Zu den Festtagen
Ronald Weinberger
Zwei Kosmische Gedichte

Schwarzes Loch

Ich bin ein Schwarzes Loch;
doch noch
hab ich kaum was verschlungen.
Dabei tät ich’s so gerne
(ich lieb‘ vor allem Sterne!)
und hab mit mir gerungen,
als erstmals, neuerdings
so ein Sternen-Dings
seiner Wege kam;
ich blieb indessen zahm.
Es war ein Sternenzwerglein nur;
das ging mir gegen die Natur,
auf so was bin ich kaum fixiert,
hab ihn daher nicht absorbiert.

Potz Blitz! Sieh da! Soeben roch
ich ein herbeifliegendes Loch,
einen Schwarzen Zwilling sozusagen,
den es gravitativ verschlagen
hat hierher in meine Nähe
und ich spüre, nein ich sehe,
jetzt aus allernächster Nähe
dass er schwächlicher als ich …
Wundervoll! Gleich fass ich dich!
Schon vergreif‘ ich mich an dir,
Schwarzer Bruder, voller Gier.

Wie es ihn zermalmt, zerreibt!
Schwupps! Schon ist er einverleibt …


Pasta asciutta scomparsa

Ein Schwarzes Loch pflegt beim Zernudeln
von einem Stern selten zu hudeln;
gerät der in des Loches Fänge,
dehnt er sich merkbar in die Länge.
Dann lösen sich von seinen Gasen
die losesten, die d’raufhin rasen
(nicht rein in des Loches Schlund,
dass das nicht geht hat seinen Grund,
da trotz fernkünftiger Zerlegung
ist so ein Stern stets in Bewegung
und saust auf einer Umlaufbahn
um’s Schwarze Loch, nah an ihm dran),
in Richtung der finalen Front,
genannt „Ereignishorizont“.
Die Gase, die dorthin geflogen,
formen vorerst einen Bogen;
später, durch Nachschub, eine Scheibe,
denn es rückt vermehrt zu Leibe
dem Stern, den’s näher zieht zum Loche,
in einer Art harter Maloche,
ein Zug, der den Stern weiter streckt,
bis der im Endeffekt verreckt.
Doch bis dorthin ist’s noch ’ne Weile,
weil’s Schwarze Loch hat keine Eile,
es zupft und zieht gravitativ;
der Stern, längst langestreckt, wird schief,
krumm, wellig und zudem viel leichter,
und nicht lang nachher, da erreicht er,
bei der finalen Füsilierung,
den Status von „Spaghettisierung“.
In and’ren Worten: Aus dem runden,
sprich wohlgeformten, einst gesunden,
Stern wurd‘ eine heiße Nudel,
die eingespeist wird in den Strudel,
der, noch dazu ganz höllisch heiß,
um’s Schwarze Loch rotiert. Ein Scheiß,
der freilich auch nicht ewig währt,
denn was jetzt kommt, ist nicht verkehrt:
Aus der Scheibe inn’ren Schichten
lösen die Gase sich; mitnichten
wollen sie dem Loch entfliehen,
nein, fast alle freudig ziehen
hin und dann über die Front,
innert der das Loch bekanntlich thront.
Dort gehen sie auf eine Reise
und tun das auf bizarre Weise,
denn niemand hat bislang verstanden,
wo diese Gase schließlich landen;
vermutlich jenseits Raum und Zeit,
verwahrt für alle Ewigkeit.

Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. c. h. huber

    ein astrophysiker, der uns in reimform unterrichtet – das ist fürwahr mal was neues, amüsantes!

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