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Nicole Staudenherz
Die Kunst der Verdrängung
Von Gier, Genuss und Generationengerechtigkeit
1. Zur Praxis
Essay

Vegan lebende Menschen gelten gemeinhin als asketische Spaßbremsen. Blass, geschwächt und ausgemergelt sitzen sie vor einem Schälchen mit rohem Grünkohl, garantiert frei von Aroma, Salz und Lebenslust. Dazu stilles Mineralwasser. Denn Prickeln geht gar nicht. Mit ihrer Propaganda ruinieren die Kopfsalat-Hippies dem Genussmenschen jede anständige Mahlzeit.

„Wo bleibt denn der Genuss?“, werden wir Tierschützerinnen bisweilen gefragt, wenn wir über Veganismus sprechen. „Aber ich esse so gern [Tierprodukt XY]!“ oder „Darf man [Tierprodukt XY] jetzt auch nicht mehr essen?“ lauten weitere Standard-Einwände.

Da diese und ähnliche Fragen viele Menschen zu beschäftigen scheinen, soll eine Antwort zunächst aus lebenspraktischer und in Folge aus philosophischer Sicht versucht werden.


Marktcheck: Pflanzlich genießen in Tirol

Beginnen wir mit einem kurzen Marktcheck. Drei rein vegane Restaurants haben in Innsbruck in den letzten drei Jahren eröffnet. Ein Traditionsgasthaus im Unterland bietet veganisierte Tiroler Schmankerln. Und eine Berghütte in den Tuxer Alpen kann unter anderem perfekte, flaumige, gschmackige Knödel, ganz ohne Tierzutaten.

Eine Nachfrage scheint es also zu geben. Hier einige gemischte Kostproben von veganen Innsbrucker Speisekarten – ohne Namen zu nennen, denn wir erhalten kein Sponsoring:

Flaming Hotwings: Karfiolflügel mit einer würzigen Note, überzogen mit einer buttrig feinen, pikanten Sauce und serviert mit Selleriestangen und Aioli;

Vienna Burger: knuspriges veganes Schnitzel gepaart mit knackigen Salaten, sonnengeküsster Tomate, frischer Gurke und roten Zwiebeln, gebettet auf hausgemachter Knoblauchsauce mit frischem Schnittlauch;

Cashew-Spinatlasagne mit Selleriebechamel auf Tomatensauce;

Zucchinischeiben in Sesam gebraten, Datteln, Mango, Erbsen, weißer Spargel, gelbe Kokos-Currysauce;

Himbeer-Schokomousse-Törtchen: veganes Schokomousse auf luftigem Mandelbiskuit und süß-säuerlichen, gelierten Himbeeren;

Rhabarberkuchen mit Erdbeersauce und hausgemachtem Vanilleeis.

Ja, all diese Köstlichkeiten sind zu hundert Prozent pflanzlich und mitten in Innsbruck erhältlich. Auch tirolweit kann sich das Angebot sehen lassen: Die Restaurant-Datenbank der Veganen Gesellschaft Österreichs listet für unser Bundesland insgesamt 57 Lokale mit veganen Optionen.

Gut zu wissen für den Sommer: Etliche Innsbrucker Eissalons haben vegane Sorten im Angebot. Einfach nachfragen! Auch Gastronomiebetriebe ohne rein Pflanzliches auf der Karte können oft überraschend Delikates zaubern, wenn ein paar Tage vor dem Restaurantbesuch angefragt wird.


Pflanzlicher Genuss für zu Hause

Wer sich den veganen Genuss in die eigenen vier Wände holen will, ohne auf vertraute Geschmäcker zu verzichten, dem seien unter anderem folgende Kochbücher ans Herz gelegt:

„Wir kochen vegan“ von Haubenkoch Siegfried Kröpfl sollte in keinem gut sortierten Kochbuchregal fehlen. Dieses Standardwerk versammelt zahlreiche Lieblingsgerichte der österreichischen Küche und interpretiert sie auf köstlich neue Art in rein pflanzlicher Form.

Hier eine kleine Auswahl: Grießnockerlsuppe, vegane faschierte Laberln, Semmelknödel, Buchteln mit Vanillesauce, Schwarzwälder Kirschtorte und Marillenknödel. Wer Süßes liebt, kann sich gleich auch noch Kröpfls großartiges Backbuch „Wir backen vegan“ ins Regal stellen.

Eine weitere Top-Empfehlung ist „Vegane Ernährung für Einsteiger“, das neueste Gemeinschaftswerk von zwei Superstars der Veggie-Szene, Vegankoch Sebastian Copien und Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau. Neben wertvollem Basiswissen und einem kostenlosen Online-Kochkurs als Zusatzbonus bietet das Buch vor allem auch grandiose, alltagstaugliche Rezepte, von mediterranen Nudelgerichten über emotionale Klassiker wie Rahmgulasch mit Spätzle bis hin zu Dessert-Träumen wie Schokomousse mit Himbeeren.

Ein letztes Beispiel: „Vegan Paradise“, die Neuerscheinung der genialen Foodbloggerin und Kochbuch-Bestsellerautorin Bianca Zapatka, entführt entdeckungsfreudige Genussmenschen auf eine kulinarische Weltreise, die ihresgleichen sucht.

Beim Ausprobieren neuer Rezepte und Zutaten ist jedenfalls ein bisschen Geduld nötig. Denn der Geschmackssinn braucht normalerweise etwas Zeit, um sich an Neues zu gewöhnen.

Auch wenn viele vegane Speisen dem tierlichen Pendant geschmacklich überraschend nahekommen, bleiben gewisse Unterschiede spürbar, können aber durchaus auch attraktiv sein.

Natürlich kann es vorkommen, dass eine gut gemeinte Produktneuheit kulinarisch wenig zu bieten hat. In diesem Fall gilt: Weiterschauen und weiterprobieren und sich die Zeit geben, bis der Gaumen zufrieden ist.

Wer lieber den Profis in die Töpfe gucken will, statt Rezeptbücher zu wälzen, dem sei die Vegan Masterclass empfohlen. Europas größte pflanzliche Online-Kochschule bietet ansprechende Videokurse zu verschiedenen kulinarischen Schwerpunkten. Patisserie Masterclass, Italian Masterclass, Umami Masterclass, um nur eine winzige Auswahl des Kursprogramms zu nennen: Hier bleibt kein Wunsch offen.

Wer sich erst einmal lieber gratis umschauen will, findet auf diversen Videoplattformen auch kostenlose Vegan-Channels mit kreativen Kochideen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen.

Ihnen läuft jetzt auch das Wasser im Mund zusammen? Dann gönnen Sie sich doch einen kleinen Snack mit Dattelhummus, Cashew-Camembert und Tiroler Bergpesto!

Zur Philosophie:
Triggerwarnung: Das Grauen jenseits der Speisekarte
Fortsetzung Dienstag 17.05.2022



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Nicole Staudenherz

Nicole Staudenherz, geb. 1976 in Innsbruck, verheiratet, Betreuerin autistischer Kinder, Pflegerin bei den Sozialen Diensten Innsbruck, Pflegehelferin bei Tirol Kliniken, Diplom. Gesundheits- und Krankenschwester Tirol Kliniken, LKH Natters und Hochzirl, inzwischen hauptberufliche Kampagnenleiterin des Vereins gegen Tierfabriken (VGT).

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