Print Friendly, PDF & Email

Alois Schöpf
Bürgerliche, bitte warm anziehen!
Eine Standpauke

Kurz ist also weg! Gratulation Österreich! Als unverbesserlicher Fan desselben fällt mir dazu nur noch resignierend der Satz von Jonathan Swift ein: „Fast jedes Genie verursacht augenblicklich eine Allianz der Mittelmäßigkeit.“ Dabei ist mir schon klar, dass der Begriff „Genie“ im Hinblick auf einen Politiker fragwürdig ist. Von einem außerordentlichen Talent zu sprechen käme der Sache näher, wodurch der Satz heißen würde: „Fast jedes außerordentliche Talent verursacht augenblicklich eine Allianz der Untalentierten.“

Wie auch immer: Die adorative Einstellung zum jüngsten Popstar der österreichischen Geschichte hat nicht nur meinen Ruf als politischer Beobachter in den Augen vieler meiner Leser beschädigt und im besten Fall ein mitleidiges Lächeln hervorgerufen, sie würde mich im Umkehrschluss nun auch dazu berechtigen, wie viele ÖVPler und Kurz-Fans, die es bisher nicht wagten den Mund aufzumachen, über ein für sie inakzeptables Bild in der Wiener Wochenzeitung „Falter“ herzufallen.

Es zeigt unter dem Titel „Geilzeit“ das christliche Motiv der den neugeborenen Christus stillenden Muttergottes, den die Szene betrachtenden, fromm seine Hände faltenden Herbert Kickl, den nach dem Busen seiner Freundin Susanne Thier langenden bärtigen Sebastian Kurz und den die erhabene Szene mit seinen Händen gleichsam gottväterlich abrundenden Alexander Schallenberg.

Dass ein solches Gemälde, auch wenn es eindeutig als Satire erkennbar ist, nun wirklich weit über das Ziel hinaus schießt, in seiner Infamie die Persönlichkeitsrechte vor allem der Privatperson Susanne Thier verletzt, das weibliche Geschlecht erneut auf seine biologischen Funktionen reduziert und somit insgesamt als sexistisch, herabwürdigend, als eine Chuzpe, geschmacklos und unverfroren einzustufen ist, darüber waren sich nicht nur die über den erzwungenen Abgang ihrer Lichtgestalt empörten Türkisen und Schwarzen einig, der Protest reichte selbst in das feministische Reaktorzentrum der Grünen Partei hinein und verursachte angeblich sogar in den Redaktionsräumen des „Falter“ heftige Diskussionen.

Was läge also näher, sich auch von meiner Seite über diesen neuesten Ausritt unseres avantgardistischen österreichischen Medienputschisten Florian Klenk zu empören?

Dagegen spricht, dass auch Satirikern, zu denen ich mich mit vielen meiner Texte zähle, das Hemd näher ist als der Rock, woraus sich zwingend eine alternative Sicht auf das Sujet „Geilzeit“ ergibt.

Sollten die Proteste gegen das Bild nämlich in der breiten Öffentlichkeit, mehr oder weniger von allen Parteien getragen, dazu führen, dass derartige angebliche Geschmacklosigkeiten in Zukunft geächtet werden und damit unterbleiben, all dies untermauert durch eine gestrenge Mahnung von Seiten des österreichischen Presserats mit seiner journalistisch-päpstlichen Imprimatur-Macht, bleiben als Geschädigte weder der „Falter“, dessen zynischer Chefredakteur den Skandal zweifelsfrei zur Erhöhung der Auflage seines Blättchens wenn nicht bewusst provoziert hat, so doch zumindest umzufunktionieren versucht, noch die auf dem Bild im Grunde durchaus liebevoll dargestellten Protagonisten am Felde zurück.

Was wirklich Schaden erleidet, ist die Satire als literarisches und bildnerisches Genre und die geistige und künstlerische Freiheit, sich über die Ereignisse der Gegenwart mit Hohn, Spott und Ironie lustig zu machen. Ja, eine ganze weltliterarische Gattung, als einer deren oberster Vertreter der eingangs zitierte Jonathan Swift zu gelten hat, würde unter dem Diktat der politischen Korrektheit auf den schmerzbefreiten Humor eines Kaffeekränzchens von amüsiert miteinander parlierenden Hietzinger Charity-Damen reduziert.

Im Hinblick auf den Protest von Seiten der ÖVP bleibt in diesem Zusammenhang nur noch darauf hinzuweisen, wie unüberbietbar einfallslos und gefährlich die Strategie ist, den politischen und ideologischen Gegner, der soeben die Führungsebene der Partei erfolgreich durch den Hinweis auf einen angeblich unmoralischen und somit untragbaren Kommunikationsstil, der sich aus illegal an die Öffentlichkeit geratenen Chats ergeben soll, in die Wüste geschickt hat, genau mit jenen Mitteln bekämpfen zu wollen, denen man gerade zum Opfer fiel.

Wie groß muss die strategische Naivität der Jung-Türkisen und frustrierten Alt-Schwarzen sein, wenn sie meinen, die Obwalter der politischen Korrektheit mit deren eigenen Waffen schlagen zu können? Einen intrigensicher um seine Umsätze kämpfenden „Falter“-Mitbesitzer und Netzwerker Florian Klenk? Einen die hasserfüllte österreichische Hausmeistermentalität seit Jahren virtuos befriedigenden, mit Klenk medial Ping-Pong spielenden Armin Wolf? Einen aus den Tiefen des parlamentarischen Hinterbänklertums aufgestiegenen Kai Jan Krainer? Oder die von den Höhen ihrer Lifestyle-Existenz herab keifenden Politikerinnen Meinl-Reisinger und Rendi-Wagner?

Spätestens wenn der Untersuchungsausschuss zu angeblichen Korruptionsaffären des sogenannten „System Kurz“ und der ÖVP insgesamt startet, werden sich Österreichs faule, feige und opportunistische Bürgerliche doch zwischendurch einmal von ihren sonstigen einträglichen und tüchtigen Geschäften erheben müssen, um sich darüber Gedanken zu machen, wie sie einer flächendeckenden und totalen Zerstörung der Reputation ihrer Partei entgegentreten könnten.

Denn der Untersuchungsausschuss hat naturgemäß keinen anderen Zweck, als die Machtübernahme durch eine den deutschen Nachbarn abgeschaute Ampelkoalition vorzubereiten, ohne dabei eigene Ideen einbringen zu müssen, da die mediale Kriminalisierung des politischen Gegners im Netzwerk des linken Wiener Mediensumpfes arbeitssparender funktioniert.

Dies alles wird auch ein noch so seriös agierender neuer Bundeskanzler Karl Nehammer nicht verhindern können, wenn Österreichs Bürgerliche – von den in den Orkus der Lächerlichkeit abgestürzten Pferdeentwurmern der FPÖ einmal ganz abgesehen – nicht politisch, strategisch und intellektuell zum Gegenangriff übergehen, um damit den weiteren Siegeszug einer Linksschickeria aufzuhalten, deren Verlogenheit Sarah Wagenknecht in ihrer Analyse „Die Selbstgerechten“ virtuos beschrieben hat und die mit Österreichs verdienstvoller Sozialdemokratie nie und nimmer verwechselt werden sollte.

Immerhin sind bereits zwei Staatstreiche am Wählerwillen vorbei virtuos gelungen, wobei der Erstere zwecks Abgeltung eines läppischen und manipulativ zusammengeschnittenen Videos 600.000 in Krügerrand Goldmünzen ausbezahlte Euro kostete und damit Österreich unter dem Anschein politischer Selbstreinigung als ziemlich billig zu usurpierende Bananenrepublik dastehen ließ.

Türkis und ÖVP werden nur dann überleben, wenn sie sich die Mühe machen, durchaus vergleichbar den Problemen, vor denen die deutschen Parteien CDU/CSU stehen, dem Wähler gegenüber klar, authentisch, intelligent und überzeugend zu formulieren, was in der Spätmoderne, aufgespannt zwischen Tradition und Innovation, Gewinnstreben und Solidarität unter Bürgerlichkeit und bürgerlichen Tugenden und den Vorteilen einer bürgerlichen Regierung, welche die individuellen Leistungen der Bürgerinnen und Bürger achtet und die stets räuberische Natur des Staates im Auge behält, zu verstehen ist.

Wenn Sie dazu zu faul und zu hirnlos sind, mögen sie sich, zum Schaden des Landes, auf die Oppositionsrolle vorbereiten.Dann haben sie es nicht besser verdient!

Das Bild: https://www.meinbezirk.at/c-lokales/regierung-verurteilt-falter-cover_a5080498#gallery=default&pid=28003615


Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. B. Valta

    Grandios geschrieben!
    Jeder einzelne Satz.
    Leider wahr…

Schreibe einen Kommentar