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Ronald Weinberger
Wi(e)der die Wissenschaftsskepsis!
Notizen

„Himmelherrgottsakramenthalleluja!“, „Verzupf Di, Du geistiges Nackerpatzl!“ und Ähnliches kommt einem – nein, mir, sicherlich nur mir! – in den Sinn, wenn ich lese, sehe und höre, oder gar aus meinem Bekanntenkreis vernehme, dass die ganze Covid-19-Impferei ein Schwachsinn sei, die Viro-, Infektio-, Mikrobio- und sonstigen -logen völlig uneins wären und einem selber, des gesunden Lebensstils und des exzellenten Immunsystems wegen eh nichts passieren könne.

Und erst die persönliche Freiheit! Die würde beseitigt…

„Herr, lass Hirn regnen!“ Ja, dieser fromme Wunsch wäre angebracht. Aber dass derlei herrliche Gabe von oben zahlreiche Mitmenschen seit jeher verfehlt hat, ist offensichtlich. Das Substrat des Offensichtlichen ergibt sich aus einem Blick in die jüngere Vergangenheit und in die Jetztzeit.

Es ist nämlich Folgendes frustrierend und blamabel zugleich: Im Jahre 2010, in einer Eurobarometer-Umfrage, die auf die Wertschätzung der (Grundlagen)wissenschaft abzielte, landete Österreich auf dem letzten (!) Platz.

2021, in der aktuellen Eurobarometer-Umfrage, ergab sich ein einigermaßen ähnliches Bild hinsichtlich der Anerkennung von Wissenschaft und deren Vertretern.

„Schon wieder!“ konstatiere ich daher und nehme zugleich zur Kenntnis, dass sich – angefangen vom wirkmächtigen ORF (ORF.at vom 12.11.2021) – mehrere Medien dieser mehr als peinlichen, demaskierenden Ergebnisse angenommen haben. In einem von ihnen, DerStandard online, erschien am 14.11. ein den Pandemieexperten gewidmeter Beitrag mit dem mich, einem pensionierten Naturwissenschaftler, einschüchternden Titel „Der Hass auf die Wissenschaft“, welcher eine Lawine an Reaktionen auslöste: über 2000 Kommentare!

Viele der Kommentatoren vermochten über den Pandemie-Tellerrand hinauszublicken und thematisierten die in Österreich munter gedeihende Ablehnung von Wissenschaft allgemein und von Wissenschaftlern (s. o.). Der mit den meisten grünen (Zustimmung anzeigenden) Stricherln – mehr als 250 – bedachte Kommentar lautete (genaues Zitat):

„hoffentlich erkennt man jetzt, dass man schon bei schulischen bildung ansetzen muss um der wissenschaftsfeindlichkeit, die meist aus unwissenheit resultiert, wieder herr zu werden.“

Ich will mich nun keineswegs über die mangelhafte Grammatik und die mir suspekte Kleinschreibung mokieren, sondern darüber, dass dieser Kommentar einer von extrem wenigen ist, in dem zumindest ein Anflug von Vorschlägen enthalten ist, was man denn „wider die Wissenschaftsskepsis“ unternehmen könne. Bei der schulischen Bildung ansetzen sollte man, gewiss. Das wird aber sehr lange dauern, bis Früchte derartiger Bemühungen erkennbar werden.

Im oben erwähnten Beitrag in ORF.at meint zu der aktuellen Eurobarometerumfrage die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt von der Uni Wien ebenso, man solle „an den Lehrplänen von Schulen und Universitäten ansetzen“.

Klar doch! Bloß: Ist dabei eine mittelfristig erkennbare Änderung in der alpenrepublikanischen Haltung gegenüber der Wissenschaft zu erwarten? Kaum, meine ich.

Sollte man folglich die Hände in den Schoß legen und abwarten, bis – vielleicht! – in 10 oder 20 Jahren sich das Gros der Österreicher der Wissenschaft gegenüber weniger abhold zeigt? Oder kann man‘s wagen, zumindest den Versuch zu unternehmen, den Medien, genauer gesagt, den Wissenschaftsjournalisten, einen Vorschlag zu unterbreiten, der vermutlich relativ kurzfristig einen, wenn auch schlimmstenfalls geringfügigen positiven Effekt zu zeitigen verspricht? Ich wage es. Eines vorneweg: Eine Supermedizin gegen die hierzulande manifeste Wissenschaftsferne existiert nicht.

Ich rege aber an, entsprechende Ideen aus dem Stolz auf österreichische einstige (und jetzige) Sportgrößen zu entwickeln, falls die einen Sieg eingefahren haben. Oder die österreichische Fußballnationalmannschaft einmal gewonnen hat. Hieß es und heißt es da nicht, oftmals enthusiastisch, „WIR haben gewonnen!“, wobei das WIR eine kräftige Komponente des ICH in sich birgt?

Kurz, man soll die Alpenrepublikaner beim „Stolz“ packen! Anders ausgedrückt: Könnte man es schaffen, dass eine namhafte Zahl von Österreichern fühlen „WIR haben das entdeckt!“, wenn sie davon erfahren, wie viele tolle wissenschaftliche Entdeckungen und Erkenntnisse einst (und jetzt) von ihren in der Forschung tätig gewesenen bzw. tätigen Landsleuten gemacht wurden? Wobei etliche der Entdeckungen derart folgenreich und anerkannt waren bzw. sind, dass sie auf Dauer mit dem Namen der Wissenschaftler verbunden bleiben?

Ich möchte nur ein paar Beispiele anführen – und es gibt, vermute ich, viel mehr davon: Das Asperger-Syndrom, der Doppler-Effekt, der Freud’sche Versprecher, der Pirquet-Mondkrater, die Schrödinger-Gleichung usw. Man könnte, so meine Idee, diese Namensgebungen als „Aufhänger“ benutzen, eine kurze aussagekräftige Biografie samt Foto anfügen und all dies etwa an den Geburtstagen der Wissenschaftler – und zwar an prominenter Stelle – öffentlich machen. Binnen eines Kalenderjahrs wäre man damit durch.

Mit „prominenter Stelle“ meine ich, es sollte sich A) ausdrücklich NICHT um eine irgendwo versteckte kleine Meldung handeln und B) das Ganze sollte vor allem in überregionalen Medien veröffentlicht werden. In den ZIB 1 Nachrichten in ORF2 gibt es, am Ende der Meldungen, Hinweise auf Bücher, kulturelle Veranstaltungen und Ähnliches. Falls man das gar (auch) DORT unterbringen könnte…

Bevor allerdings die wunschdenkenbehaftete Fantasie vollends mit mir durchgeht: Kennen SIE Damen und/oder Herren aus dem Wissenschaftsjournalismus, denen man derlei schmackhaft machen könnte? Oder jemanden von der APA, um für eine österreichweite Verbreitung zu sorgen? Falls ja, bitte ich Sie um Ihren Beistand, um Ihre Initiative. Es geht schließlich um nichts Geringeres als um das Eindämmen einer bei uns fatalerweise weitverbreiteten, offenkundig tiefverwurzelten Abneigung gegen das rationale wissenschaftliche Denken.

Wie nachteilig, gegenwärtig sogar Unheil bringend das ist, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung!

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Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. c. h. huber

    ja, lieber ronald, da kann auch ich dir vorbehaltlos, allerdings auch in kleinschrift – im net schreibe ich fast immer klein wie bei meinen gedichten – zustimmen.
    gute idee und danke! g l g ceha

  2. Hans Peter Limmert

    Eigentlich bedarf dieser Beitrag keines Kommentars, er spricht für sich. Einen kleinen Zusatz möchte ich doch beifügen. Leider haben die wenigsten Mitbürger kaum bis gar keine Ahnung von Statistik, dazu führt selektive Wahrnehmung zu überzogenen bis völlig falschen Schlussfolgerungen, etwa wenn wenige Dutzend Fälle von Thrombosen bei Impfungen auftreten, sieht man nur diese und übersieht, dass dies bei mehr als drei Millionen Impfungen auftrat. Ähnlich läuft es bei Impfdurchbrüchen.
    In der Wissenschaft dagegen wird in alle Richtungen analysiert und immer wieder aktualisiert, sofern es neue Erkenntnisse gibt. Warum wird das nicht wertgeschätzt? Weil der andere Weg einfach bequemer ist. Wissen muss man erwerben, Glauben kann man immer.

  3. Ralph Holtfeuer

    Hallo Ronald, auf deinen Vorwurf hin, dass meine Kommentare immer kürzer werden, versuche ich nun eine längere Antwort zu finden.
    In Bezug auf Corona – wie mit jeder wissenschaftlichen Analyse – gibt es 100 Experten mit 150 verschiedenen Antworten. Ich bevorzuge auch den Aspekt, dass durch eine vollständige Impfung die Krise überwunden wird.
    Soviel dazu.
    In der Frage der Wissenschaft gibt es natürlich auch zwei Seiten. Ich finde, dass nicht nur das gemeine Volk zu wenig von wissenschaftlichen Fakten wissen möchte, sondern auch die Wissenschaftler ihre Wahrheiten an den Mann bzw. Frau (hätte ich fast vergessen) in VERSTÄNDLICHEN Worten bringen müssen. Wenn ein Wissenschaftler in seinem Elfenbeinturm mit Fachwörtern, Latein usw. usw. um sich wirft, interessiert dies ausser dem Fachpublikum keinen Menschen.
    Natürlich könnte man schon im Kindergarten oder in Volksschulen damit anfangen die Kinder zu drillen. Beispiele gibt es ja schon genug: man muss nur nach Asien schauen. Nur was ist das Ziel? Soll man den Kindern ihre Kindheit nehmen und aus ihnen Fachidioten machen, die die Welt zwar wissenschaftlich weiterbringen, aber dafür die Menschlichkeit verlieren?
    In unseren Schulen läuft sehr viel falsch. Dies fängt schon mit dem Lehrstoff an. Ich bin überzeugt davon, dass dabei der Großteil in einem späteren Leben nicht mehr gebraucht wird. Ich selber habe die HTL mit Matura abgeschlossen, habe danach aber einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Trotzdem zehre ich immer noch von der dabei gelernten Allgemeinbildung.
    Ich weiss, heute sind die Anforderungen ganz anders. Zu meiner Zeit gab es keine Computer. Wir hatten noch bis zur 5. Klasse Rechenschieber. Dadurch waren wir aber gezwungen unser Hirn einzusetzen. Heute fast undenkbar. Kopfrechnen ist ja schon verpönt lt. den jungen Lehrern in den Schulen. Ich habe das Gefühl, dass das selbstständige Denken im Namen der Uniformität abgeschafft wird. Siehe Gendern.
    Ronald, ich hoffe du bist mit meinem Kommentar und der Länge zufrieden. Hahaha.
    Ralph Holtfeuer

  4. Brigitte Kreisl-Walch

    Das ist eine exzellente Idee! Zusätzlich sollte man mehr gegen alle Pseudo-WissenschaftlerInnen und WichtigtuerInnen im Internet und sonstigen Medien unternehmen. Und die SchülerInnen sollten von den LehrerInnen angehalten werden, Nachrichten selbst zu recherchieren. Manches würde sich gar für den Ethikunterricht eignen. In Zeiten wie diesen sind WissenschaftlerInnen HeldInnen für mich, noch dazu schlecht bezahlte. (Ich hoffe, dass Herr Weinberger meine „Genderei“ verzeiht.)

  5. Johann Kelemen

    Volle Zustimmung von mir.
    Wenn man heutzutage sich mit jemanden geistig duellieren möchte, muss man sich meistens zurückhalten, da ein Großteil unbewaffnet ist.

  6. Gebhard Schatz

    Die Impfung ist nicht perfekt, aber sie ist – auf strikt wissenschaftlicher Basis – das beste Präventionsinstrument, über das wir verfügen. Und es geht bei der Impfung selbstverständlich nicht allein um den eigenen Schutz, sondern ebenso sehr um den der anderen.
    Das ist an einem öffentlichen Ort wie der Universität, mit Tausenden Anwesenden Tag für Tag und deren intensivem Austausch, von herausgehobener Bedeutung.
    Jene, die all das kategorisch von sich weisen, müssen beizeiten beginnen darüber nachzudenken, ob eine Universität das Richtige für sie ist.
    Denn dass Universitäten für eine wissenschaftliche Weltauffassung einstehen, versteht sich von selbst —> Stichwort „Aufklärung“, https://de.wikipedia.org/wiki/Aufklärung ).

  7. eibel

    zwar kleinschrift ABER trotzdem große zustimmung! sehr guter vorschlag DANKE

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