Urs Heinz Aerni:
Golfplatz der Zukunft
Lebensraum für Flora und Fauna?
Interview mit Alicia Moulin
zur umweltverträglichen Zukunft
des Golfsports
Urs Heinz Aerni: Frau Moulin, Sie sind die Managerin für Nachhaltigkeit beim Verband Swiss Golf. In der Medienmitteilung hieß es, dass man stolz sei, über das Engagement für einen nachhaltigen Golfsport zu informieren. Unter uns: Eigentlich höchste Zeit, oder?
Alicia Moulin: Ja, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Es war an der Zeit, sich als Dachverband klar zu positionieren und unsere Mitglieder um dieses wichtige Thema zu vereinen. Das Ziel des Verbandes ist es, den Fortbestand des Golfsports zu sichern und den anstehenden Verantwortungen Rechnung zu tragen.
Aerni: Wie groß ist das Interesse der Clubs, für ihre Bemühungen für die Nachhaltigkeit zertifiziert zu werden?
Moulin: Die GEO Foundation mit Sitz in Schottland, zertifiziert weltweit Golfplätze, fördert auch das Renomee der Clubs. Swiss Golf hat beschlossen, die GEO-Zertifizierung der ihm angeschlossenen Golfplätze zu fördern.
Aerni: Welches Ziel soll verfolgt werden?
Moulin: Wir wollen, dass bis 2027 alle Golfplätze zertifiziert sind. Dies ist für uns ein Weg, alle Clubs unter einer Flagge zu vereinen und die gesamte Branche zu level up und in Sachen Nachhaltigkeit zu professionalisieren. Die im Rahmen dieser Zertifizierung aufgezeichneten Daten ermöglichen es den Golfplätzen, sich untereinander zu vergleichen und zu sehen, wo sie in puncto Nachhaltigkeit stehen. Das ist echtes Benchmarking!
Aerni: Ich nehme an, dass Bedingungen erfüllt werden müssen, um diese Auszeichnungen auch behalten zu können.
Moulin: Richtig, nur die Golfplätze, die jedes Jahr Informationen über ihre Fortschritte liefern, dürfen das Zertifikat behalten. Es handelt sich also um einen Prozess der laufenden Verbesserung, der auf konkreten Aktionsplänen beruht, die regelmäßig kommuniziert und überwacht werden. Bisher haben sich fast zwei Drittel der Clubs dem Prozess angeschlossen, von denen 28 zertifiziert sind.
Aerni: Die Pläne von Swiss Golf bestehen aus besserer Messbarkeit mit dem Ziel, dass alle Golfplätze dieses Zertifikat erhalten und dass der Golfsport in der Schweiz bis 2035 CO2-neutral wird. Ein großes Thema waren bisher die Pestizide, die im Einsatz für den Rasen sind. Wie sehen Sie dazu die Aussichten?
Moulin: Unser Ziel ist es, dass Golfplätze bis 2030 ohne synthetische Pestizide gepflegt werden können. Um dies zu erreichen, haben wir eine Arbeitsgruppe aus Experten sowie der Bundes- und Kantonsverwaltung gegründet. Gemeinsam formulieren wir einen Aktionsplan und initiieren agronomische Forschungsprojekte.
Aerni: Kommen Sie voran?
Moulin: Die Liste der in der Schweiz zugelassenen Pflanzenschutzmittel wird jedes Jahr kürzer und überall in Europa hagelt es Verbote – Totalverbot in Wallonien, Verbot ab 2025 in Frankreich und mit der neuen EU-Richtlinie, die derzeit in Brüssel diskutiert wird, könnten alle Pflanzenschutzmittel ab Juli 2024 verboten werden. Die gesetzliche Agenda sorgt für Druck.
Aerni: Dann springt der Verband auf einen fahrenden Zug auf.
Moulin: Nicht nur, für Swiss Golf geht es im Wesentlichen darum, einen proaktiven Ansatz zu demonstrieren und den Dialog mit unseren eidgenössischen und kantonalen Verwaltungen aufrechtzuerhalten. All dies dient dazu, die Branche vorzubereiten und den Wandel so einwandfrei wie möglich zu gestalten.
Aerni: In der Tat können sich viele Golfplätze sehen lassen, sie sind naturnah und mit viel Gewässer gestaltet. Sie nennen diese Flächen Regenerationszonen. Wie darf man sich die Zusammenarbeit mit Partnern und Institutionen dazu vorstellen?
Moulin: Die meisten Clubs werden seit ihrer Gründung von Umweltbüros begleitet. 30 Prozent Ökozonen wurden in den meisten Fällen zum Zeitpunkt des Baus gefordert. Swiss Golf möchte noch einen Schritt weiter gehen und in der Lage sein, die Biodiversität auf den Golfplätzen zu messen. Erstens, um die Entwicklung und den Fortschritt im Laufe der Jahre zu verfolgen, und zweitens, damit sich Golfplätze untereinander vergleichen und über Erfahrungen austauschen können. Wir arbeiten zusammen mit IP-Suisse und der Schweizerischen Vogelwarte an einem Punktesystem zur Messung der Biodiversität auf Golfplätzen.
Aerni: Während dieses Projekt von Swiss Golf von Umweltschutzverbänden mit Interesse verfolgt wird, stellt sich nun die Frage, wie denn die Mitglieder der Golfclubs reagieren. Was sind Ihre Erfahrungen?
Moulin: Meinen Sie die Golferinnen und Golfer?
Aerni: Genau.
Moulin: Die Reaktionen sind unterschiedlich. Manche sind sehr enthusiastisch und motiviert, ihrem Club zu helfen, Fortschritte zu machen, während andere den Sinn dahinter noch nicht verstehen. Ich würde sagen, dass Golferinnen und Golfer, die ihre Bälle auf den Fairways behalten, nicht allzu viel dagegen haben, während andere, die ihre Bälle in Blumenwiesen und ökologischen Teichen verlieren, etwas mehr meckern (lacht). Spaß bei Seite, ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass Nachhaltigkeit weitaus mehr ist als die Aspekte Ökologie und Biodiversität. Es ist ein komplexes Thema, das auch die Aspekte Wirtschaft und die Gesellschaft umfasst, und Swiss Golf leistet in diesem Sinne viel Kommunikationsarbeit.
Aerni: Überhaupt scheint es, dass der Golfsport um eine Veränderung seines Images bemüht ist; die Gastrobetriebe sprechen vermehrt auch andere Gäste an, die Hemmschwelle zum Golf gegenüber der Bevölkerung wird gesenkt. Steckt der Golfsport in einer Sackgasse?
Moulin: Während der Pandemie haben viele Menschen den Golfsport für sich entdeckt oder wiederentdeckt, und die Zahl der Golfspieler ist seit 2020 deutlich gestiegen. Ende dieses Jahres überschreiten wir die Anzahl der 100’000 Schweizer Golferinnen und Golfer.
Aerni: Wie sehen Sie generell den Golfsport im Brennpunkt zwischen Luxus und einer Zukunft der Biodiversität und Umweltverantwortung?
Moulin: In der Schweiz gibt es über 4’000 Hektar Golfplätze, und allein in ökologischer Hinsicht kann hier einiges erreicht werden. Ich sehe den Golfplatz der Zukunft als einen wertvollen Lebensraum für Flora und Fauna, wo der Mensch sich erholen und seinen Sport in Harmonie mit der umgebenden Natur ausüben kann.
Aerni: Klingt gut…
Moulin: Die Frage der Mobilität von Sportlern ist eine Verantwortung für die Umwelt, die alle Outdoor-Sportarten betrifft. Zusammen mit Swiss Olympic und anderen Sportverbänden sind wir in einer Arbeitsgruppe aktiv, die sich mit diesen Fragen beschäftigt und konkrete Lösungen vorschlägt, auch wenn es letztlich um die persönliche Freiheit der Spieler geht, die wir nur begrenzt beeinflussen können.
Aerni: Spielen Sie selber Golf?
Moulin: Es war überhaupt nicht meine Welt, aber seit einem Jahr, in dem ich für Swiss Golf arbeite, entdecke ich den Reiz dieser Sportart, die viele Menschen mit Leidenschaft ausüben. Ja, ich habe diesen Herbst mit dem Golfspielen begonnen und werde bald meine Platzreife ablegen. Das ist nötig, damit ich den Golfplatz verstehe und warum man nicht alle Flächen in extensive Wiesen und einheimische Hecken umwandeln kann (lacht).
Die 1992 in Sion geborene Alicia Moulin studierte Agronomie, absolvierte ein Praktikum bei der UNO in Armenien. Auf ihren Reisen entdeckte sie ferne Kulturen mit sehr unterschiedlichen Denk- und Lebensweisen. Die Erfahrungen als Projektleiterin im Bereich Energiewirtschaft in der Landwirtschaft in der Französischen Schweiz begann sie im Jahr 2019. Nun arbeitet sie als Leiterin für Nachhaltigkeit bei Swiss Golf.
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