsprechend wehrlos akzeptierten die wertfrei nur an der Macht interessierten ÖVP-Granden, um selbst verschont zu bleiben, den Abschuss des größten Talents ihrer Parteigeschichte.

Dieses Totalversagen wird beim kommenden Parteitag mit Garantie kein Thema sein. Dennoch wird der peinliche und düstere Schatten einer 25 %-Zukunft, welche den für ihre Prinzipienlosigkeit abgestraften Schwarzen bevorsteht, alle Schönwetterreden fragwürdig erscheinen lassen.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am Samstag 07.05.2022

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Robert Karl

    Servus Alois,
    Für mich ist es unfassbar, wie Du versuchst, das Abservieren dieses verlogenen Schauspielers, dieses umfragemanipulierenden Dünnbrettbohrers irgendwelchen prinzipienlosen „Zeitgeistigen“ anzulasten, die noch dazu lediglich Angst um ihre Pfründen hätten. Sag, lebst Du auf dem Mond, dass Dir die schamlose Einrichtung und Ausnutzung von Pfründen genau durch Kurz und sein Umfeld nicht aufgefallen ist? Oder spielt vielleicht dieser Umstand bei Schwarzen keine Rolle, zumindest keine negative? Zum Unterschied von Dir, dem offenbar dutzendweise Verfahren gegen ihn und sein Umfeld völlig gleichgültig sind (wie Dir ja auch eingestellte Verfahren irrelevant sind, egal aus welchen Gründen sie eingestellt wurden), habe ich mich in Jahrzehnten nicht so fremdgeschämt für eine Regierung in diesem Land wie die unter Kurz. Ich bin sehr erleichtert, dass Deine verqueren Ansichten in dieser Causa eine kuriose Randerscheinung in der österreichischen Medienlandschaft bleiben…

  2. Otto Riedling

    Es ist lieb und nett, sich über die „Zeitgeistigkeit“ mancher Politiker zu ärgern, aber die „Abgeschossenen“ sind im Prinzip teilweise selbst schuld. Meine Mutter meinte – wenn ich fragte, ob man diese Sachen auch tun darf – „im Prinzip schon, aber erwischen sollte man sich nicht lassen.“

  3. Josef Pockenauer

    Guten Morgen!
    Sie nennen Sebastian Kurz ein politisches Talent.
    Also da muss ich widersprechen. Kurz ist ein Blender, der der ÖVP dadurch Wahlerfolge beschert hat.
    Zu seinem Abschuss durch die Opposition hat er aber selber die Munition geliefert.
    Ich hab ihm von Anfang an misstraut, wurde dafür sogar gescholten, sollte allerdings Recht behalten.
    Und weil Sie ihn schon für so gut halten, noch eine Anmerkung:
    Er wurde vom Wähler mit einem Mandat im Nationalrat ausgestattet, war sich allerdings zu gut, dieses nach dem erfolgreichen Misstrauensantrag gegen ihn auch auszuüben.
    Das beweist, dass er es mit Demokratie nicht so besonders hätte. Das war ihm wohl zu mühsam. Sein Desinteresse an parlamentarischer Arbeit zeigte er auch dadurch, daß er, wenn er schon Mal im Parlament anwesend war, sich (fast) ausschließlich mit dem Handy beschäftigte.

  4. Therese Lukasser

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Besten Dank für Ihre Meinung in der heutigen TT.
    Ich habe lange schon darauf gewartet, dass jemand den Mumm hat, den „Vertretern des Zeitgeistes“ in Erinnerung zu rufen, dass sie mit dem Abschuss von Sebastian Kurz , „das größte Talent ihrer Parteigeschichte“, den Gang in Richtung 25% Partei zu verantworten haben.
    Während meiner Zugehörigkeit als Mitglied des Bundesrates – 1989 bis 1999 – konnte ich nie verstehen, dass der jeweilige Bundeskanzler einen Canossa-Gang zur Landeshauptleutekonferenz – einem Gremium, das es gesetzlich gar nicht gibt – antreten musste, um notwendige Gesetzesvorlagen durchzubringen.
    Man musste ja dem Föderalismus Rechnung tragen. Jeder LH will natürlich seine Minister selbst aussuchen. Was dabei herauskommt, erleben wir tagtäglich im Fernsehen.
    Sehr verehrter Herr Schöpf, verzeihen Sie mir meine neuerliche Raunzerei, aber Ihre heutigen Ausführungen dürfen nicht unerwähnt bleiben.
    Mit besten Grüßen verbleibe ich ihre nach wie vor ständige Leserin!

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