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Elias Schneitter
Vier Gedichte

Wie geht’s

Wie geht’s?
Danke, gut.

Wie geht’s?
Danke der Nachfrage.

Wie geht’s?
Wieso, wer lässt fragen?

Wie geht’s?
So wie die anderen wollen.

Wie geht’s?
Danke gut, ich kann wieder klagen,
antwortet der Rechtsanwalt.

Wie geht’s?
Bitte, frag jemand anderen.

Wie geht’s?
Und wie geht’s dir?

Wie geht’s?
Willst du das wirklich wissen?

Wie geht’s?
Keine Ahnung.

Wie geht’s?
Wie soll es schon gehen?

Wie geht’s?
Was soll diese Frage?

Wie geht’s?
Wie geht’s? Wie geht’s? Wie geht’s?
Frag mich, was immer du willst,
aber bitte frag mich nicht,
wie es mir geht.


Fernweh

Die Sekretärin versteht ihren Chef einfach ganz falsch,
wenn er sagt, dass er mit seiner Frau
nicht irgendwohin in den Süden fliegen will,
weil sie eine Orangenhaut hat.

Auch kann sie ihn nicht verstehen,
wenn er lächelnd meint, dass er seiner Frau im Bett
manchmal ins Ohr flüstert, dass er bereits neben
einer Großmutter schläft.
Da kann sich die Sekretärin zwar nie zurückhalten
und sie kontert stets
wie aus der Pistole geschossen,
dass auch seine Frau neben einem Opa liegt.

Und natürlich kann es die Sekretärin
überhaupt nicht verstehen, wenn sich ihr Chef
mit so einer Tussi aus einer anderen Abteilung
für ein, zwei Stunden in ein Hotelzimmer verdrückt.
Da empfindet sie ihren Chef nichts weiter als
ein riesiges Arschloch.
Aber das kann sie ihm dann doch nicht
ins Gesicht sagen,
weil das dann wiederum der Chef
nicht richtig
verstehen könnte.


Cafe Central

Ins Cafe Central geht man,
um sich vom Leben eine Pause
zu nehmen,

das man
außerhalb ohnehin
nur versäumt – Peter Altenberg

weil das,
was man im Leben verpasst,
das Leben ist – Richard Ford

denn
im Kaffeehaus ist man
nicht zuhause
aber auch nicht
in der frischen Luft – Alfred Polgar


Wie soll man das Ende von Reinhold
seiner Mutter beibringen?

Seine großen runden Augen, die immer so vor
Lebensfreude strotzten, kommen mir in den
letzten Tage immer wieder in den Sinn.
Auch sein fleischiges, kräftiges Gesicht
und sein fröhlicher Charakter, der keine
Tristesse zu kennen schien.

Er hatte eine fixe Anstellung als Waldaufseher
in einer Nachbargemeinde.
Erst kürzlich traf ich ihn
und wir tranken ein Bier miteinander.

Damals erfuhr ich,
dass er seinen Job verloren hat,
dass er in Scheidung lebt und dass er seine Frau
mit einer Waffe bedroht hat.
Sie hat ihn angezeigt
und er wurde verurteilt.
Darum verlor er seinen Job
als Waldaufseher.

Angeblich hat er auch eine Haftstrafe
ausgefasst, weil er die Geldstrafe
nicht bezahlte.

Aber das ist jetzt nicht mehr
von Bedeutung,
nachdem er sich erschossen hat.

Im Wirtshaus wurde erzählt,
dass man seine Mutter,
die in einem Pflegeheim lebt,
noch nicht informiert hat,
weil man befürchtet,
dass sie die Nachricht
nicht überlebt.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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